Weihnachten in Zeiten von Corona
65 Jahre bin ich mittlerweile alt geworden, mein Geburtsjahr begann mit dem unglaublich positiven Slogan „Österreich ist frei“ und ich bin Zeit meines Lebens stolz darauf, eines der ersten in Freiheit geborenen Kinder zu sein. Doch das war 1955.
Heute 2020 erleben die meisten von uns eine noch nie dagewesene Zäsur des bisher so komfortablen Lebens in einem der reichsten Länder dieses Planeten.
Diese Pandemie hat auch nur bedingt mit Reichtum zu tun. Klar, es trifft die ärmeren Länder noch härter als die wohlhabenden, vor allem weil die entwickelten Impfstoffe in Kürze nach allen Regeln des Kapitalismus vergeben werden. Aber andererseits sind in Ländern, in denen es weniger Metropolen gibt, auch weniger Superspreader unterwegs. Ein schwacher Trost, wenn man bedenkt, dass weltweit nur sechs bis zehn Länder nicht zugesperrt sind.
Positiv thinking – trotz allem
Ich gebs gern zu. Ich war schmähstad, wie man in Wien sagt. Für Nicht-Wiener: fassungslos, bestürzt und vor allem ohnmächtig.
Die Summe der Ereignisse hat bestimmt nicht nur mich (leicht?) traumatisiert. Gründe gibt’s nicht nur für mich reichlich:
- der von mir vorhergesagte 2. Lockdown und der enorme Anstieg von Infizierten und auch Toten, der bevorstehende Engpass bei Intensivbetten und die noch immer vorhandene Dummheit in Sachen Corona.
- Natürlich der verbrecherische Terroranschlag eines in die Irre gegangenen Adoleszenten in der Wiener City und last but not least
- Die US-Wahl, deren Endergebnis ich sorgenvoll entgegengesehen habe.
Was ist das Ergebnis dieser deprimierenden Ereignisse, die darüber hinaus noch von herbstlichem Wetter, düsteren und feuchten Tagen sowie der Aufforderung, die eigene Wohnung im Drei-Wochen-Lockdown II so wenig wie möglich zu verlassen? Ich gebe es gerne zu: ich gehöre zu jenen, bei denen der Alkoholkonsum in Zeiten der Isolation ansteigt. 2,3, ja auch 4 Achtel Rotwein am Abend sind für österreichische Verhältnisse nicht viel, für Menschen mit Diabetes schon.
Mir ist das durchaus bewußt und auch, dass Alkohol eher ein Problem als eine Lösung ist, trotzdem bin ich ziemlich sicher, dass ich in der Community ein paar Kollegen finde, oder?
Es ist ja derzeit wirklich nicht einfach: das Wetter vielfach nicht verlockend (obwohl es nur schlechte Kleidung und kein schlechtes Wetter gibt). Aber es gibt auch Lichtblicke. So ist etwa der Massentest in Wien (ohne Zwang und Drohungen) äußerst erfolgreich und den wenigen Sekunden des unangenehmen Gefühls, wenn eine komplett weiß gekleidete Gestalt namens Anna in deiner Nase bohrt, folgt ein Gefühl der deutlichen Erleichterung, wenn man schwarz auf weiß bestätigt bekommt, dass man negativ ist.
Puh, bisher alles richtiggemacht.
An dieser Strategie werde ich natürlich weiter festhalten. Weihnachten – in früheren Jahren ein Ereignis unter wärmender spanischer Sonne – werde ich heuer wohl eher in der Isolation verbringen. Mit Ausnahmen, versteht sich, aber weiterhin penibel darauf bedacht, mich nicht zu infizieren.
Der neue Lockdown, der bis mindestens 18. Jänner 2021 unsere Geduld weiter auf eine harte Probe stellen wird, verlangt jedem einzelnen von uns einiges ab. Trotzdem ist die weitgehende Isolation gerade für uns Menschen mit Diabetes, meist auch schon bei den älteren Semestern angesiedelt, alternativlos.
Erst wenn es Impfungen gibt – und die älteren Patienten mit Diabetes gehören bestimmt zu den ersten Tranchen, die sie bekommen – wird wieder Normalität in unser Leben einkehren können.
Wir von Diabetes Austria haben uns unseren 25. Geburtstag auch ganz anders vorgestellt. Aber wir bleiben auch in diesen seltsamen Zeiten nicht nur beim positive thinking, sondern auch beim vernünftigen Tun: sicheres Verhalten mit Abstand, Maske und Händewaschen, bis die Impfung kommt und immer wieder testen.
Noch ein positiver Gedanke: seit Kurzem werden auch die Tage wieder länger, der nächste Frühling kommt bestimmt.
Wir wünschen Ihnen sichere, friedvolle und – soweit es geht harmonische Feiertage und einen Jahreswechsel ohne Feuerwerk.
PS: Über ein paar Zeilen von Ihnen/Euch zu unserem 25. Jubiläum freuen wir uns mit dem Stchwort: 25 Jahre an office(at)diabetes-austria.com .
Ich bleibe mit herzlichen Wünschen für Ihr positives neues Jahr 2021
Peter P. Hopfinger
Herausgeber und Chefredakteur