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„Weniger Einschränkungen durch neue Technik“

Internist Gerd Köhler von der klinischen Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie an der Med Uni Graz kennt die Sorgen seiner Patienten nur zu gut. Denn der renommierte Spezialist ist selbst Typ-1-Diabetiker.

Von Elisabeth Schneyder

Eigentlich wollte er Pilot werden. Oder auch Fluglotse. Auf jeden Fall: Sein Traumberuf war untrennbar mit Fliegerei verbunden. Dass daraus doch nichts wurde, hat mit der Diagnose zu tun, die Gerd Köhler als Dreizehnjähriger bekam: Diabetes Typ-1. Und: Aus, der Traum. Weil Diabetikern das Steuern von Linienflugzeugen damals noch ausnahmslos verwehrt war. 

Inzwischen hat sich vieles geändert. Dass man in Österreich jetzt auch als Diabetiker Linien-Pilot sein kann, sofern man den entsprechenden Flugschein bereits vor der Diagnose gemacht hat, hätte dem heute 42-jährigen Mediziner zwar auch nicht geholfen. Dafür wurde er schon in zu jungen Jahren insulinpflichtig. Sein beruflicher Werdegang und ein glücklicher Zufall haben ihn jedoch trotzdem zufrieden gemacht – und näher ans ursprüngliche Ziel herangeführt, als einst gedacht.

„Ich habe zuerst eine technische Ausbildung gemacht“, erzählt Köhler. Dass Elektrotechnik nicht sein Beruf werden würde, habe er allerdings schon vor Abschluss der HTL gewusst. Und so holte er als 19-Jähriger die Fächer Biologie und Latein nach, um sich ins Medizinstudium zu stürzen: „Menschen haben mich interessiert. Und Krankheiten“.

Dass es Köhler dann ins Diabetes-Fach verschlug, hatte nicht unbedingt mit seiner eigenen Diagnose zu tun: „Ich habe als wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet und dann wurde in Graz damals gerade eine Stelle frei. Ein guter Zufall“, sagt er heute. Weil: „Ich würde nichts anderes machen wollen“.

Der zweite Zufall, der den in Mittersill geborenen Diabetes-Spezialisten auch seinem frühen Berufstraum nahebrachte, kam wie ein kleines Wunder: „In Großbritannien und Irland war es schon früher möglich, dass Typ-1 Diabetiker Linienflugzeuge fliegen. Als auch Österreichs Bestimmungen diesbezüglich gelockert wurden, wurde ein Arzt als Focal Point für die medizinische Kontrolle gesucht. Mein Chef wurde kontaktiert, hatte aber zu viel zu tun, um diese Aufgabe zu übernehmen – und so wurde ich gefragt“. Ergebnis: Gerd Köhler fungiert als Focal Point der Austria Control – und hat nun doch mit Fliegerei zu tun, wenn auch nicht als Pilot.

Auf neue Technologien bei Typ-1 Diabetes setzt Spezialist Köhler weitere Hoffnung für die Zukunft. Auch die vielen Open Source Projekte, die aktuell die Runde machen, seien sehr spannend: „Diese Apps sind zwar nicht zugelassen und wir können sie auch nicht empfehlen, weil sie nicht entsprechend getestet wurden. Aber natürlich erfährt man es als Arzt, wenn Patienten solche, von einer privaten Community programmierten Systeme verwenden. Und da gibt es vieles, was künftig – wenn entsprechend getestet und zertifiziert – sehr hilfreich sein könnte“.

Auch im Bereich neuer Medikamente gibt es mehrere Hoffnungsträger, urteilt Köhler: „Da ist vieles in Entwicklung. Zum Beispiel Insuline, die man nur ein Mal pro Woche spritzen muss. Hier laufen gerade entsprechende Studien für die Zulassung“.

Ob sich die neuen, oralen GLP-1 Analoga durchsetzen werden, bleibe ebenfalls abzuwarten: „Man braucht hier eine hohe Dosis und muss bei der Einnahme einiges beachten. Erfahrungswerte, wie das angenommen wird, stehen noch aus“. Und bei den neuen, noch etwas schneller wirkenden kurzwirksamen Insulinen, die in Deutschland bereits von den Krankenkassen bezahlt werden, gebe es in Österreich noch keine Erstattung.

„Man kann heute als Diabetiker fast alles machen. Mir fallen nur sehr wenige Einschränkungen ein“, resümiert der Experte. Die neue Technik habe inzwischen so vieles deutlich erleichtert. Nur eines leider nicht: „Aus psychologischer Sicht ist es heute auch nicht einfacher geworden, mit Diabetes zu leben“. Umso wichtiger scheint da, dass Umfeld und Ärzte um die Sorgen der Betroffenen wissen. Ein wirklich guter Zufall also aus Patientensicht, dass einer, der – selbst Diabetiker – eigentlich fliegen wollte, sich letztlich doch für den Arztberuf entschied.

 

Word-Rap mit Priv.-Doz. Dr. Gerd Köhler von der Med Uni Graz:

 

Was hilft Ihnen, sich vom Alltag zu entspannen?

Mit meinem Labrador Riley durch den Wald zu gehen, Reisen, Wandern, Mountainbiken, Segeln, Schwimmen. Ich tauche auch gern, aber leider viel zu selten. Sport mache ich zwar regelmäßig, aber hier „viel“ zu sagen, wäre übertrieben.

Was macht Sie glücklich?

Freizeit! Auch wenn ich nicht so viel davon habe.

Ihr Lebensmotto?

Habe ich keines.

Ihr größtes Talent?

Kein spezielles. Jedenfalls keines, das ich mir selbst zuschreiben würde.

Ihr größter „Fehler“?

Ungeduld.

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei anderen Menschen besonders?

Geduld und Ruhe.

Was ärgert Sie am meisten?

Ungerechtigkeit.

Über welche natürliche Gabe würden Sie gern verfügen?

Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Schön wäre, Sprachen leicht zu erlernen.

Was ist Ihr größter Traum?

Derzeit ist das eine lange Reise. Es wäre herrlich, ein halbes Jahr lang einfach die Welt zu bereisen. Früher war ich viel unterwegs – von Südost-Asien und Australien über Europa. Jetzt geht das aus beruflichen und privaten Gründen immer nur für höchstens zwei Wochen.

Welches ist Ihre größte Hoffnung für die Zukunft?

Dass uns Frieden erhalten bleibt.