Typ-1-Diabetes: Kontinuierliche Blutzuckermessung erzielt Vorteile in zwei Risikogruppen
(22. Juni 2020) - Tampa und Orlando/Florida – Eine kontinuierliche Blutzuckermessung, die Hypo- und Hyperglykämien „in Echtzeit“ erkennt, hat in zwei randomisierten Studien in zwei Risikogruppen die Blutzuckereinstellung verbessert.
Nach den im Amerikanischen Ärzteblatt (JAMA) veröffentlichten Ergebnissen wurde bei Jugendlichen und jüngeren Menschen der HbA1c-Wert verbessert (JAMA, 2020; DOI: 10.1001/jama.2020.6940), bei Senioren konnten Hypoglykämien verhindert werden (JAMA, 2020; DOI: 10.1001/jama.2020.6928).
Geräte, die über einen in die Haut gestochenen Sensor den Blutzucker in kurzen Abständen bestimmen, werden seit mehr als 15 Jahren angeboten. Die Systeme erfreuen sich zunehmender Beliebtheit, ihr Nutzen konnte jedoch in zwei Gruppen, die besonders stark von einer kontinuierlichen Blutzuckermessung profitieren könnten, nicht eindeutig bewiesen werden.
Die erste Risikogruppe sind Jugendliche und junge Erwachsene. Sie befinden sich in einer häufig turbulenten Lebensphase, in der die notwendige Bereitschaft zu regelmäßigen Blutzuckerkontrollen nachlassen kann. Eine kontinuierliche Blutzuckermessung könnte dieser Gruppe helfen, Stoffwechselentgleisungen zu vermeiden.
Doch in einer maßgeblichen Studie des US-amerikanischen Jaeb Center for Health Research an 322 Kindern und Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes konnte für die Altersgruppe zwischen 15 und 24 Jahren kein Vorteil für die kontinuierliche Blutzuckermessung gezeigt werden. Die HbA1c-Werte entwickelten sich während der 26-wöchigen Behandlung nicht besser als in der Kontrollgruppe, die mehrmals täglich ihren Blutzucker prüfen sollte (NEJM, 2008; DOI: 10.1056/NEJMoa0805017).
Technische Fortschritte bei den Geräten, die inzwischen auch ohne regelmäßige Kalibrierungen (durch konventionelle Messungen mit Teststreifen) auskommen, haben das Forschungsinstitut motiviert, erneut eine randomisierte Studie durchzuführen, an der 153 Menschen mit Typ-1-Diabetes aus der Altersgruppe zwischen 15 und 24 Jahren teilnahmen.
Primärer Endpunkt waren erneut die Veränderungen des HbA1c-Wertes im Verlauf von 26 Wochen, in denen die Teilnehmer auf eine kontinuierliche oder auf konventionelle Blutzuckermessungen randomisiert wurden. Zum Einsatz kam ein Gerät, das noch 2 tägliche Kalibrierungen erforderlich machte.
Zu Beginn der Studie hatten die Teilnehmer einen mittleren HbA1c-Wert von 8,9 %, der damit deutlich über den von den Fachgesellschaften in diesem Alter empfohlenen 7,5 % lag. Bei den 74 Teilnehmern, die auf eine kontinuierliche Blutzuckermessung randomisiert wurden, kam es nach 26 Wochen zu einem Rückgang des HbA1c-Werts auf 8,5 %.
Das ist zwar noch immer weit von dem empfohlenen Zielwert entfernt. Der Vorteil gegenüber der Gruppe mit mehrmals täglichen Blutzuckermessungen war jedoch eindeutig: In der Vergleichsgruppe hatte sich der HbA1c-Wert von 8,9 % erwartungsgemäß nicht verändert.
Das Team um Kellee Miller vom Jaeb Center for Health Research in Tampa/Florida ermittelt eine Differenz von 0,37 %-Punkten, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,08 bis 0,66 %-Punkten signifikant war.
In der Gruppe mit kontinuierlicher Blutzuckermessung erreichten fast doppelt so viele Patienten eine Verringerung des HbA1c-Werts um 0,5 %-Punkte oder mehr (44 gegenüber 21 %). Immerhin 25 % gegenüber 6 % gelang es sogar, den HbA1c-Wert um 1 %-punkt zu senken.
Die kontinuierliche Blutzuckermessung verhinderte auch starke Blutzuckerausschläge. Die Dauer, in der der aktuelle Blutzucker im Zielbereich von 70 bis 180 mg/dl lag, stieg von 9,0 auf 10,3 Stunden am Tag, während es in der Vergleichsgruppe keine wesentlichen Veränderungen gab (8,7 auf 8,3 Stunden am Tag).
Komplikationen waren insgesamt selten. Zu schweren Hypoglykämien kam es bei 3 Teilnehmern mit kontinuierlicher Blutzuckermessung und bei zwei Teilnehmern mit konventionellen Blutzuckerkontrollen. Eine diabetische Ketoazidose trat bei drei gegenüber einem Teilnehmer auf.
Quelle: https://www.aerzteblatt.de/