Wie ansteckend sind Türklinken und Haltegriffe?
US-Forscher haben erstmals untersucht, wie lange Sars-CoV-2 auf unterschiedlichen Materialien überdauern kann. Das Virus hält sich auf Oberflächen und kann eventuell auch durch Schmierinfektion übertragen werden. Dehalb ist Händewaschen so wichtig. Plus: Sich nicht ständig an Nase und Mund greifen. Das passiert unbewusst.
Wir greifen täglich mehrmals auf Dinge, die schon viele andere Menschen vor uns berührt haben: Türklinken, Haltegriffe in Öffis, Geländer, Lichtschalter oder Liftknöpfe. Auf diesen Oberflächen können auch Viren überleben. Niest oder hustet ein Mensch in seine Hand und öffnet dann beispielsweise die Tür, kann es zu einer sogenannten Schmierinfektion kommen. "In so einem Fall bleiben aber nur etwa zehn Prozent der Viren von der Hand auf dem Türgriff haften. Der Nächste nimmt über die Türklinke wiederum nur zehn Prozent der darauf befindlichen Viren auf", betont Monika Redlberger-Fritz, Virologin an der Med-Uni Wien. Mit der Zeit dünnt sich demnach das Ansteckungsrisiko aus.
Doch wie lange können Coronaviren auf unbelebten Oberflächen überdauern? Forscher des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Universitätsmedizin Greifswald und Wissenschafter von der Abteilung für Medizinische Virologie der Ruhr-Universität Bochum haben kürzlich in einer Übersichtsarbeit herausgefunden, dass einzelne Vertreter humaner Coronaviren bei Raumtemperaturen im Schnitt vier Tage überleben. Auf einigen Materialien bleiben sie sogar bis zu neun Tage infektiös. Bislang gab es aber keine Studien dazu, wie lange das neuartige Coronavirus Sars-CoV-2 auf Oberflächen haften bleibt.
Labor versus echte Welt
US-Forscher der National Institute of Health, der Princeton University und der University of California haben nun in einer Reihe von Laborexperimenten die Überlebensdauer des neuartigen Coronavirus auf unbelebten Oberflächen und in feinen Partikeln der Luft, sogenannten Aerosolen, gemessen.
Das Ergebnis der Studie: Sars-CoV-2 kann bis zu drei Stunden in der Luft überleben, bis zu vier Stunden auf Kupferoberflächen, etwa einen Tag auf Karton, 48 Stunden auf rostfreiem Stahl und bis zu 72 Stunden auf Plastik (Polypropylen). Wohlgemerkt: Es handelt sich dabei um Experimente. "Damit kann nie auf alle Bedingungen in der Welt außerhalb des Labors geschlossen werden", betont die Ärztin Verena Mayr vom Department für Evidenzbasierte Medizin der Donau-Uni Krems, die auch die Weltgesundheitsorganisation WHO im Kampf gegen Fake-News zum neuartigen Coronavirus berät.
Um die Ergebnisse der Studie seriös einschätzen zu können, ist es zunächst notwendig, die Laborbedingungen zu kennen. Denn die Stabilität von Viren außerhalb eines Wirts ist von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und der Beschaffenheit der Oberfläche abhängig. Die Experimente der US-Forscher fanden unter Raumtemperaturen zwischen 21 und 23 Grad Celsius statt, die relative Luftfeuchtigkeit lag bei 40 Prozent. "Das entspricht etwa den Bedingungen, die in einer U-Bahn herrschen", erklärt Mayr.
Die Virenkonzentration in der Luft wurde von den US-Forschern in einem Hochsicherheitslabor mit einer sogenannten Goldberg-Trommel gemessen, in die sie die Viren sprühten. Nach 30, 60, 120 und 180 Minuten wurde ein Gelatinefilter in die Trommel gehalten und darauf die Viruskonzentration bestimmt.
Beim Anhusten
Diese Vorgehensweise lässt sich aber nicht auf die Bedingungen außerhalb des Labors umlegen, denn wie lange sich Krankheitserreger in der Luft befinden, hängt letztendlich vom Virus selbst ab. "Bei Masern sind die Tröpfchen so klein, dass die Raumluft bis zu zwei Stunden kontaminiert ist. Die Tröpfchen, die bei Covid-19 beim Sprechen oder Husten ausgeworfen werden, sind relativ groß und vergleichbar mit klassischen respiratorischen Infekten. Dadurch halten sie sich maximal 30 bis 45 Minuten in der Raumluft und sinken dann auf den Boden", erläutert Redlberger-Fritz. Auch Christian Drosten betont in seinem Podcast auf NDR, dass Viruspartikel nur unmittelbar nach dem Aushusten in einem geschlossenen Raum in der Luft schweben, allerdings dann auf den Boden absinken. Es ist insofern nicht richtig, dass überall Viren in der Luft fliegen und man sich auf diese Weise infiziert.
Die Ergebnisse der neuen Studie legen den Schluss nahe, dass es theoretisch möglich ist, sich durch Gegenstände oder Partikel in der Luft mit Covid-19 zu infizieren. Allerdings bedeutet ein Nachweis von Viren auf Oberflächen keineswegs ein automatisches Ansteckungsrisiko. "Ausschlaggebend ist die Viruslast, die für eine Infektion notwendig ist. Diese ist für Covid-19 noch unbekannt und wahrscheinlich von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Das lässt sich aus den PCR-Kontrollen von Rachenabstrichen ableiten, mit denen jetzt Infektionen festgestellt werden.
"Letztendlich hängt das Ansteckungsrisiko aber auch von der körperlichen Verfassung des Einzelnen ab", betont Verena Mayr. Außerdem müsste man sich nach dem Kontakt mit einer kontaminierten Oberfläche an Mund, Nase oder Augen fassen. Nur so kann das Virus in den Körper gelangen.
Hand-Mund-Achse
Insgesamt stuften sowohl Mayr als auch Redlberger-Fritz das Gesundheitsrisiko durch Schmierinfektionen als sehr gering ein – vorausgesetzt, man beherzigt ein paar einfache Regeln: regelmäßiges Lüften der Räume, nicht mit den Händen ins Gesicht fassen und nach jedem Kontakt mit Türklinken, Haltegriffen, Schaltern, Handläufen von Rolltreppen oder Liftknöpfen für 20 bis 30 Sekunden lang die Hände waschen.
Das Gleiche gilt im Zweifelsfall auch für Pakete: entgegennehmen, auspacken, den Karton im Altpapiercontainer entsorgen und danach gründlich die Hände waschen.
(Quelle: www.derstandard.at /Günther Brandstetter)
Originalstudien:
Persistence of coronaviruses on inanimate surfaces and their inactivation with biocidal agents
Aerosol and surface stability of HCoV-19 (SARS-CoV-2) compared to SARS-CoV-1