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Schulungen für chronisch Kranke: Besser und länger leben

Der Herbst ist die beste Zeit, um Neues zu lernen und Gelerntes aufzufrischen

Wer ein Motorrad oder Auto fahren will, hat keine Wahl: der Besuch einer Fahrschule und das Lernen der wichtigsten Regeln und Verhaltensmuster ist Pflicht. Wer Diabetes oder Bluthochdruck hat, besitzt zwar kein Fahrzeug seiner Wahl, aber der Umgang mit einer chronischen Erkrankung muss trotzdem gelernt werden. Sonst droht ein früher Crash mit oft verheerenden Folgen. Ein Gespräch mit Univ. Prof. Dr. Kinga Howorka.

Diabetes Austria (DA): Frau Prof. Dr. Howorka, Schulungen sind ja nichts Neues, trotzdem ist es ja noch arg um sie bestellt. Wie hat das angefangen mit der Schulung bei Menschen mit Diabetes?

Prof. Kinga Howorka (KH): Wir machen diese Schulungen seit 1983, aber auch zu diesem Zeitpunkt waren Schulungen nicht neu. Grundsätzlich hat mit der Strategie im europäischen Bereich Prof. Jean-Phillipe Assal, mein guter Freund, selbst Typ 1 Diabetiker in der Schweiz, in den 1970er Jahren, begonnen mit dem Model der Patientenschulung.

Es wurde dann später von Prof. Dr. Michael Berger† nach Düsseldorf geholt. Und dann wurde es Schritt für Schritt zum Standard. Nun ist die Frage, wodurch unterscheidet sich die funktionelle Insulintherapie und das modulare Schulungssystem von den üblichen Praktiken?

Das wichtigste vorab, Gott sei Dank sind nicht alle Diabetiker gleich. Sie sind unterschiedlich, es handelt sich um eine sehr heterogene Population, es gibt Personen mit Typ 1 Diabetes, es gibt Personen mit Typ 2 Diabetes und die einzelnen Diabetestypen haben auch noch Subgruppen mit besonderen Bedürfnissen. Die Menschen unterscheiden sich auch mit ihren medizinischen Bedürfnissen und auch durch die Diabetesdauer.

Es ist anders, wenn du jemanden behandelst, der gerade erst erfahren hat, dass er Diabetes hat, als jemand der es schon seit dreißig, vierzig oder fünfzig Diabetesjahren hat und auch sie wollen die Situation auch noch verbessern. Auch diese Bedürfnisse, auch die Zusatzerkrankungen oder assoziierte Merkmale der Erkrankung sind unterschiedlich. Das ist der gravierende Punkt. Das heißt, ich kann nicht das Gleiche jedem anbieten. Das wäre von vornherein nicht richtig, obgleich eine gewisse Basis sich durchaus finden lässt, sozusagen ein Führerschein muss jeder bekommen, aber ob das jetzt ein Formel-1 Fahrer ist oder ein Sonntagsfahrer, ist ein großer Unterschied. Während die Basis vielleicht gleich ist, sind die Sonderbedürfnisse absolut unterschiedlich. Und das muss entsprechend berücksichtigt werden.

DA: Das ist ja auch der Grund, warum bei ihnen Frau Prof. Howorka ein sehr breites Angebot an Schulungen von Typ 1, Typ 2, Abnehmen, Bluthochdruck und vieles mehr geboten wird. Aber das können wir alles auf der Webseite www.diabetesfit.org nachlesen, Das wird ja nur einem bestimmten Kreis angeboten. Ich möchte nochmal auf die Typ 2 Diabetiker zurückkommen, die glauben, sie bekommen zwei Pülverchen vom Doktor und das war es. Warum sollen die was lernen?

K.H.: Also erst einmal Danke, dass Sie gerade diesen Fall aufgegriffen haben. Das ist grundsätzlich falsch, denn jemand, der Altersdiabetes, spät bekommt, muss wissen im Normalfall ist es nicht nur Typ 2 Diabetes, der basiert auf der genetischen Veranlagung, aber auch erhöhtem Bauchumfang, da kommt es zu Entwicklung von Insulinresistenz, zum zentralen Übergewicht. Wenn das Ganze beginnt, kommt der Diabetes ganz spät zum Vorschein. Schon ein Jahrzehnt davor sehr häufig besteht Erhöhung der Blutfette die sogenannte Dyslipidämie, meistens etwas später entwickelt sich die Erhöhung des Blutdrucks am Anfang nur fallweise, mitunter bei Menschen die früher niedrige Blutdruckwerte hatten. Die glauben, sie haben immer noch niedrige Blutdruckwerte, aber nach der Menopause schlägt dass dann um und es kommt zu einer Blutdruckerhöhung,  sodass - wenn es jetzt zu einem Zusammenbruch kommt - ich auf wienerisch sagen würde „ a bisserl Alterszucker“, ist die Situation, so, dass das bisserl Alterszucker, das volle metabolische Syndrom, bestehend aus zentralem Übergewicht mit Insulinresistenz, Hyperlipitemie, Hypertonie zum Schluss kommt noch die Störung der Glucosetoleranz, ob das erhöhte nüchtern Werte sind oder wirklich Unfähigkeit Glucose zu verwerten.

Es ist gleichgültig, es ist nicht wirklich relevant für das Risiko, ob da das ganze metabolische Syndrom besteht, oder es nur Teile gibt, es gibt Glückliche die vielleicht eine Komponente noch nicht im System haben oder wohlmöglich gar nicht Übergewichtig sind. Es kann passieren, dass eine Komponente fehlt, trotzdem ist das Risiko enorm. Man muss sich mit jeder von diesen Teilkomponenten des Übels ein bisserl Auseinandersetzen, nicht damit man sich dann nur mit der Krankheit beschäftigt, gar nicht, die Frage ist, was mache ich, damit das beste Ergebnis rauskommt. Das beste Ergebnis ist ein gesundes langes Leben. Sterben spät, aber vor allem Gesund.

DA: Es gibt ja, soweit ich mich erinnere, sogar eine Untersuchung über die Lehrmetoden die angewendet werden. Und da kann man ja noch einmal diesen Outcome von diesen Untersuchungen beschreiben. Was hat ein Schüler davon in Howorkas Lehre, für sein Leben, lebt er länger, lebt er gesünder?

K.H. Also ich hoffe wirklich, dass wir den Menschen noch ein langes gesundes Leben schenken können. Denn das Essentielle ist, was der Mensch tatsächlich macht.

Welche Therapie er einhält. Kein Mensch reißt sich drum. Mehrere beim Typ 2 klassischer Weise aber auch beim späteren Typ 1 Diabetes, ist die Therapie natürlich relativ Komplex. Da geht’s nicht darum, das alle glauben, mit einem Pülverchen ist alles getan, das ist absolut nicht der Fall. Die Menschen würden dazu eher tendieren, eher die Medikation nicht zu nehmen oder sie nehmen etwas Ungünstigeres, lassen vielleicht das Wichtigste aus. Das Essentielle ist es, sich gut aus zu kennen. Auch wenn sie sich Informationen sammeln aus unterschiedlichen Quellen. Es wimmelt leider von Informationen, die tatsächlich das Leben kosten. Unteranderem sehen wir das auch mit Impfungen. Also aufpassen mit der Information. Es ist immer gut, wenn sie zu etwas kommen, das nennt sich Evidente Based Medicine, das heißt man muss die Interpretation der Studien auch international ein bisschen Verstanden haben. Und auch zu wissen, was lohnt zu nehmen und was nicht.

Denn mit der Zeit wird die Therapie schon komplexer. Das muss ich voll zugeben. Und eines muss ich noch Vorausschicken, es gibt nahezu keinen Patienten der nicht fähig wäre, die Therapie überwiegend selbstständig durchzuführen. Die Therapie in die eigene Hand zu nehmen und sich gut auszukennen. Sie brauchen natürlich Unterstützung und diese Unterstützung bieten wir. Aber ich rede viel lieber mit jemandem, der halbwegs geschult ist. Ob das jetzt FIT-Update oder Typ 2-Update oder die Schulung über metabolisches Syndrom oder über Blutfette oder Bluthochdruck, also es gibt unterschiedliche Module. Für jeden das, was er braucht, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Man muss das alles auch nicht auf einmal machen, man kann das auseinander ziehen. Also alles in dem eigenen Tempo, mit dem Zeitdruck, den der Kunde sich selbst wählt. Aber meistens schlage ich vor, machen wir doch besser eine folgende Reihenfolge oder fangen wir mit dem einfachsten an.

Wie jetzt zum Beispiel mit dem heran nahenden Schlankheitskurs im Dezember, er hat nicht viel mit Schlankheit zu tun, es ist ein Kurs über das metabolische Syndrom. Betroffen sind Typ 1, aber auch Typ 2 Diabetes, es geht um den erhöhten Taillenumfang, der gemeiner Weise bei Frauen unter achtzig sein sollte und bei den Männern darf es sogar vierundneunzig Zentimeter sein und übernehmen Sie bitte nicht die amerikanischen Größen, den die sind zehn Zentimeter größer, weil es wohl weniger dünne Amerikaner gibt.

DA: Uns ist aber auch klar das die Art von Schulung oder anderen Schulungen, irgendwann bei einem sozialen Level enden?

K.H. Da muss ich widersprechen. Also natürlich, wenn jemand nicht lesen kann, dann haben wir schon Probleme. Bei Herrschaften, die kaum Deutsch sprechen, werden die Schulungen auch in Englisch abgehalten. Im Prinzip versuchen wir das so durchzuführen, dass jeder zurechtkommt, mit dem Inhalt.  Ich versuche es im ins besonderen für Typ 1 Diabetes, weil es da starke Daten gibt. Die Menschen lernen nicht, wenn sie in den Fernseher schauen und irgendjemand erzählt ihnen was. Letztendlich wird es langweilig und man schaltet ab. Das ist ganz natürlich.

Während der Schulung machen die Menschen bei uns relativ viel, sie arbeiten aktiv in der Praxis. Das ist bei Typ 1 Diabetes in der klassischen Schulung über funktionelle Insulintherapie, die sich wirklich von allen anderen Schulungen unterscheidet. Man hat das dann so genannt Basis/Bolus, da steht die Korrektur gar nicht so im Vordergrund, wie sie wirklich stehen sollte. Und ähnlich stehen die praktischen Übungen wirklich im Vordergrund.

Also es werden sogenannte Insulin-Spiele angewendet. Mal nichts essen, mal mehr essen. Und das üben und da kann man auch unter Supervision Fehler machen, dass ist so wie mit dem Auto fahren lernen, aber mit einem Trainer, der gleich neben dir steht und auch die Gruppe liefert entsprechende Kritik und Anregungen. Man kann von anderen lernen oder auch sich gerne was anhören, was der Trainer von der Problematik hält. Also alles sehr praktisch. Und das zweite ist, wir tun so, als ob.

Diese Methode nennen wir Sondersituationen, wenn wir eine kleine Gruppe von Personen haben, will ich immer wissen, was sind das für Menschen. Mit welchen Problemen kommen Sie zu mir? Was kann ich verbessern? Wir können nicht alles an einer Mehrtägigen Schulung machen, dass ist schlicht unmöglich. (Rom wurde auch nicht an einem Tag erbautJ) Aber wir versuchen, wir tun so als ob. Und da bekommt dann jeder die Aufgabe, das dann zu bearbeiten, das heißt jeder muss etwas Nachdenken. Was hast du jetzt gemacht? Vorbereitungen auf eine Reise, Ferien, eine Zeitverschiebung, aber auch eine Operation, ein Unfall, das sind alles unangenehme Situationen, die man durchaus meistern kann, unter der Voraussetzung, man hat sie schon mal durch gespielt. Die Menschen werden darauf vorbereitet, auch für eine Narkose, für große Operationen, für kleinere Eingriffe. Sie werden wirklich vorbereitet, was zu tun ist. Natürlich ist man dann in Kontakt mit dem Kunden. Aber das mich jetzt jemand anruft, und sagt, ich habe Grippe, mein Insulinhaushalt hat sich geändert. Was soll ich tun? Kommt glücklicher Weise bei meinen zweieinhalbtausend Patienten, sehr selten vor. Menschen sind gut vorbereitet.

DA: Ist eigentlich der Herbst eine gute Zeit um Kurse zu belegen?

K.H. Ja, das ist die beste Zeit. Das haben wir genutzt und deshalb finden die meisten Schulungen zwischen 17 Uhr und 20 Uhr, statt.

DA: Ich hab jetzt auch die Jahreszeit gemeint. Ist der Herbst eine gute Zeit, zum Lernen? Und wo sollen die jetzt hinschauen, wenn Sie von dem großen Angebot was lernen wollen?

K.H. Erst einmal rate ich, sich vorzustellen. Es gibt zwei Kurse, wo eine Erstvorstellung nicht nötig ist. Weil, da werde ich nicht konkret, wie ich schon geschildert habe, mit einer Sondersituation am Menschen. Da muss ich seine Anamnese nicht kennen. Das sind absolute Ausnahmen, das sind Großereignisse, das ist FIT-Update für die funktionelle Insulintherapie, das heißt, wo die Menschen separat, zum Fasten oder zum Essen oder für die Korrektur spritzen.

DA: Funktioniert das auch, wenn Sie Pumpenträger sind?

K.H. Mit welchem Instrument sie hantieren, bleibt ihnen überlassen. Ich werde niemandem eine Pumpe aufzwängen. Es gibt aber auch eingeschworene Pumpenträger und das muss man respektieren. Es ist ungefähr alles gleich gut. Also für Patienten, die in FIT bei uns geschult sind, haben wir auch erwiesen, die Ergebnisse sind gleich. Sind statistisch nicht unterschiedlich in Bezug auf die Stoffwechselkontrolle, allerdings bezieht sich das auf die Population der Pumpenträger und der spritzenden Personen, die noch keine Sensoren verwendet haben.

Sehr wichtig sind die Sensoren für beide Gruppen. Gar keine Frage. Aber um das rund zu machen, kann ich sagen die Ergebnisse sind vergleichbar. Funktionelle Insulintherapie kann mit Injektionen oder mit Pumpe gemacht werden. Vorausgesetzt ist, die Person hat alle Informationen bekommen und ist geschult im Gebrauch von beiden Verfahren. Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile. Die werden verglichen. Und dann kannst Du wählen. Weil die Menschen eben nicht gleich sind. Gott sei Dank. Also es gibt nur zwei Module, wo die Vorstellung nicht nötig ist, bei mir in der Ordination beziehungsweise in der Ambulanz. Das ist FIT-Update am 23. und 24. November 2019, von 10 Uhr bis 19 Uhr und langsam schließen wir schon die Anmeldungen. Da kann man sich jederzeit anmelden. Das ist für beide Diabetes Typen, die insulinpflichtig sind. Und schon so was Ähnliches machen. Ich rate, das keine Personen kommen, die von sowas keine Ahnung haben, weil da sind sie vielleicht ein bisschen überfordert. Spezifisch für die Personen der Gruppen, die kein Insulin haben oder erst am Anfang der Insulintherapie stehen, ist die Veranstaltung am 1. Dezember 2019, für Typ 2 Diabetiker, von 15 Uhr bis 20 Uhr.

DA: Wo gibt es im Internet die weiterführenden Informationen?

K.H.: www.diabetesfit.org oder direkt an kinga(at)howorka.com  

DA: Vielen Dank Frau Prof. Dr. Kinga Howorka.

 

Hören Sie auch den podcast mit Prof. Dr. Kinga Howorka https://diabetes-austria.com/dies-das/podcast