Typ-1-Diabetes stoppen? Konzept mit Ethik-Fragen
Sollten alle Kinder auf symptomlose Frühstadien von Typ-1-Diabetes gescreent werden? Mit einer neuartigen Therapie ließe sich dann die Manifestation eines symptomatischen Diabetes zumindest verzögern. Ethische Fragen werfen allerdings mögliche falsch-positive Befunde des Screenings auf.
(9.6.2023) - Der Typ-1-Diabetes verursacht bei vielen Menschen Angst und Schrecken. Betroffene erinnern sich oft noch viele Jahre nach Manifestation sehr emotional an die Tage, nachdem sie von ihrer Krankheit erfahren hatten und wie sie sich das erste Mal Insulin selbst injizierten.
Medizinische Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben zwar die Therapie vereinfacht, etwa Analoginsuline, kontinuierliches Glukosemonitoring (CGM) oder „Closed-loop“-Systeme. Die große Hoffnung ist es aber, symptomlose Frühstadien des Typ-1-Diabetes früh zu erkennen, um dann die Manifestation der symptomatischen Krankheit stoppen zu können.
Antikörper deuten auf symptomloses Typ-1-Frühstadium
Auch hier ist die Forschung deutlich weitergekommen. So lässt sich ein symptomloser Typ-1-Diabetes im Frühstadium durch Nachweis spezifischer Autoantikörper diagnostizieren. Und eine 14-tägige Therapie mit dem Anti-CD3-Antikörper Teplizumab kann bei Betroffenen die klinische Manifestation zumindest verzögern, wie eine Studie mit 76 Risikopersonen ergeben hat. Alle hatten Fälle von Typ-1-Diabetes in der direkten Verwandtschaft, knapp drei Viertel von ihnen waren Kinder und Jugendliche (N Engl J Med 2019; 381: 603).
Bei den Teilnehmenden waren mindestens zwei spezifische autoaggressive Antikörper nachgewiesen worden. Im Median 2,5 Jahre nach der Therapie hatte sich bei 78 Prozent in der Placebogruppe ein symptomatischer Typ-1-Diabetes manifestiert, unter dem Verum waren es nur 50 Prozent (Sci Transl Med 2021; 13: 583). Die Manifestation der symptomatischen Krankheit wurde um 2,7 Jahre verzögert.
Diese Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg, den symptomatischen Typ-1-Diabetes zu verhindern. Das Präparat Tzield® mit Teplizumab wurde 2022 in den USA von der FDA zur Therapie von Menschen in Typ-1-Diabetes-Frühstadien zugelassen.
Die Kosten für die Behandlung werden mit etwa 200.000 Euro angegeben. Im März 2023 hat Sanofi mitgeteilt, dass es das biopharmazeutische US-Unternehmen Provention Bio Inc. für etwa 2,9 Milliarden US-Dollar kaufen wird und damit auch die Rechte an dem monoklonalen Antikörper erwirbt.