UV-Strahlen sind nur eine Seite des Lichtspektrums
Wien (APA) Immer mehr rückt mit dem verstärkten Einsatz von Handy- und Computer-Displays das Blaulicht in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: der intensive, kurzwellige Bereich des sichtbaren Lichts. Während der blaue Anteil im Tageslicht positive Auswirkungen hat, warnen viele Experten vor zu viel Strahlung durch Displays und LED-Lampen.
"Einerseits bremst das Spielen im Tageslicht bei Kindern die fortschreitende Kurzsichtigkeit ein", sagte Markus Gschweidl, Bundesinnungsmeister der Augenoptiker anlässlich eines Pressegesprächs. Andererseits gebe es Warnungen, wonach exzessive digitale Blaulicht-Emissionen Augenschäden wie etwa Makula-Degeneration verursachen können. "Andere Studien deuten darauf hin, dass normale LED-Lichter oder Displays unterhalb dieser Schwelle liegen." Brillen mit Blaulichtfilter - die erst seit wenigen Jahren auf dem Markt sind - seien dennoch sinnvoll, da sie zum Beispiel bei intensiver Arbeit am Computer digitalen Augenstress mindern - das visuelle "Rauschen", das Blendung und Augenermüdung erzeugt. Zudem mindern sie weitere, gravierendere Folgeerscheinungen, erklärte Gschweidl.
Die Folgen für den Schlaf-Wachrhythmus könnten nämlich sonst gravierend sein: Die Anwesenheit von blauem Licht habe bedeutende Auswirkungen auf den Biorhythmus des Menschen und sei ein wichtiger Zeitgeber. Blaulicht in der Nacht, etwa bei der Verwendung von digitalen Geräten, kann nach Ansicht von Experten zu Schlafstörungen und chronischem Schlafmangel führen. "Blauwelliges Licht unterdrückt nachhaltig die Melatonin-Ausschüttung", erläuterte Gerhard Klösch, Schlafforscher an der Medizinischen Universität Wien. Ein geringer Melatoninspiegel begünstige das Entstehen bestimmter Krebsarten, beispielsweise Brust- und Prostatakrebs, spiele aber auch bei der Entstehung von Diabetes Typ II und krankhaftem Übergewicht eine wichtige Rolle. Dabei könne die Beleuchtungsstärke durchaus gering sein, etwa unter 20 Lux, so der Wissenschafter. Die Effekte zeigen sich nach 15 bis 20 Jahren.
Der Schlafforscher empfiehlt daher, bei nächtlicher Beleuchtung gelbe, rote oder grüne Lichtquellen zu nutzen und bei digitalen Endgeräten Filter einzusetzen. "Wer vorhat, nach dem Nachtdienst zu schlafen, dem raten wir zu Blaulicht blockierenden Brillen", sagte Klösch. "Ansonsten sollte man untertags viel natürliches blaues Licht in Form von Sonnenlicht genießen." Während es in Innenräumen mitunter zehn Lux hat, ist man an Sommertagen im Freien bis zu 100.000 Lux ausgesetzt.
Der Mensch sei auch nicht dafür geschaffen, nur in die Nähe zu schauen, merkte Gschweidl an. Am Arbeitsplatz sei die "20-20-20"-Regel hilfreich. Demnach soll man während der Bildschirmarbeit alle 20 Minuten für 20 Sekunden auf etwas blicken, das 20 Fuß (rund sechs Meter; Anm.) weit entfernt ist. Die passende, auf die Bildschirmdistanz ausgerichtete Brille - entspiegelt und eventuell mit Blaulichtfilter - sei ganz wichtig. Autolenkern können beim Fahren in der Nacht Spezialbrillen helfen, die den Kontrast erhöhen, aber die Blendung verringern.
Der Leiter des Lichtlabors der Donau-Universität Krems, Gregor Radinger, befasst sich mit den Anforderungen der Menschen an das Licht in ihren Innenräumen. "Menschen haben aufgrund ihrer evolutionären Prägung bestimmte Bedürfnisse. Heute, wo sie mehr als 90 Prozent ihrer Lebenszeit in geschlossenen Räumen verbringen, finden sie aber ein gegenüber dem Außenraum deutlich verändertes Lichtangebot vor", so Radinger. Hier ortet er Widersprüche: Lichtmaximierung im Innenraum werde gleichbedeutend mit hoher Belichtungsqualität gesehen. "Wenig bekannt ist, dass wir für lichtinduzierte physiologische Prozesse, wie etwa die Melatonin-Ausschüttung, hohe und niedrige Beleuchtungsstärken-Niveaus benötigen, die im Innenraum bzw. aufgrund von Lichtverschmutzung in urbanen Gebieten kaum erreicht werden." Da sei die Architektur gefragt. "Die besondere Herausforderung für sie ist dabei, eine natürliche Raumbelichtung mit einer adäquaten thermischen Gebäudeperformance zu kombinieren." So sollen sich die Räume dabei etwa nicht zu sehr aufheizen.
Auch Schlafforscher Klösch spricht sich eindeutig für gezieltes, intelligentes Lichtmanagement aus. "Ich sehe da einen Riesenbedarf." Nicht nur der Einsatz verschiedener Lichtstärken wäre ratsam, "auch die Anpassung der Lichtfarbe in Innenräumen über den Tag hinweg ist chronobiologisch sinnvoll". In Schulen ließe sich dadurch die Aufmerksamkeit der Schüler steigern. "Wir in der Lichtforschung sind außerdem Fans von Lichtweckern und empfehlen diese besonders bei Kindern und Jugendlichen, die in der Früh schwer aus dem Bett kommen", so Klösch. Licht sei in der Lage, Stimmungen zu verbessern bzw. zu stabilisieren. Gegen den "Winterblues" könne eine Tageslichtlampe helfen. Zum einfacheren Munterwerden in der Früh rät er zum Einsatz von starkem blauwelligem Licht.
APA0000 2019-06-13/10:16