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Vom Zauber des Nachglühens

Übers Vorspiel wird viel geredet und geschrieben – etwa, wie man die Partnerin/den Partner am besten auf Touren bringt. Weniger bekannt ist, was sich nach dem Akt abspielt.

Von Gabriele Kuhn*

Übers Vorspiel wird viel geredet und geschrieben – etwa, wie man die Partnerin/den Partner am besten auf Touren bringt. Weniger bekannt ist, was sich nach dem Akt abspielt – im Körper und in der Psyche geht’s da nämlich rund.

Vorfreude ist etwas Wunderbares. Noch schöner ist das Vorspiel. Die intensive Beschäftigung mit dem Partner vor dem Akt ist herrlich – wir laufen warm, schwingen uns ein, steigern die Lust, glühen vor. Alles klar. Aber was ist mit der „Nachfreude“?

Die Minuten unmittelbar nach dem Orgasmus, nach dem Akt sind meist von Atemlosigkeit, Erschöpfung und tiefer Entspannung geprägt. Man hat sich bewegt, man hat tief geatmet, laut gestöhnt und sich gespürt. Je nach Akt-Intensitätsgrad fühlen sich jetzt manche wie nach dem Zieleinlauf eines Marathons: glücklich, euphorisch, aber auch irgendwie leer. Vor allem Männer kippen in diesem Moment gerne in einen Sekundenschlaf, und dann gibt es Naschkatzen, die wollen jetzt unbedingt was Süßes. Und nein, über die „Zigarette danach“ reden wir jetzt nicht.

Leider dauert „The big O“, der Höhepunkt, nur wenige Sekunden. Das war’s auch schon. Ekstase geht, Alltag kommt. Und dennoch sollten wir uns bewusst sein, dass guter Sex viel länger nachwirkt – auf den Körper und auf die Psyche. Dass wir uns „danach“ wie schwebend und rundum happy fühlen, hat einen Grund. Nach dem Orgasmus kursiert im Körper mehr Serotonin und Prolaktin. Das sind Hormone, die dazu führen, dass wir uns ein bisserl müde fühlen – vor allem aber zufriedener und ausgeglichener. 

Das Fühlen nach dem Fühlen hat sogar einen Namen: „Aferglow“, was für „Nachglut“ steht, oder griffiger: „Nachglühen“. Manchmal wird es sichtbar, im Gesicht oder im De­kolle­té. Vor allem Frauen haben nach dem Sex den gewissen verschwommenen Blick und heftig durchblutete Wangen. Zauberhaft. Aber das ist nur ein Aspekt. Der wichtigsten hat etwas mit unserer Stimmung zu tun. Vor einigen Jahren haben Wissenschaftler den Afterglow-Effekt im Rahmen einer Studie erforscht – an frisch Verheirateten. Die Paare wurden aufgefordert, über zwei Wochen hinweg aufzuzeichnen, wann sie Liebe machten. Dabei sollten sie aufschreiben, wie zufrieden sie sich fühlten und wie sie ihre Beziehung und ihr Sexualleben im Allgemeinen empfanden. Nun zeigte sich, wie stark Sex nachwirken kann: 24 Stunden, meist sogar 48 Stunden nach Tagen mit sexueller Aktivität, fühlten sich die Paare zufriedener und fröhlicher. Nicht nur allgemein, sondern vor allem in der Beziehung.

Kein Wunder, werden Sie vielleicht sagen: Die waren ja alle frisch verheiratet! Psychologen vermuten jedoch, dass das Glücksprinzip sogar für länger Vermählte gilt, vorausgesetzt der Sex, den sie haben, ist für beide Partner erfüllend. Mögliche Ursachen für den Beziehungs-Nachglüh-Effekt könnte auch mit Oxytocin zu tun haben – ein Stoff, der beim Orgasmus vermehrt ausgeschüttet wird und als „Bindungshormon“ gilt. Wir fühlen uns dem Partner auch hormonell näher.

Übrigens wirkt sich das Nachglühen auch aufs Arbeitsleben aus, haben die Forscher festgestellt: Wer am Vortag Sex hatte, werkelte am nächsten Tag (oder sogar noch am übernächsten) motivierter und engagierter.  

*Gabriele Kuhn ist seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressortleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin der Lebensart. Seit 2017 Autorin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Und damit's nicht fad wird, schreibt sie seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox - Szenen einer Redaktionsehe" gemeinsam mit ihrem Mann Michael Hufnagl, ebenfalls Journalist. Außerdem: Autorin dreier Bücher.

Für Diabetes Austria schreibt sie Kolumnen rund ums Thema Liebe, Sex und Diabetes.