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Warum ein schwach ausgeprägter Geschmackssinn zu Übergewicht führt

Warum nehmen manche Menschen mehr zu als andere? Ein Grund dafür könnte das unterschiedliche Geschmacksempfinden sein, hat eine Studentin der Hochschule Albstadt-Sigmaringen herausgefunden.

(11.1.2022) - Gibt es Unterschiede im Geschmacksempfinden zwischen adipösen und normalgewichtigen Menschen? Kann ein schwächer ausgeprägter Geschmackssinn Übergewicht begünstigen? Mit diesen Fragen hat sich Kim Baumann für ihre Bachelorarbeit an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen befasst. Sie studiert Lebensmittel-Ernährung-Hygiene, betreut von Andrea Maier-Nöth.

Fettleibigkeit schwächt den Stoffwechsel

"Adipositas entsteht in der Hauptsache durch übermäßige Zufuhr kalorienreicher Nahrung bei gleichzeitigem Bewegungsmangel", so Baumann. Doch damit nicht genug: Studien zeigten, dass Fettleibigkeit den Stoffwechsel schwäche und den Erneuerungsprozess der Geschmacksknospen reduziere. "So fällt es adipösen Menschen oft schwerer, Geschmack und dessen Intensität zu erkennen und zu bewerten – vor allem bei Zucker und Fett ist das ein Problem."

Für ihre Studie, die sie an der Kurpark-Klinik in Überlingen am Bodensee verwirklicht hat, rekrutierte Baumann je 16 normalgewichtige und adipöse Probanden im Alter von 25 bis 51 Jahren, die je vier Geschmackstests absolvierten. "Ein erster Test zeigte, dass adipöse Menschen die Grundgeschmacksarten süß, sauer, salzig, bitter und Umami schlechter erkennen und zuordnen", sagt Maier-Nöth. Normalgewichtige erzielten im Schnitt über zehn Prozent mehr korrekte Ergebnisse.

Wie empfindlich sind die Probanden?

In weiteren Tests wurde die Empfindlichkeit der Probanden gegenüber Süßem und Fettigem überprüft, da beides aufgrund des hohen Kaloriengehalts die Energiezufuhr stark beeinflusst. Dabei zeigte sich, dass adipöse Menschen schlechter in der Lage waren, zwei Süßegrade zu unterscheiden: 69 Prozent erkannten keinen Unterschied, während es bei Normalgewichtigen nur 25 Prozent waren. "Diese Ergebnisse dokumentieren, dass adipöse Probanden tatsächlich weniger empfindlich für süßen Geschmack sind", sagt Baumann.

Ähnlich fielen die Ergebnisse beim Unterscheiden verschiedener Fettgehalte aus, wenn auch nicht so deutlich. Darüber hinaus bewerteten adipöse Probanden bei einem Test mit Fruchtjoghurts den ohne Zucker am schlechtesten – im Gegensatz zu Normalgewichtigen. Bei gesüßten Proben offenbarte sich ein gegenteiliges Ergebnis: "Diese erhielten von Adipösen durchgehend bessere Bewertungen als von Normalgewichtigen", so Maier-Nöth.

Adipöse bevorzugen stärkere Süßegrade

Daraus schloss das Forscherteam, dass Adipöse generell eine größere Vorliebe für Süßes haben und stärkere Süßegrade bevorzugen als Normalgewichtige. Wer zwei unterschiedlich süße Proben nicht unterscheiden konnte, bevorzugte stärker gesüßte Proben. Bei Normalgewichtigen war ein solcher Zusammenhang nicht festzustellen.

"Insgesamt erzielten Normalgewichtige bei allen Tests durchweg bessere Ergebnisse als die Adipösen", sagt Maier-Nöth. Daraus lasse sich ableiten, dass adipöse Personen die Grundgeschmacksarten schlechter identifizieren, eine unempfindlichere Wahrnehmung von süßem Geschmack haben und süßere Lebensmittel im Vergleich zu Normalgewichtigen bevorzugen.

Bewusstes Geschmackstraining kann helfen

Einen möglichen therapeutischen Ansatz sieht die Professorin in bewusstem Geschmackstraining, kombiniert mit nachhaltiger Gewichtsreduktion. Ein Einstieg sei beispielsweise Heilfasten nach Buchinger und Lützner, sagt Gabriele Wagner, zweite Betreuerin des Projekts und Leiterin der Abteilung Ernährungsberatung und Gesundheitstraining in der Kurpark-Klinik Überlingen. Das kurzfristige "Nichtessen" helfe, Geschmacksknospen zu sensibilisieren und unterstütze Übergewichtige dabei, ihr natürliches Geschmacksempfinden wiederzuerlangen.