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Typ-1-Diabetes: Warum beim Sport der Glukosestoffwechsel so kompliziert ist

Der Glukosestoffwechsel wird bei Personen mit Typ-1-Diabetes durch Sport beeinflusst – und zwar über verschiedene hormonelle Mechanismen. Ein internationaler Leitfaden gibt Rat.

(14.2.2023) - Möglichst viel Bewegung gehört auch bei Typ-1-Diabetes (T1DM) zur Basis der Therapie. Außer Alltagsaktivitäten wie Treppensteigen oder Gartenarbeit ist dabei natürlich auch regelmäßiger Sport wünschenswert. Allerdings: Je intensiver und je länger Betroffene sich dabei körperlich anstrengen, desto schwerer wird es, den Blutzuckerspiegel auf einem befriedigenden Niveau zu halten. Um Hypoglykämien und andere Komplikationen zu vermeiden, nehmen daher viele Menschen mit T1DM Abstand von Sport. Dadurch werden große Chancen für mehr Lebensqualität und Gesundheit vertan.

Das wäre nicht nötig. Sogar Spitzensport ist mit T1DM möglich, wie Beispiele einiger Weltklasse-Athleten belegen. Dazu gehören etwa der Tennisprofi Alexander Zverev und der Olympiasieger im Gewichtheben von 2008, Matthias Steiner. Hinter solchen Talenten stehen aber in der Regel erfahrene Sportmediziner, die durch ganz spezifische Trainingspläne und Therapieanpassungen solche Spitzenleistungen ermöglichen. Aber auch ambitionierte Freizeitsportler lassen sich inzwischen gut führen, und zwar mit der sensorbasierten kontinuierlichen Glukosemessung (CGM), mit der sich der Stoffwechsel lückenlos überwachen lässt.

Internationaler Leitfaden gibt Rat

Ein internationales Team um den Sportmediziner Professor Othmar Moser von der Universität Bayreuth hat dazu vor gut zwei Jahren einen Leitfaden entwickelt (Diabetologia 2020; 63: 2501). Die Stoffwechselkontrolle bei Sport mit T1DM ist allerdings schwierig, wie Moser und sein Kollege Dr. Felix Aberer von der Medizinischen Universität Graz in einem Übersichtsartikel einräumen: „Typ-1-Diabetes geht neben einem Insulinmangel mit einer Reihe weiterer Beeinträchtigungen der hormonellen Physiologie einher, die Sport zusätzlich zu einer komplexen Tätigkeit werden lassen“, betonen die beiden Physiologen (Die Diabetologie 2023; 1: 86).

Mehrere hormonelle Mechanismen sind für das gesteigerte Komplikationsrisiko bei T1DM und Sport von Bedeutung:

Ein rapider Glukoseverbrauch. Muskelzellen können beim Sport die im Blut angereicherte Glukose insulinunabhängig aufnehmen. Das wird ermöglicht, indem bei Belastung sogenannte Glukosetransporter-4 (GLUT-4) auf der Zellmembran der Muskelzellen akkumulieren.

Die Insulintherapie stört die gegenregulatorische Glukagonsekretion. Sinkt der Glukosespiegel in Richtung Hypoglykämie, wird bei gesunden Menschen die Insulinsekretion eingestellt. Fast zeitgleich wird dann das Hormon Glukagon sezerniert, worauf die Leber Glykogen in Form von Glukose ins Blut freigibt und so Unterzuckerungen vorbeugt. Den Mechanismus unterstützen zudem die Stress-Hormone Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol.

Bei T1DM passiert etwas anderes. Das exogen applizierte Insulin zirkuliert auch bei stark abfallenden Glukosewerten weiter im Körper. Die gegenregulatorische Glukagonsekretion wird dadurch akut (und auch chronisch bei längerer Krankheitsdauer) nicht adäquat angehoben. Und die Katecholamine reichen nicht aus, um genügend hepatisches Glykogen zu mobilisieren. Die Folge: Glykogen wird nicht ausreichend freigesetzt, was Hypoglykämien begünstigt.

Bei hoher Belastung werden Hyperglykämien induziert. Bei Training an der anaeroben Schwelle (etwa bei intensivem Intervall- oder Krafttraining) wird bei T1DM mehr Glukose produziert, als verbraucht werden kann. Der Grund: Ausgelöst durch steigende Katecholamine werden in der Leber zunehmend Glykogen mobilisiert und die Glukoneogenese gesteigert. Während also bei niedriger bis moderater Trainingsintensität die Glukose absinkt, bleibt sie bei hoher Intensität stabil, und auch ein Anstieg ist möglich.

Um bei T1DM und Sport Komplikationen im Glukosestoffwechsel zu verhindern, müssen nach einem ausgeklügelten System die Insulintherapie angepasst und in speziellen Situationen Kohlenhydrate zugeführt werden. Steuern lässt sich das mit der sensorbasierten CGM.

Quelle: https://www.aerztezeitung.de/