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Zehn Mythen und Irrtümer rund um die Verdauung

Manche Annahmen zum Wohlergehen von Magen und Darm erscheinen uns wie gesichertes Allgemeinwissen. Doch längst nicht alles, was auf den ersten Blick plausibel klingt, ist es auch.

Schnaps fördert die Verdauung

Hochprozentiger Alkohol nach dem Essen kann das unangenehme Völlegefühl nach einem zu üppigen Mahl zwar reduzieren, fördert aber nicht die Verdauung – ganz im Gegenteil: Es verzögert sie sogar. Denn Alkohol wirkt nachweislich entspannend auf unsere Muskeln, auch jene in der Magenwand. Normalerweise kneten die Magenmuskeln das Gegessene nach dem Essen durch. Alkohol aber lässt sie erschlaffen. Der Nahrungsbrei liegt anschließend länger im Magen und wird langsamer in Richtung Darm befördert. Verdauungsprobleme können die Folge sein.

Einzig bestimmte Aperitifs wie Sherry oder Anisschnaps vermögen – allerdings etwa eine halbe Stunde vor dem Essen eingenommen – unter Umständen die Verdauung zu verbessern. Das liegt an den darin enthaltenen Bitterstoffen, die Magen, Leber und Gallenblase anregen, Verdauungssäfte auszuschütten. Noch besser lässt sich dieser Effekt aber mit einem Glas Bitter Lemon oder Grapefruitsaft erzielen – denn die sind frei von Alkohol.

Bananen verursachen Verstopfung

So pauschal stimmt die Behauptung nicht. Einerseits sind in Bananen lösliche Ballaststoffe wie Pektine enthalten, die sowohl einer Verstopfung als auch Durchfall entgegenwirken können. Denn Pektine binden Wasser und verleihen dem Stuhl dadurch eine geschmeidige, gelartige Konsistenz. Durch das Aufquellen dehnen sich die Darmwände. Dieser Reiz sorgt bei Verstopfung in der Regel dafür, dass der Inhalt schneller nach draußen befördert wird.

Unreife, grüne Bananen enthalten andererseits große Mengen resistenter Stärke, also Ballaststoffe, die nahezu unverändert in den Dickdarm gelangen und dort von Bakterien aufgeschlossen werden. Die Studienergebnisse sind zwar noch nicht eindeutig, aber in großen Mengen können sie womöglich eine Verstopfung auslösen oder verschlimmern – zumal, wenn man sich zuvor eher ballaststoffarm ernährt hat und beim Essen zu wenig trinkt. Vermutlich verbessert sich die Verdaulichkeit mit zunehmenden Bakterienpopulationen im Dickdarm, die resistente Stärke abbauen. Die Zufuhr von Ballaststoffen sollte daher nur langsam gesteigert werden.

Ob Bananen Verstopfung verursachen oder nicht, hängt also von der Menge, dem Trinkverhalten und der persönlichen Konstitution ab.

Salzstangen und Cola helfen bei Durchfall

Bei Durchfall verliert der Körper große Mengen Wasser und Elektrolyte, darunter auch Elemente wie Kalium. Lange Zeit glaubten selbst Ärzte, mit Cola und Salzstangen den Flüssigkeits- und Mineralstoffverlust ausgleichen zu können. Inzwischen aber gilt es als wissenschaftlich gesichert, dass der hohe Zuckeranteil in der Cola die Wasserabgabe aus dem Körper ins Darminnere sogar noch verstärkt und den Durchfall verschlimmert. Zudem regt das Koffein die Nieren zu erhöhter Kaliumausscheidung an.

Salzstangen schaden zwar nicht, liefern jedoch kaum Kalium oder andere Mineralstoffe, sondern vor allem Natrium. Empfehlenswerter sind spezielle Elektrolytlösungen aus der Apotheke. Sie enthalten Wasser, Zucker und Salze in idealer Konzentration, sodass der Körper sie gut aufnehmen kann.

Allerdings sollte man dafür das auf der Packung angegebene Mischungsverhältnis genau einhalten, weil eine zu hohe Konzentration den Durchfall sonst verstärkt.

Eine warme Mahlzeit am Tag ist unerlässlich

Viele Menschen sind davon überzeugt, dass der Körper unbedingt mindestens eine warme Mahlzeit am Tag braucht, um gut versorgt zu sein. Tatsächlich spielt die Temperatur der Nahrung aber keine Rolle. Ob warm oder kalt: Wichtig ist, dass wir die Nährstoffe in der richtigen Menge und Zusammensetzung zu uns nehmen.

Der Sinn der Regel ist ein anderer: Viele Lebensmittel, die wir in gekochten Mahlzeiten verzehren, kann unser Körper im rohen Zustand gar nicht vertragen. Linsen und Bohnen zum Beispiel sind dann giftig. Durch das Erhitzen wird die Zellstruktur aufgebrochen. Giftstoffe werden zerstört und Nährstoffe erschlossen. Die Verdaulichkeit und der Nährwert mancher Lebensmittel steigen durch das Kochen also. Für unsere Vorfahren war das einst überlebenswichtig., weil sie so mehr verwertbare Energie aus ihrer spärlichen Nahrung ziehen konnten.

Schwimmen nach dem Essen ist lebensgefährlich

Manche Menschen warten im Schwimmbad längere Zeit, ehe sie sich nach einer Currywurst oder einer Portion Pommes frites wieder ins Wasser trauen. Auch die Baderegeln der Lebens-Rettungs-Gesellschaft empfehlen, niemals mit vollem Magen ins Wasser zu gehen.

Ursprünglich vermuteten Biologen, dass sich nach dem Essen ein Großteil des Blutes im Verdauungstrakt befinde und damit weniger Sauerstoff fürs Gehirn und die Muskeln in Armen und Beinen übrig bleibe. Die Folge seien Kreislaufprobleme, Krämpfe und Seitenstechen und eine erhöhte Gefahr, zu ertrinken.

Diese Ansicht gilt allerdings als weitgehend überholt. Der Körper hat in der Regel genug Blut, um alles zu versorgen. Lediglich der Wasserdruck kann dazu beitragen, dass das Völlegefühl im Magen für vermehrte Unbehaglichkeit sorgt. Das lässt sich vermeiden, indem man wenig oder am besten nur schnell Verdauliches isst. Mit ganz leerem Magen ins Wasser gehen sollte man jedenfalls nicht, um nicht zu unterzuckern.

Wer aber körperlich gesund ist, seine Leistungsfähigkeit realistisch einschätzt und darauf achtet, langsam ins Wasser zu gehen und sich in Ufernähe aufzuhalten, kann unbesorgt auch sofort nach dem Essen schwimmen gehen.

Milch neutralisiert Magensäure

Wenn saurer Magensaft in der Speiseröhre aufsteigt, kann es zu einem höchst unangenehmen Gefühl kommen. Sodbrennen. Als Gegenmittel wird oft empfohlen, Milch zu trinken – weil sie angeblich Säure neutralisiert.

Das aber ist Unsinn: Milch ist vielmehr selbst schon leicht sauer. Dass ein Schluck Milch bei akutem Sodbrennen dennoch oft lindernd wirkt, liegt schlicht daran, dass die Flüssigkeit die Speiseröhre frei von der Säure aus dem Magen spült. Noch besser lässt sich dieser Effekt allerdings mit einem Glas Leitungswasser erzielen.

Und eine Studie der University of Texas an knapp 400 Probanden legt sogar nahe, dass der Genuss von Milch das Risiko für die Entstehung von Sodbrennen erhöhen kann – vermutlich aufgrund ihres Fettgehalts.

Als wirksames Mittel gegen Sodbrennen hat sich in Studien aber Kaugummikauen bewährt: Es regt die Produktion von Speichel an – und der wirkt im Gegensatz zu Milch tatsächlich neutralisierend.

Dreck reinigt den Magen

Woher die Redensart stammt, dass Schmutz die Sauberkeit unseres Magens fördere, ist bis heute unklar. Möglicherweise geht sie auf die in vielen Kulturen verbreitete Praxis zurück, Heilerde zu essen, um sich Mineralstoffe zuzuführen oder Magenbeschwerden zu kurieren. In manchen Regionen Afrikas etwa wird rote Erde mit Wasser vermischt zu Lehmklumpen geformt auf Märkten angeboten.

Mit Reinigung im herkömmlichen Sinne hat das allerdings nichts zu tun. Ohnehin reinigt sich der Magen selbst: Bakterien, Pilzsporen oder Parasiten in der Nahrung werden überwiegend von der Magensäure abgetötet. Was übrig bleibt, vernichtet bei gesunden Menschen das Immunsystem. Etwas Dreck im Magen ist also in der Regel nicht schädlich. Und solange sich keine gefährlichen Krankheitserreger darin tummeln, tut es dem Körper möglicherweise sogar ganz gut, öfter mit keimbehafteten Substanzen konfrontiert zu werden. So bleibt das Immunsystem in Übung.

Trinken beim Essen schadet der Verdauung

Die Erklärung klingt logisch: Wenn zu viel Flüssigkeit in den Magen gelangt, verdünnt sich die Magensäure, und die Nahrung kann nicht mehr richtig verdaut werden. Doch obwohl die Aufnahme von Flüssigkeit (und Nahrung) den Säuregehalt im Magen tatsächlich verändert, ist immer noch genug Säure vorhanden, um die Nahrung wirksam zu zersetzen. Um den extrem sauren Magensaft so weit zu verdünnen, dass die Verdauung beeinträchtigt wird, müsste man mehr Wasser trinken, als der Magen aufnehmen könnte. Und selbst dann würden die Drüsen in seiner Wand Säure nachproduzieren, um den Mangel wieder auszugleichen.

Es spricht also nichts dagegen, bei einer Mahlzeit etwas zu trinken. Im Gegenteil: Kalorienarme Getränke unterstützen die Verdauung sogar. Denn unser Körper braucht Wasser, um die Nährstoffe aus dem Essen zu lösen und in den Blutkreislauf zu befördern.

Kaugummi verklebt den Magen

Mancher kennt die Sorge, dass sich ein verschluckter Kaugummi an die Magenwand heftet und nie wieder ablöst. Doch normalerweise verliert ein Kaugummi schon durch die Feuchtigkeit im Mund seine klebrige Eigenschaft. Folglich kann ein verschluckter Kaugummi auch nicht im Magen festkleben. Weil körpereigene Enzyme und Magensäure den Fremdkörper nicht zersetzen, wird er einfach unverdaut ausgeschieden.

Anders sieht es aus, wenn man sehr viele Kaugummis kurz hintereinander schluckt. Die können sich im Darm mitunter zu einem zähen Pfropf zusammenlagern, der die Passage des Nahrungsbreis behindert. Es sind Fälle bekannt, in denen Kinder unter starker Verstopfung litten, nachdem sie zahlreiche Kaugummis heruntergeschluckt hatten. Ein Arzt musste die karamellartige Masse anschließend manuell aus dem Dickdarm entfernen.

Obstkerne darf man nicht verschlucken

Ob von verschluckten Kernen eine Gesundheitsgefahr ausgeht, hängt vor allem von ihrer Größe ab. Kleine Kerne, etwa von Äpfeln können sich theoretisch im Wurmfortsatz, einem schlauchförmigen Anhängsel des Blinddarms, festsetzen und eine Entzündung auslösen. Das Risiko ist allerdings gering: In einer Untersuchung von rund 2000 operierten Wurmfortsätzen wurde gerade mal in einem Fall ein Obstkern entdeckt – im Vergleich zu sieben Fällen mit unzerkauten Pflanzenfasern.

Andere Obstkerne, etwa von Marillen, sind ohnehin zu groß für die nur rund zwei bis drei Millimeter messende Öffnung des Wurmfortsatzes. Bedenklich ist es jedoch, die großen Kerne zu zerbeißen. Vor allem die bitteren Kerne von wilden Marillen enthalten große Mengen Amygdalin, das im Körper in Blausäure umgewandelt wird und zu Vergiftungen führen kann. Wer versehentlich einen solchen Kern zerbeißt, sollte ihn ausspucken.