Diabetiker in Österreich haben schlechtere Chancen
Insgesamt gibt es rund 800.000 Österreicher, die an Diabetes leiden. Bei einer neuen Studie kam nun heraus, dass Österreicher im Vergleich zu Ungarn, den Niederlanden und Schottland ein höheres Risiko für fortschreitende chronische Nierenschäden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Demnach schneidet die Behandlung für Betroffene im Vergleich zu anderen Ländern am schlechtesten ab.
(11.4.2023) - Die wissenschaftliche Studie „Kidney Blood Pressure Research“ von Stefanie Thönie von der Universitätsklinik für Interne Medizin in Innsbruck (Nephrology und Bluthochdruck) wurde vor wenigen Tagen veröffentlicht. Die Studie soll Einblick in die medizinische Versorgungsqualität der Zuckerkranken geben.
Erhöhtes Sterberisiko durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen
„40 Prozent der Patienten mit Typ-2-Zuckerkrankheit entwickeln eine diabetische Nephropathie als negative mikrovaskuläre Komplikation, die üblicherweise zehn bis 20 Jahre nach Erkrankungsbeginn erkennbar wird und oft bereits zum Zeitpunkt der Diagnose des Diabetes besteht. In den vergangenen 30 Jahren ist die diabetische Nierenerkrankung der Hauptgrund für Nierenversagen und notwendige Nierenersatztherapie geworden (…)“, schrieben die Wissenschaftler.
Das führe auch zu einem erhöhten Sterberisiko infolge von akuten Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Als Bewertungskriterien verwendeten die Experten daher Messgrößen für eine deutliche Verschlechterung der Nierenfunktion (z.B. Abnahme der Filtrationsrate um zumindest 40 Prozent, Erhöhung der Proteinausscheidung), Nierenversagen und Todesfälle sowie Herz-Kreislauf-Mortalität und die Häufigkeit von nicht-tödlichen Herzinfarkten und Schlaganfällen – jeweils in Kombination.
Österreich schneidet bei Studie schlecht ab
Nach einer mittleren Beobachtungszeit zeigte sich bei den Nierenkomplikationen und den Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein schlechtes Abschneiden Österreichs. Insgesamt lag die Häufigkeit des Auftretens der Nierenkomplikationen bei einem Faktor 21,1 pro 1.000 Patientenjahre. Deutlich darüber lagen Österreich (23,3 pro 1.000 Patientenjahre und Ungarn/26,7). Wesentlich besser schnitten die Niederlande (15,5 solcher Ereignisse pro 1.000 Patientenjahre) und Schottland (15,1) ab.
Bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen bzw. Komplikationen betrug die Häufigkeit insgesamt 15,5 je 1.000 Patientenjahre. Am höchsten lagen hier Schottland (24,3) und Österreich (19,6). Die Niederlande (9,3) und Ungarn (8,3) waren hier wesentlich besser.
Geringste Sterblichkeit in den Niederlanden
Bei der Gesamtsterblichkeit (13 Todesfälle pro 1.000 Patientenjahre für alle verglichenen Länder/Regionen) schnitten die Niederlande am besten ab (5,8 Todesfälle pro 1.000 Patientenjahre). An der Spitze standen Schottland (19,2), Ungarn (12,1) und Österreich (11,5).
Die Ergebnisse zeichnen jedenfalls kein sehr gutes Bild für Österreich: Während der bei den Diabetikern durchschnittlich festgestellte systolische Blutdruck bei Aufnahme in die Studie für alle Gruppen 135 mmHg betrug, lag er in Österreich bei 140 mmHg, also im Durchschnitt am empfohlenen Limit (z.B. Ungarn als niedrigster Durchschnittswert: 130 mmHg).
Beim „bösen“ LDL-Cholesterin hatten die österreichischen Zuckerkranken mit 114 Millgramm pro Deziliter Blut (Gesamtdurchschnitt: 174 Milligramm pro Deziliter) zu Beginn ebenfalls den höchsten Wert unter allen Vergleichsgruppen (Schottland z.B.: 85,8 Milligramm/Deziliter als niedrigster Wert).
Häufigere Nierenerkrankung trotz kürzerer Diabetesdauer
Mit im Durchschnitt sieben Jahren Diabetesdauer zu Beginn der Studie (Durchschnitt insgesamt acht Jahre; Ungarn zwölf Jahre, Niederlande und Schottland jeweils sechs Jahre) hätten sich die österreichischen Patienten mit ihrem chronischen und fortschreitenden Leiden aber eher in einer positiveren Situation befinden müssen.
„In Österreich hatten die Teilnehmer trotz einer signifikant kürzeren Diabetes-Dauer häufiger als in Ungarn eine diabetische Nierenerkrankung (37 Prozent versus 33,6 Prozent). Die systolischen Blutdruckwerte waren in Österreich höher als in jedem anderen Land“, schrieben die Wissenschaftler. Die Blutdruckwerte stellten sich in der wissenschaftlichen Untersuchung als wichtigster Risikofaktor für Nierenschäden heraus.
Chronische Herzschwäche in Österreich weit verbreitet
Auf der anderen Seite: Mit einem Anteil von 4,3 Prozent von Patienten, die bereits bei Aufnahme in die wissenschaftliche Untersuchung an einer chronischen Herzschwäche litten, lag Österreich ebenfalls an der Spitze (Gesamtdurchschnitt: 2,4 Prozent).
Die Auswertung deutet auf eine im Durchschnitt keinesfalls optimale Betreuung der österreichischen Diabetiker hin: Die Patienten bekamen im Vergleich zu den anderen Ländern zum Beispiel am seltensten niedrig dosierte Acetylsalicylsäure zur Prävention von Herzinfarkt und Schlaganfall sowie am seltensten Cholesterinsenker. 80 Prozent der ungarischen Zuckerkranken erhielten von ihren Ärzten Blutdruckmedikamente, die auch die Nieren schützen und Herzschwäche vorbeugen (Renin-Angiotensin-Inhibitoren). In Österreich waren es nur 61 Prozent der Studienteilnehmer.