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Schulbeginn mit Diabetes: Den neuen Lebensabschnitt erfolgreich meistern

Kinder mit Diabetes Typ 1 stellt der Schulbeginn häufig vor eine größere Herausforderung als Gleichaltrige mit gesundem Stoffwechsel. Tipps für Eltern und Lehrpersonal.

Foto: vimbroisi / Pixabay-Lizenz

Ein neues Schuljahr steht vor der Tür und für Erstklässler beginnt mit der Einschulung ein neuer Lebensabschnitt. Kinder mit Diabetes Typ 1 stellt der Schulbeginn häufig vor eine größere Herausforderung als Gleichaltrige mit gesundem Stoffwechsel.

Mit dem Übergang vom Kindergarten in die Schule ändert sich für Erstklässler einiges: So gilt es zum Beispiel den neuen Schulweg zu meistern, Klassenkameraden kennenzulernen und sich mit den Lehrern sowie dem Lernstoff vertraut zu machen. Kinder mit Typ-1-Diabetes müssen zudem ihre Therapie auf den neuen Tagesablauf abstimmen, was bedeutet, eigenverantwortlicher mit ihrer Stoffwechselerkrankung umgehen. Viele Eltern unterstützen ihre Kinder während der Kindergartenzeit noch beim Bestimmen der Glukosewerte oder den Insulingaben. Mit dem Wechsel in die Schule geht das häufig organisatorisch nicht mehr ohne Weiteres.

Auch Lehrer und Betreuer von Kinder mit Diabetes Typ 1 sind oft überfordert. ”Am besten wäre es, wenn alle meine Lehrer und auch meine Mitschüler das Wichtigste über Diabetes wissen würden. Dann könnte ich wie jedes andere Kind unbesorgt die Schule besuchen”, wünscht sich die sechsjährige Anna.

Aktuell erkranken in Österreich jedes Jahr rund 250-300 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren an einem Diabetes Mellitus Typ 1, Tendenz stark steigend.

Tipps für Eltern

Die meisten Eltern machen gute Erfahrungen, wenn sie das Gespräch mit den Lehrerinnen und Lehrern suchen. Ein paar nützliche Tipps:

  • Sprechen Sie mit dem Lehrer/der Lehrerin. Bereiten Sie das Gespräch gut vor und überlegen Sie, wo Ihr Kind wirklich die Hilfe seiner Lehrer braucht. Diese wenigen Dinge notieren Sie sich genau. Streichen Sie alle überflüssigen Informationen.
  • Erklären Sie nicht zu viele Einzelheiten der Diabetesbehandlung, das verunsichert eher als es nützt. Ein Lehrer muss nicht alle Korrekturfaktoren oder den Unterschied zwischen Basalrate und Mahlzeiteninsulin verstehen.
  • Versuchen Sie, übertriebenen Ängsten vor schweren Unterzuckerungen vorzubeugen. Sie sind mit den modernen Therapien wie der Pumpentherapie sehr, sehr selten geworden. Treten Sie hier selbstsicher und ruhig auf. Das überträgt sich auf die Einschätzung der Lehrer.
  • Bieten Sie an, jederzeit telefonisch erreichbar zu sein, während Ihr Kind in der Schule ist. Vielleicht ist es auch möglich, dass Ihr Kind schon ein Handy bekommt, mit dem es Sie erreichen kann.
  • Je sicherer Sie im Umgang mit dem Diabetes wirken, umso weniger werden Lehrer verunsichert. Manche Eltern, die sich noch nicht ganz so sicher fühlen, nehmen die Unterstützung der Diabetesberaterin ihrer Kinderklinik in Anspruch. Das wäre auch eine Möglichkeit.
  • Wenn Ihre Kinderklinik eine Schulung für Schulanfänger mit Diabetes anbietet, lassen Sie Ihr Kind auf jeden Fall mitmachen. Auch das gibt Ihnen und Ihrem Kind zusätzlich Sicherheit.
  • Eine Notfallbox für die Schule haben Kathy Dalinger und ihre Tochter selbst gebastelt - eine Fotostrecke, um die Box ganz einfach nachzubasteln, gibt es in der Blood Sugar Lounge

Tipps für LehrerInnen und Betreuungspersonal

Kinder mit Diabetes sind nicht weniger leistungsfähig als andere. Eine Sonderstellung ist zu vermeiden.

  • Kinder mit Diabetes sind nicht weniger leistungsfähig als andere. Eine Sonderstellung ist zu vermeiden.
  • Körperliche Anstrengung und ungenügende Nahrungsaufnahme kann zu Unterzuckerung führen. Zittern, Schwitzen und Zerstreutheit können Anzeichen dafür sein. Die Kinder müssen Kohlenhydrate zu sich nehmen.
  • Darum dürfen die Kinder im Unterricht zu jedem Zeitpunkt essen sowie ihren Blutzucker messen.
  • Sie können am Sport teilnehmen, müssen davor aber zusätzlich etwas essen. Sportlehrer sollten nachfragen, ob die Kinder genug gegessen haben.
  • Bei offensichtlichem Unterzucker müssen Lehrer das Kind auffordern, etwas zu essen. Wenn das Kind dies ablehnt, kann das ein Symptom des Unterzuckers sein. Lehrer müssen diesen Widerstand behutsam aber bestimmt überwinden.
  • Kinder im Unterzucker dürfen nicht alleine nach Hause geschickt werden. Wenn ein Kind bewusstlos wird, muss ein Arzt gerufen werden.
  • Für Notfälle müssen die Lehrer die Telefonnummer der Eltern, des behandelnden Arztes und des nächsten Krankenhauses kennen.

Die gute Nachricht: LehrerInnen dürfen helfen

Mit dem Bildungsreformgesetz 2017 wurde eine lange erwartete Änderung in das Schulunterrichtsgesetz (SchUG) aufgenommen. Bisher bedeutete jede medizinische Hilfestellung, die das Lehrpersonal bei Kindern durchführte, ein persönliches Haftungsrisiko, da es sich im rechtsfreien Raum bewegte. Durch die neue Regelung (§ 66b SchUG) wurde die medizinische Hilfestellung durch LehrerInnen definiert, womit diese Tätigkeiten nun unter die Diensthaftung fallen. „Die ÖDG hat diese Änderung seit Jahren gefordert, denn diese Regelung bringt für alle Lehrenden, die schon bisher chronisch kranke Kinder unterstützt haben, endlich Rechtssicherheit“, erklärt Assoz. Prof.in PD OÄ Dr.in Sabine Hofer, Kinderärztin und Leiterin der Diabetes-Ambulanz an der Medizinischen Universität Innsbruck. „Die notwendige Hilfestellung für Kinder mit Diabetes ist weiterhin auf freiwilliger Basis verankert. Jetzt geht es darum jenen PädagogInnen, die in ihrer Klasse ein Kind mit Diabetes haben, die Informationen und Ressourcen zu bieten, die notwendig sind, um diese Unterstützung kompetent durchzuführen. Dabei geht es nicht um komplexe Tätigkeiten, die nur von Fachpersonal zu bewältigen sind, sondern um kleine Erinnerungen, Rücksicht auf notwendige Blutzuckermessungen, die Supervision bei einfachen Rechenvorgängen der Insulinpumpe oder Basiswissen in Erster Hilfe und vor allem Verständnis für spezifische krankheitsbedingte Notwendigkeiten.“

Technik kann auch überfordern
Wir erleben vor allem bei Kindern eine Technisierung der Diabetes-Behandlung (Pumpe und Sensor). Das erleichtert zwar den Alltag, weil es dem Kind eine größere Flexibilität, zum Beispiel bei Sport, ermöglicht und es hilft Hemmungen bei Mitschülern und Pädagogen abzubauen, weil weniger Nadelstiche und blutige Messungen notwendig sind. Die Technisierung kann aber auch zu Überforderung führen, zum Beispiel bei jungen Kindern, wenn Daten im Zahlenraum 200 interpretiert werden müssen. Auch hier wird Hilfe von LehrerInnen benötigt.

Inklusion verbessert die physische und psychische Verfassung

Ein zentraler Aspekt ist die Inklusion von Kindern mit Diabetes in der Schule. Wenn ein Kind zum Beispiel zum Insulinspritzen von der Lehrerin aus der Klasse geschickt wird, kann es sich dadurch aus der Gruppe ausgeschlossen fühlen. Ob eine Messung oder Medikamentengabe im Klassenzimmer stattfindet, oder das Kind sich wohler fühlt, das in einem intimeren Rahmen durchzuführen, sollte Entscheidung des Kindes sein. An Schulen, wo Kindern mit Typ-1-Diabetes dieser Raum gegeben wird, ist deren psychische und physische Verfassung besser, als an Schulen, wo diese Form der Inklusion nicht stattfindet.

Ein neuer Schulstart muss weder für Eltern noch für Kinder mit Diabetes stressig sein. Mit ein wenig Vorbereitung und viel Kommunikation kann Ihr Kind das ganze Jahr über seinen Diabetes managen und sicher sein.