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„Wissen ist Macht“

Dr. Birgit Mallinger-Taferner ist Internistin am LK Villach und Typ-1-Diabetikerin. Ein Portrait.

Erfährt man als Teenager, dass man Typ-1-Diabetikerin ist, kann dies den Lebenslauf erheblich beeinflussen. Sogar sehr positiv, wie Birgit Mallinger-Taferners Beispiel beweist: Die Kärntnerin entschied sich für den Arztberuf, spezialisierte sich – und ist heute Wegbegleiterin für andere Diabetiker.

Von Elisabeth Schneyder

Wenn Birgit Mallinger-Taferner an den Tag zurückdenkt, an dem sie ihre Diagnose erhielt, klafft eine mehrstündige Lücke in ihrer Erinnerung: „Ich weiß noch, dass ich ins Spital musste und wir an einem Portier vorbeikamen. Aber dann...“. Damals, im Jahr 1987, war die heute 43-Jährige Kärntnerin erst elf. Und das nächste Bild in ihrem Kopf zeigt Nadeln in ihrem Arm und das grün blinkende Signal des Perfusors, der sie mit Insulin versorgte. Zwischen Hausarztbesuch, Diagnose, eiliger Fahrt ins Spital und dem Erwachen im Krankenzimmer war viel Zeit vergangen. Doch zum Glück fand die junge Typ-1 Diabetikerin in erster Linie „interessant“, was sie sah, als sie wieder zu sich kam. „Das war ja noch in der Ur-Zeit der Diabetes-Behandlung, Psychologie war kaum ein Thema und was da rund um mich herum passierte, schien mir einfach nur spannend“, lacht die Medizinerin, wenn sie davon erzählt.

Glück habe sie auch danach gehabt, schildert die inzwischen längst erfahrene und renommierte Diabetes-Spezialistin. Auch wenn ihr zu allererst das Wort „Hunger“ einfällt, wenn sie an ihre Kindheit zurückdenkt: Die Lehrer machten kein Problem daraus, dass die Schülerin Insulin spritzen und strikte Ernährungsregeln einhalten musste. Und ihre Zwillingsschwester stand ihr – obwohl selbst keine Diabetikerin – allzeit hilfreich zur Seite. Viel wert, in einer Zeit, in der von Basis-Bolus Therapie noch keine Rede war. Die Eltern schafften es „durch fast schon penetrantes Ausharren in diversen Warteräumen der Chefärzte“ ein sehr teures Hilfsmittel zu beantragen: Ein Blutzuckermessgerät, dessen stolzer Preis damals rund 20.000 Schilling betrug.

Dass das Mädchen Birgit schon immer großes Interesse an Naturwissenschaften gezeigt hatte, kam ebenfalls zupass: „Ich wollte irgendetwas in diesem Bereich machen. Diabetes hat dann bei meiner Berufswahl sicher eine große Rolle gespielt“.

Nach dem Studium in Graz fand die Tochter einer Steuerberaterin und eines Finanz-Experten auch im Turnus und in ihrer Assistenzarzt-Zeit Unterstützung. Diesmal durch ihre Chefinnen, die sie in ihrem Vorhaben bestärkten und es ihr ermöglichten, sich auf Diabetes-Behandlung zu spezialisieren. Ein weiterer Glücksfall – diesmal vor allem für jene vielen Patienten, die heute im KH-Villach von der engagierten Internistin betreut werden. Denn Birgit Mallinger-Taferner weiß genau, wovon sie spricht. Und sie legt größten Wert auf gute Kommunikation und empathische Gespräche, für die sich viel Zeit nimmt – auch jetzt, Corona-bedingt telefonisch vom Home-Office aus.

„Natürlich hadert man immer wieder mit dieser Erkrankung. Alles andere wäre gelogen“, stellt die Ärztin klar. Um die Tatsache, dass man als Diabetiker ständig planen und mitdenken muss, komme man schließlich nie herum. Allerdings: „Erkennt man Diabetes an wie einen Ehepartner – wie den Lebenspartner, der er ist – kann man davon profitieren“. Denn dies verändere den eigenen Blickwinkel auf vielfältige Weise: „Man kann ganz andere Gespräche führen, sowohl mit Kollegen, als auch mit allen anderen Menschen“.

Die Fortschritte, die in den vergangenen Jahren in der Diabetes-Behandlung gemacht wurden, begeistern Mallinger-Taferner, die selbst auf eine Insulinpumpe setzt. „Es interessiert mich, immer Neues zu probieren“, sagt die Mutter zweier kleiner Buben: „Ich wechsle zwischen schnellen und ultra-schnellen Insulinen, habe zum Beispiel den Eversense Sensor verwendet und nütze jetzt eine Medtronic 670 g Pumpe mit Automodus. Dass ich Gelegenheit habe, verschiedenste neue technische Hilfsmittel selbst zu testen, ist großartig“. Natürlich. Denn so kennt die Diabetes-Spezialistin alle Vorteile und potenziellen Schwierigkeiten und kann ihre Patienten optimal beraten.

Dass es inzwischen viel mehr Präparate für effiziente Diabetes- Behandlung gibt als noch vor 30 Jahren, sei in der Tat ein Segen für alle Betroffenen. Auch weil dadurch Therapiemöglichkeiten entstanden sind, mit denen vorbeugend behandelt werden kann, wie Mallinger-Taferner erklärt: „Diabetes Prävention und Adipositas Therapie gehören zusammen“. So seien etwa GLP1 Rezeptor Agonisten (Anm. der Redaktion: z.B. Saxenda) eine große Hilfe, wenn Gewicht reduziert werden muss: „Nebenwirkungen wie Stuhlproblematik oder Übelkeit nehmen gut aufgeklärte Patienten in Kauf, wenn die Alternative ein bariatrischer Eingriff – also eine Operation mit all ihren Begleiterscheinungen – wäre“.

Das Stichwort der Expertin lautet: Aufklärung. Schließlich betont sie stets: „Wissen ist Macht“. Auch SGLT 2 Hemmer dürfe man keinesfalls wie „Zuckerln“ einsetzen: „Je mehr die Patienten über Wirkungsweise, mögliche Nebeneffekte und den Beweggrund, warum diese Präparate verordnet wurden verstehen, desto eher zeigt sich ein Therapieerfolg. Mit der Kombination aus einem GLP1- Rezeptor Agonisten, einem SGLT2-Hemmer und einem motiviertem Patienten lassen sich sehr schöne Zuckerwerte erreichen“. Vor allem, wenn in ausführlichen Gesprächen bestens informierte Patienten keine Wundermittel darin sehen, die alle Probleme ohne weiteres eigenes Zutun lösen. Oft liege es an Wissenslücken, wenn die Einstellung der Werte nicht klappen will.

Was sich Mallinger-Taferner in Zeiten von Corona wünscht, ist mehr Aufmerksamkeit für Risikogruppen: „Diabetologie und Behandlung sollten jetzt stark in den Mittelpunkt rücken. Obwohl unsere Ambulanz derzeit nur im Notbetrieb läuft um die Gruppe der Diabetiker vor der Gefahr der Ansteckung durch Kontakt mit anderen beim Spitalsbesuch zu schützen, ist mit Hilfe moderner Technik vieles machbar“. Ihr Rat an Diabetiker: „Niemand kann wirklich definieren, was schwerer Diabetes ist und wer also tatsächlich mit höherem Risiko rechnen muss. Nehmen Sie die Sache also bitte ernst, auch wenn die Ausgangsbeschränkungen wieder gelockert werden. Achten Sie auf sich. Je konstanter Ihre Werte sind, desto besser!“

Dass die aktuellen Einschränkungen viele Diabetiker in Sachen Lebensstil und Therapietreue ins Wanken geraten lassen, bezweifelt die Spezialistin: „Ich glaube, dass das Bewusstsein, zu einer Risikogruppe zu gehören, sogar aufmerksamer macht. Die meisten haben jetzt auch mehr Zeit für sich selbst. Deshalb vermute ich, dass viele sogar wieder besser eingestellt sind als zuvor“.

Auch für Mallinger-Taferner selbst hat sich der Alltag durch die Pandemie ein wenig verändert: „Ich habe mich zwar immer schon gesund ernährt, auf Lebensmittelqualität geachtet und lokale Produkte bevorzugt. Aber jetzt koche ich sogar täglich. Das ging bisher nie!“, lacht die fröhliche Medizinerin. Und sie fügt heiter hinzu: „Ich liebe es, in der Natur zu sein. Seit ich vom Home-Office aus arbeiten muss, kann ich tatsächlich jeden zweiten Tag laufen gehen. Das war sonst auch noch nie möglich. Zu Hause zu sein entspannt!“

Conclusio: Es tut gut, positiv zu betrachten und gelassen anzunehmen, was man doch nicht ändern kann. Und dies – so viel ist fix – gilt für die aktuelle Krise ebenso wie für ein Leben mit Diabetes.

 

Word-Rap mit Dr. Birgit Mallinger-Taferner:

 

Was hilft Ihnen, sich vom Alltag zu entspannen?

Zeit in der Natur, im Freien – und natürlich mit meiner Familie. Und meinen Ehemann, der Musiker ist, zu Konzerten zu begleiten.

Was macht Sie glücklich?
Lachende Momente.

Ihr Lebensmotto?
Am Ende des Tages immer noch etwas Positives sehen.

Ihr größtes Talent?
Oh, da fällt mir gar nichts ein... !

Ihr größter „Fehler“?
Ungeduld und Rastlosigkeit.

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei anderen Menschen besonders?
Ehrlichkeit und Loyalität.

Was ärgert Sie am meisten?
Lügen! Die mag ich überhaupt nicht!

Über welche natürliche Gabe würden Sie gern verfügen?
Ein fotografisches Gedächtnis. Das wäre toll!!!

Was ist Ihr größter Traum?
Mit meiner gesamten Familie glückliche Zeiten und schöne Momente zu verbringen.

Welches ist Ihre größte Hoffnung für die Zukunft?
Dass alle Mitglieder meiner Familie ihre Ziele – sei es privat, beruflich oder sonstiges – erreichen können, ohne sich oder anderen untreu zu werden. Beruflich hoffe ich, dass in der Diabetologie neue Türen geöffnet werden können und innovatives Denken belohnt wird…