Slowenien - Neun Millimeter
Slowenien - Alle Schönheiten des alten Kontinents
Ich habe unseren Nachbarn Slowenien neu entdecken müssen und dabei festgestellt, dass das grüne Land zwischen Alpen und Mittelmeer alle Schönheiten des alten Kontinents in sich vereint. Und dass es gar nicht so leicht ist, all das auf einer Modelleisenbahnanlage unterzubringen...
Von Georg Biron
Mein Sohn heißt Nicolas. Er ist blond, er ist liebenswert, er weiß, wie man sich in Szene setzt. Ich liebe diesen kleinen Löwen mehr als alles andere auf der Welt. Jetzt wünscht er sich eine Eisenbahnmodellanlage. Mein Sohn will die neun Millimeter Spurbreite haben. Nichts anderes, nichts größeres. Neun Millimeter. Hoffentlich verliebt er sich nicht in dieses Maß. Ängste eines Vaters. Aber im Augenblick ist es kein Schusswaffen-Kaliber, es ist nur eine Spurbreite. Eine Modelleisenbahn. Beruhigend friedlich.
Aber wie soll sie ausschauen, diese Modelleisenbahnanlage? Was ist das Vorbild? Durch welche Landschaften kann man diese kleinen Züge schicken, ohne dabei ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Zum Glück will Nicolas keine Fabriken und Autobahnen, keine modernen Großstädte. Er möchte einen Berg, einen See, kleine Dörfer – und natürlich möchte er das Meer.
Lange denke ich nach. Und schließlich fällt mir der Triglav ein. Was für ein Berg! Was für eine Aussicht. Weißer Kalkstein. Steile Gipfel. Tiefe Täler. Ganz oben auf dem Gipfel war ich mit der Mutter von Nicolas, nachdem wir die Städte Marburg und Laibach erforscht und uns in der alten Bibliothek des Priesterseminars der Hauptstadt vor tausenden alten Buchrücken innig geküsst und im romanischen Säulengang des Regionalmuseums von Maribor ewige Treue geschworen hatten. Ganz oben auf dem Gipfel, nach einem achtstündigen Aufstieg, wurde aus der Sehnsucht ein Sohn. Die Triglav-Connection. Aus Spaß wurde Ernst – und der kann jetzt auch schon laufen. Nicolas. Der mit der Eisenbahn spielt.
Also werde ich den Triglav bauen. Aus Styropor. Diesen magischen Berg der Julischen Alpen, der über die Traumwelt herrscht, wie die Slowenen glauben, und der mit seiner Macht den Himmel, die Erde und die Unterwelt in Balance hält.
Ich werde mir Slowenien als Vorbild für die Modelleisenbahn nehmen. Ein kleines Land, aber aufregend vielseitig. Und unglaublich schön. Dass sich in Zeiten globaler Zerstörungen – vor allem abseits der Hauptstrassen – noch solche romantischen Oasen finden lassen, gibt mir Hoffnung. Slowenien hat kaum mehr Einwohner als Wien, aber es gibt dort schneebedeckte Berge, eine strahlende Mittelmeerküste, sie haben Tropfsteinhöhlen und Thermalquellen, träge dahin fließende Gewässer in den Ebenen und reißende Flüsse in engen Schluchten (da kann man eine Brücke drüber bauen, auf der ein Zug fährt!), man kann uralte Dörfer und mittelalterliche Städte besuchen, in Urwäldern und Weingärten spazieren gehen, Kirchen und Galerien meiden – oder auch die Spielcasinos.
Der Anfang ist gemacht. Ein Berg ist immer gern gesehen auf einer Modelleisenbahnanlage. Und die geheimnisvolle Burg des alten Raubritters Erasmus, die bei Predjama in eine Felswand hineingebaut worden ist, macht sich im Modell sicherlich ebenfalls gut. Aber wer hat schon eine Meeresküste auf seiner begrünten Pressspanplatte? An der Küste gibt es Lipica mit seinen weißen Pferden, auf denen man durch die Eichenwälder reiten kann, oder die berühmte Höhle von Postojna (über die der Bildhauer Henry Moore einmal meinte, sie sei die größte Kunstausstellung von Mutter Natur) – eine von 6.500 Höhlen in Slowenien, die zum Teil bis zu 1.300 Meter ins Erdinnere reichen und daher zum Nachbau auf einer Modelleisenbahn eher ungeeignet sind. Aber Segelboote und Surfer auf dem Meer sind schon in Ordnung. Zypressen, Rosmarin und Lorbeer am Ufer. Hafenromantik.
Als ich mit der Mutter von Nicolas vom Berg herunter gestiegen bin, sind wir ans Meer gefahren. Und ich habe sie noch nie davor mit soviel Appetit soviel essen sehen. Man servierte Prsut (den in den Böen der Bora getrockneten Schinken, der nach Wacholder duftet), und Panceta (geräucherten Speck). Und Radiccio und Paradeiser (die tatsächlich wie Paradeiser schmeckten und nicht nach holländischem Wasser) und mit Olivenöl verfeinert waren. Dazu tranken wir den dunklen, fast schwarzen Teran-Wein, den die einheimischen Bauern als Medizin gegen alle möglichen Wehwehchen verabreichen, und sahen der Sonne beim Untergehen zu. Und als Nachtisch gab es – für frisch Verliebte ganz besonders passend – Kirschen und Pfirsiche. Käse und Wildspargel. Und dazu einen herzhaften Weinbrand.
Gestärkt ließen wir das Meer hinter uns und fuhren auf der Smaragdstrasse Richtung Norden ins Soca-Tal, wo man an manchen Tagen die freundlichen mediterranen Winde fühlt, die nach Salz schmecken. Hier, am Schnittpunkt von drei Nationen – Österreich, Italien und Slowenien – zeigen sich die märchenhaften Gesichter der Soca, in der die größten Forellen Europas leben. Und wo man an den Rändern der Wege immer noch die Zeichen der Zeit findet, in der 17 Nationen 29 Monate lang an der Isonzo-Front gekämpft haben. Das Soca-Tal wurde zum Grab für unzählige junge Soldaten.
Ich werde auf Nummer Sicher gehen. Bei einem Kind mit einem so starken Willen kann man nicht vorsichtig genug sein. Ich werde mit Nicolas ein paar Tage nach Slowenien fahren. Von der Besteigung des Triglav werde ich ihm vielleicht später einmal erzählen, damit er seine irdischen Ursprünge kennen lernt. Vater und Sohn werden ihre nackten Zehen in das kalte smaragdgrüne Wasser der Soca halten, die meiner Meinung nach der schönste Fluss in ganz Europa ist, wir werden in Bled die berühmten kleinen Cremeschnitten essen, die schon dem alten Marschall Tito (der hier eine Villa hatte) so gut geschmeckt haben, und ich werde meinem Sohn die Salzgärten an der Adriaküste zeigen, wo noch heute durch die Kraft der Sonne würziges Salz gewonnen wird. Und dann werde ich ihn fragen, ob er sich seine Modelleisenbahnanlage ungefähr so vorgestellt hat. Große Welt auf kleinen Schienen. Neun Millimeter. Ein verdichtetes Slowenien...
Achwas! Man muss ehrlich sein: Schließlich baut ein Vater eine pompöse Modelleisenbahnanlage ja in erster Linie für sich selbst. Und ich werde sie genauso bauen, wie ich sie mag. Egal, was der Herr Sohn dazu sagt.
INFOS:
Die slowenische Tourismuswerbung präsentiert eine Vielzahl an aufwändig gemachten deutschsprachigen Informationsbroschüren, die nach Themen geordnet sind. Zum Beispiel unter dem Motto „Nebenstrassen sind reizvoller als Hauptstrassen“ werden Landkarten mit vielen nützlichen Tipps herausgegeben. So lassen sich auf Smaragdstrasse, Windstrasse, Bernsteinstrasse, Sonnenstrasse, Hausiererstrasse und Goldhornstrasse zahlreiche Geheimnisse entdecken. Es gibt Prospekte für Wanderer und Radfahrer, für Feinschmecker, Thermenliebhaber und Kulturinteressierte. Aber Achtung: Auf den meisten Drucksorten steht noch die alte Wiener Adresse!
Das Slowenische Tourismusbüro ist jetzt in
1010 Wien, Opernringhof 1
Stiege R / 4. Stock zu finden.
Telefon: (01) 715 40 10.
Auf der Homepage www.slovenia-tourism.si findet man weitere Infos – z. B. über die alten Burgen, über die es derzeit keine Prospekte gibt.