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Wenn die Manipulation am Hybrid-Closed-Loop-System lebensgefährlich wird

Laut dem Glukosesensor ihres Hybrid-Closed-Loop-Systems ist bei einer Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes alles im grünen Bereich – trotzdem fällt sie fast ins diabetische Koma.

(28.8.2023) - Insulin-Purging ist unter Adoleszenten und vor allem bei jungen Frauen mit Typ-1-Diabetes ein verbreitetes Problem: Um Gewicht zu verlieren, reduzieren sie die Insulindosis oder lassen Insulininjektionen aus.

Um die absichtliche Unterdosierung zu verhindern, scheinen Hybrid-Closed-Loop(HCL)-Systeme, die Basal- und Bolusinsulin automatisiert abgeben, eine gute Lösung zu sein. Tatsächlich können aber auch HCL-Systeme ausgetrickst werden, wenn es die Jugendlichen darauf anlegen. Das zeigt eine Kasuistik aus Israel (Diabetes Care 2023; online 13. Juni).

Deutliche Gewichtszunahme unter Insulintherapie

Nachdem bei der Patientin im Alter von 13 Jahren ein Typ-1-Diabetes diagnostiziert worden war, wurde eine Therapie mit Insulinpumpe und kontinuierlicher Glukosemessung eingeleitet. Unter der Behandlung reduzierte sich der HbA1c-Wert, der bei Diagnosestellung 12,3 Prozent betragen hatte, auf 7,5–8,5 Prozent; parallel dazu nahm die Patientin deutlich an Gewicht zu. Mit 14,5 Jahren, der BMI betrug nun fast 29 kg/m2, wurde sie mit einer milden Ketoazidose stationär aufgenommen.

Als Ursache wurde zunächst ein Pumpendefekt vermutet. Das änderte sich, als sich einige Woche später herausstellte, dass die Blutglukose zwei Drittel der Zeit oberhalb des Zielbereichs und der HbA1c bei 8,7 Prozent lag. Da nun der Verdacht auf ein Insulin-Purging fiel, entschieden sich die Ärzte für ein HCL-System. Damit wurde schnell eine deutliche Besserung der Blutzuckerkontrolle erzielt, der HbA1c-Wert sank auf 7,6 Prozent. Aufgrund der guten Werte fand der nächste Arzttermin nur virtuell statt, laut der Gerätedaten waren die Glukosewerte bis zu 97 Prozent der Zeit im Zielbereich.

System wurde mit erfundenen Glukosewerten kalibriert

Ein halbes Jahr später wurde die Patientin jedoch mit Bewusstseinsstörungen in ein Krankenhaus eingeliefert, wobei der Sensor des HCL-Systems Blutzuckerwerte zwischen 70 und 180 mg/dl und einen Glukose-Management-Indikator (GMI) von 7,0 Prozent anzeigte. Eine Erklärung für den Zustand der Patientin lieferten die Messergebnisse in der Notfallambulanz: Blutglukose 694 mg/dl, pH 6,99, HCO3 6,9 nmol/l, HbA1c 9,7 Prozent. Verantwortlich für die Diskrepanz war nicht der Glukosesensor, sondern die Patientin: Sie hatte zur Kalibrierung erfundene Blutzuckerwerte eingegeben, sodass die angezeigten Werte massiv unter den realen Konzentrationen blieben.

Eine Arbeitsgruppe um Noah Levek von Israels nationalen Zentrum für Typ-1-Diabetes in Ra’anana schildert diesen Fall in Diabetes Care, um „das Bewusstsein für Strategien zu schärfen, mit denen Jugendliche die Abgabe von Insulin umgehen“. Manche würden vor Mahlzeiten den Auto-Modus von HCL-Systemen abschalten – was aber eine vermehrte Insulinabgabe nach dem Wiedereinschalten zur Folge hat. „Raffinierter“ sei die geschilderte Strategie, das System mit fiktiven Blutzuckerwerten zu kalibrieren. „Ärzte und Ärztinnen müssen wachsam sein für solche Möglichkeiten, fortschrittliche Technologie zu überlisten.“

Quelle: https://www.aerztezeitung.de/