Skip to main content

Semaglutid – Neues Antidiabetikum in der Kassenerstattung

Seit August 2021 wird der neue GLP-1-Rezeptoragonist Semaglutid von den österreichischen Krankenkassen erstattet. Welche Vorteile das für Menschen mit Diabetes mit sich bringt soll in diesem Beitrag skizziert werden.

 

Von Mag. Christopher Waxenegger*

Was ist Semaglutid und wie wirkt es?

Semaglutid (Handelsname: Ozempic®) ist ein künstlich hergestellter Glukagon-like-peptid-1 (GLP-1) Rezeptoragonist. Das bedeutet es aktiviert den GLP-1-Rezeptor wie sein natürliches körpereigenes Vorbild, allerdings länger und effektiver.

Auf diese Weise:

  • verstärkt Semaglutid die Insulinfreisetzung aus den Betazellen der Bauchspeicheldrüse, ohne sie direkt auszulösen.
  • verlangsamt der Wirkstoff die Magenentleerung und dadurch die Geschwindigkeit, mit der die Kohlenhydrate aus der Nahrung resorbiert werden.
  • wird das Sättigungsgefühl erhöht, was neben der blutzuckersenkenden Wirkung einen gewichtsreduzierenden Effekt mit sich bringt.

Ein wesentlicher Vorteil gegenüber anderen Antidiabetika wie Sulfonylharnstoffen oder Gliniden ist jener, dass die Wirkung zuckerabhängig ist. Das heißt bei niedrigen Werten führt die Aktivierung des GLP-1-Rezeptors nicht zu einer zusätzlichen Blutzuckersenkung. Deshalb lässt sich mit Ozempic® die Einstellung des Typ-2-Diabetes verbessern, ohne die Gefahr für Hypoglykämien zu steigern.

Wie wird Semaglutid angewendet?

Wie andere GLP-1-Agonisten wird Ozempic® unter die Haut (subkutan) gespritzt. Während der allererste Wirkstoff dieser Klasse (Exenatid) zweimal täglich injiziert werden muss, wird die Anwendungshäufigkeit bei Semaglutid durch den Einbau einer künstlichen Aminosäure und eines Fettsäurerestes auf einmal wöchentlich gesenkt. Für die wöchentliche Verabreichung stehen Fertigpens in drei verschiedenen Stärken zur Verfügung. Die Anfangsdosis zu Behandlungsbeginn ist 0,25 Milligramm. Nach vier Wochen soll die Dosis auf 0,5 Milligramm erhöht werden und nach mindestens vier weiteren Wochen erfolgt nochmals eine Dosissteigerung auf die die Zieldosis von 1,0 Milligramm. Ozempic® kann in den Bauch, den Oberschenkel oder den Oberarm injiziert werden. Aufgrund seiner langen Wirkdauer ist es möglich den Tag der wöchentlichen Anwendung zu wechseln. Wichtig ist nur, dass mindestens 72 Stunden zwischen zwei Dosen vergehen müssen. Diese individuelle Handhabung ist besonders patientenfreundlich und erlaubt selbst in stressigen Zeiten oder im Urlaub eine flexible Diabetestherapie.

Günstig für Hba1c und Herz

In den Zulassungsstudien wurde Ozempic® sowohl als Einzeltherapie (Monotherapie) gegen Placebo als auch in Kombination mit anderen Antidiabetika getestet. Wirksamkeit und Sicherheit wurden inzwischen in 8 Phase-3a-Studien und im weltweiten klinischen Entwicklungsprogramm SUSTAIN (11 Phase-3-Studien) untersucht. Allein in den SUSTAIN-Studien wurden mehr als 10.000 Patienten miteingeschlossen.

In Summe konnte die nicht-Unterlegenheit bzw. teilweise sogar eine Überlegenheit gegenüber anderen Antidiabetika in Bezug auf Hba1c-Senkung und Gewichtsverlust festgestellt werden. So erreichten bis zu 79% der Patienten mit Typ-2 Diabetes mit 1mg Semaglutid einen HbA1c-Wert kleiner 7% und bis zu 66% eine Gewichtsabnahme von mindestens 5%. Hervorzuheben ist zudem eine Senkung des Risikos des Auftretens schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall) um 26% im Vergleich zu einer „Standard of Care“ Behandlung.

Semaglutid wurde in den Studien gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen sind, wie bei allen GLP-1-Agonisten, vor allem zu Therapiebeginn gastrointestinale Beschwerden. Diese vergehen üblicherweise nach den ersten ein bis zwei Behandlungswochen und sind vermutlich auf die verzögerte Magenentleerung zurückzuführen. Selten, aber potenziell gefährlich sind akute Entzündungen der Bauchspeicheldrüse, die sich mit starken Oberbauchschmerzen und Übelkeit präsentieren. Suchen Sie in solchen Fällen einen Arzt zur weiteren Abklärung auf! Dies gilt übrigens nicht nur für Semaglutid, sondern ebenso für alle anderen GLP-1-Agonisten.

Erweiterte Zulassung beantragt

Wegen des deutlichen Gewichtsverlustes hat der Hersteller Novo Nordisk mittlerweile Studien in die Wege geleitet, um diesen Effekt auch bei Menschen ohne Diabetes zu untersuchen. Mit der einmal wöchentlichen Verabreichung von 2,4mg Semaglutid verloren die Teilnehmer im Durchschnitt 14,9% Gewicht im Gegensatz zu 2,4% unter Placebo. Dies entspricht einem Gewichtsverlust von rund 15,3kg mit Semaglutid am Ende des Untersuchungszeitraums. Kein anderes Medikament hat diese Gewichtsreduktion annähernd erreicht. Vorteilhaft ist überdies der bestätigte Nutzen auf das Herz-Kreislauf-System, welches bei übergewichtigen Menschen oftmals ohnehin stark in Mitleidenschaft gezogen ist.

 

*Christopher Waxenegger ist Pharmazeut, Fach-Autor und Typ-1 Diabetiker.

HIER erfahren Sie mehr über den 28-jährigen Niederösterreicher