Typ-1-Diabetes: Postprandiale Zuckerspitzen verhindern
Den Blutzuckeranstieg direkt nach den Mahlzeiten bei Typ-1-Diabetes zu bändigen, stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Neue Substanzen und Insuline könnten dabei helfen.
(31.7.2023) - Dadurch, dass Insulin subkutan appliziert wird, gelangt es ohne den Umweg durch die Leber direkt ins Blut, erklärte Prof. Dr. Thomas Forst von den Clinical Research Services Andernach. Natürlich freigesetztes Insulin aus den Betazellen des Pankreas muss dagegen über die Pfortader zuerst die Leber passieren, was dazu führt, dass die peripheren Insulinspiegel deutlich niedriger sind als die in der Leber. Dieser hepato-periphere Insulinquotient spielt unter physiologischen Bedingungen eine große Rolle für die postprandiale Glukosekontrolle, so der Diabetologe. Bei der Subkutangabe bestehen demnach nach der Mahlzeit viel zu geringe Insulinspiegel in der Leber, zwischen den Mahlzeiten dagegen zu hohe Spiegel.
Ein weiteres Problem: Das applizierte Insulin muss erst aus dem subkutanen Fett absorbiert werden. Geschieht dies zu langsam, kommt es zu postprandialen Glukosespitzen, die mit einem erhöhten Risiko für mikro- und makrovaskuläre Komplikationen einhergehen. Durch schneller und kürzer wirksame Insulinanaloga konnte dieses Problem bereits z.T. gelöst werden. Diese Analoga führen zu den Mahlzeiten eingesetzt zu einer deutlichen Besserung der postprandialen Glukosekontrolle.
Trotzdem gibt es immer wieder Patienten, die trotz Verwendung von schnellen oder ultraschnellen Mahlzeiteninsulinen zu hohe postprandiale Glukosespitzen aufweisen. Könnte dagegen eine additive Therapie zur Senkung des postprandialen Blutzuckers helfen? SGLT2-Hemmer waren hier zunächst eine große Hoffnung, haben sich aber wegen der Ketoazidosegefahr als zu risikoreich bei Typ-1-Diabetes erwiesen.
Eine andere Möglichkeit könnte in Zukunft ein Amylin-Analogon wie Pramlintid sein. Amylin wird normalerweise zusammen mit Insulin aus der Betazelle freigesetzt, weshalb bei Typ-1-Diabetes auch dieses Hormon fehlt. Wichtige Effekte von Amylin sind die Inhibition der Glukosefreisetzung in der Leber, die der Magenmotilität mit schnellerer Sättigung und eine Appetithemmung im Gehirn. Positive Nebeneffekte sind eine Reduktion der notwendigen Insulindosis und die Förderung der Gewichtsabnahme.
In den USA ist es heute bereits möglich, Pramlintid parallel zu Insulin zu den Mahlzeiten zu spritzen. Bisher musste die Substanz aber separat appliziert werden, d.h. die Patienten mussten zu den Mahlzeiten mit zwei Pens hantieren, was die Therapie recht unattraktiv machte. Inzwischen wurde ein neues Insulinanalogon entwickelt, dass mit Pramlintid in einem Pen verabreicht werden kann, was den Einsatz in Zukunft interessanter machen könnte. Weitere Hoffnungsträger sind Insulinanaloga, die in ihrer Wirkung durch den Glukosespiegel reguliert werden.
Insulin entfaltet sich je nach Blutzuckerspiegel
In Entwicklung ist beispielsweise ein Insulinanalogon, das normal aus dem subkutanen Fettgewebe ins Blut aufgenommen wird, sich hier aber bei niedrigen oder normalen Glukosespiegeln quasi zusammenfaltet und so erst einmal unwirksam bleibt. Steigt der Blutzucker dann an, faltet es sich sofort auseinander und kann dann am Rezeptor wirken. Theoretisch funktioniert dieses „Klapp-Insulin“ schon ganz gut, berichtete Prof. Forst. Bis zu einem möglichen klinischen Einsatz wird aber noch einige Zeit ins Land gehen.
Quelle: Diabetes Kongress 2023 / https://www.medical-tribune.de/