Typ-1-Diabetes: Hoffnung auf neue medizinische Ansätze
Von Peter Illetschko - 1.3.2019
Aus dem "Einjährigen Beifuß" wird der pflanzliche Wirkstoff Artemisinin gewonnen
Bei der Frage aber, wie der Typ 1 entsteht, gibt es nur Vermutungen, keine endgültige Klarheit. Eine genetische Komponente spielt sicher eine Rolle: Die Veranlagung für die Erkrankung kann also im Erbgut liegen. Auslösende Faktoren können Stress, Infektionen, aber auch ein Schockerlebnis und letztlich auch ungesunde, weil nicht ausgewogene Ernährung sein. Und was genau passiert in der Bauchspeicheldrüse, wenn der Typ-1-Diabetes entsteht? Forscher der Universität Zürich haben diese Frage zuletzt an Hand von Spenderorgan-Proben erörtert. Es handelte sich dabei um jeweils vier Personen ohne Diabetes, im Frühstadium des Typ 1 und in einem späteren Stadium der Erkrankung - von den Proben wurde eine Karte über den Zustand und die Verteilung der Zellen in der Bauchspeicheldrüse erstellt. Darin sind die Beta-Zellen, weitere Zelltypen in den gleichen Strukturen der Bauchspeicheldrüse sowie die in das Organ eingedrungene Immunzellen visualisiert.
Der nachgestellte Krankheitsverlauf
Zusammen ergaben die Karten einen nachgestellten Krankheitsverlauf beim Typ-1-Diabetes. Im Anfangsstadium der Erkrankung gibt es ja, wie man weiß, noch Beta-Zellen - erst später werden sie gänzlich zerstört. Zur Überraschung der Forscher waren es aber noch relativ viele - was Hoffnung auf einen medizinischen Ansatz macht, der den Typ-1-Diabetes verhindern könnte - wenn er in einer Frühphase erkannt wird. Man müsste den Autoimmun-Angriff des Körpers in dieser Frühphase stoppen, dann könnten die Zellen vielleicht ihre Funktion wiedergewinnen, sagte Nicolas Damond, einer der Studienautoren. Von einer möglichen Prävention oder Heilung könne freilich noch keine Rede sein.
In Österreich erkranken jährlich etwa 18 von 100.000 Menschen an Typ-1-Diabetes. Tendenz steigend. In südlichen Ländern liegt der Prozentsatz darunter, in nördlichen sogar darüber, was laut Studien mit geringerer Sonnenstrahlung und dem damit verbundenen Vitamin-D-Mangel zu tun haben könnte. Forscher versuchen seit Jahren, eine Alternative zu den Betazellen zu finden. Eine Gruppe an der Harvard University stellte schon mehrfach Betazellen aus Stammzellen her. Auch hier werden zu große Erwartungen gebremst, weil die Gefahr der Tumorentwicklung nicht hundertprozentig ausgeschlossen ist.
Gegenspieler läuft über
Alphazellen der Bauchspeicheldrüse sind Gegenspieler der Betazellen. Sie sorgen dafür, dass der Zuckerspiegel nicht zu weit nach unten sinkt, indem sie Glukagon produzieren. Am Zentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) weiß man, dass ein Genschalter namens ARX dafür verantwortlich ist, dass die Alphazellen der Bauchspeicheldrüse wirklich Alphazellen bleiben. Man weiß aber auch seit kurzem, dass ein bestimmtes Medikament genau diesen Schalter umlegt und aus den Alphazellen Betazellen macht. Es ist der pflanzliche Wirkstoff Artemisinin, der aus dem Einjährigen Beifuß gewonnen wird, ein Malaria-Medikament, für dessen Gewinnung es den Nobelpreis für die Chinesin Tu Youyou gab.
Im Labor sind entsprechende Tests gelungen. Aber auch hier gilt: Von einer möglichen Heilung des Typ-1-Diabetes durch die Gabe von Artemisinin ist man weit entfernt. Klinische Tests sind notwendig, auch um zu wissen, ob die Alphazellen der menschlichen Bauchspeicheldrüse genauso reagieren wie die der Maus: Dort gehen sie nämlich nie aus.