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Warum wir ein Wundnetzwerk brauchen

Überlegungen zu einer berufsgruppenübergreifenden Zusammenarbeit für eine optimierte Versorgung von Menschen mit chronischen Wunderkrankungen.

Von Dr. med. Adalbert Strasser, Wundzentrum Wien 22

„Irrwege, fehlende Ansprechpartner, ein Dschungel von Verbandsmaterialien und viele verschiedene Meinungen“ – hiervon berichten Betroffene und Angehörige, aber auch Behandler.

In Deutschland dauert es im Durchschnitt 3,5 Jahre, bis ein Patient mit einer chronischen Wunde im Rahmen des diabetischen Fußsyndroms fachärztlich behandelt und einer kausalen Therapie zugeführt wird. [1] 

Die Bedeutung chronischer Wunden spiegelt sich auch am Anteil an den Gesundheitskosten wider. In industrialisierten Ländern werden 3 bis 3,5% des Gesundheitsbudgets für die Behandlung und das Management chronischer Wunden ausgegeben. Auf Österreich umgerechnet wären das in etwa 1,2 bis 2,2 Milliarden Euro. [2]

Der (Rezidiv-) Prophylaxe und der stadiengerechten Therapie bei bestehender Wundsituation kommt große Bedeutung zu. Eine frühzeitige Behandlung kann die Rezidivrate und die Therapiedauer vermindern und die daraus resultierenden Folgekosten verringern. Als Defizite der Versorgung, welche maßgeblich zu den hohen direkten und indirekten Kosten der Behandlung beitragen, sind die fehlende Früherkennung, die zu späte sachgerechte Diagnostik sowie die oft unzureichende bzw. nicht vorhandene Kausaltherapie zu nennen. Die der chronischen Wunde durch ein interprofessionelles Team mit einem adäquaten Schnittstellenmanagement geht mit einer Verkürzung der Heilungszeit sowie mit einer Reduktion der Kosten einher. [3, 4, 5]

Interdisziplinäre und transsektorale Versorgung im „Wundnetzwerk“

Kommunikations- und Informationsaustausch zwischen den betreuenden Schnittstellen sowie innerhalb der ambulanten Versorgung zwischen den einzelnen Versorgungspartnern muss gegeben sein. Dieser Austausch kann zum Erreichen einer verbesserten Versorgung und einer Versorgungskontinuität beitragen. Die Liste der Involvierten beinhaltet unter anderem: Hausärzte, Chirurgen (inkl. Gefäßchirurgen, Plastische Chirurgen), Radiologen (inkl. Intervention), diplomiertes Pflegepersonal, Diabetologen, Diätologen, Mikrobiologen, Podologen, Schuhorthopädietechniker, Prothesentechniker, Psychologen, Spitäler, Apotheken, Schmerztherapeuten und noch viele mehr. Keine Berufsgruppe kann eine adäquate Wundversorgung chronischer Wunden allein bewältigen.

Die Herausforderungen für eine interprofessionelle, interdisziplinäre und transsektorale Versorgung im Bereich von chronischen Wunden sind groß. Grundlage für die verschiedenen Phasen der Versorgung ist ein partnerschaftliches Miteinander auf Augenhöhe unter Beachtung und Anerkennung der gegenseitigen Kompetenzen.

Es ist ein Ablauf erstrebenswert, welcher für alle beteiligten Berufsgruppen transparent, kontinuierlich und qualitätsgesichert ist. Dadurch können sich alle Beteiligten auf die Vorarbeiten der anderen Berufsgruppen verlassen und auf diesen aufbauen.

Ein derartiges Netzwerk entlastet jede einzelne Berufsgruppe und bietet die optimalste Versorgungsstruktur für die Betroffenen. Unter-, Über- und Fehlversorgung werden vermieden. Der Patient steht im Mittelpunkt und wird an die einzelnen Berufsgruppen weiterverwiesen (Abb. 1). Bei jeder Station erhält er eine standardisierte Therapie, diese muss dokumentiert werden und für jeden Netzwerkpartner nachvollziehbar sein. [6] In der Summe erhält der Betroffene dadurch die beste Therapie. Die Komplexität erfordert Koordination und die aktive Einbindung aller Beteiligten.

 

Literatur

1. Heyer K, Herberger K, Protz K, Glaeske G, Augustin M. Epidemiology of Chronic Wounds in Germany: Analysis of Statutory Health Insurance Data. Wound Repair Regen 2016; 24:434-42

2. Vavrovsky A. Die Bedeutung eines optimalen Wundmanagement aus sozio-ökonomischer Sicht. Pflege Professionell 2018

3. Gottrup F. A specialized wound-healing center concept: importance of a multidisciplinary department structure and surgical treatment facilities in the treatment of chronic wounds. Am J Surg 2004;187:38S-43S

4. Kjaer ML, Sorensen LT, Karlsmark T, Mainz J, Gottrup F. Evaluation of the quality of venous leg ulcer care given in a multidisciplinary specialist centre. J Wound Care 2005;14:145-50

5. Harrison MB, Graham ID, Lorimer K, Friedberg E, Pierscianowski T, Brandys T. Leg-ulcer care in the community, before and after implementation of an evidence-based service. CMAJ 2005;172: 1447-52

6. Storck M, Dissemond J, Gerber V, Augustin M, Expertenrat Strukturentwicklung Wundmanegement. Kompetenzlevel in der Wundbehandlung. Gefässchirurgie 2019;24:388-98