Sagen, was Sache ist
Von Peter Illetschko
Es gibt sie, die Kollegen, Typ-1-Diabetiker, der viel zu oft die Unterzuckerung (Hypoglykämie) übersehen. Sie sitzen dann, weil ihr Hirn mit zu wenig Zucker versorgt wird, unkonzentriert an ihren Schreibtisch, sprechen so als würden sie sich im Rauschzustand befinden. Das Problem der anderen Kolleginnen und Kollegen: Sie wurden, wenn überhaupt, nur sehr unvollständig aufgeklärt, wissen nicht, wie sie helfen können. Meist geschieht die Desinformation aus Sorge, nicht mehr für voll arbeitsfähig gehalten zu werden. Sie ist aber in den meisten Fällen unbegründet: Aktuelle Medikamente und Messsysteme lassen für Menschen mit Diabetes ein weitgehend normales Berufsleben zu: Vorsicht ist bei Berufen geboten, die starke körperliche Anstrengungen nötig machen oder Menschenleben retten können: in der Polizei, der Feuerwehr, Rettung oder Baubranche wird man eine amtsärztliche Untersuchung als notwendig erachten. Aber auch hier haben gut eingestellte Diabetiker die besten Chancen, ihren Job weiter ausführen zu können. Closed-Loop-Systems, die den Zuckerwert automatisch messen und bei Bedarf künstliches Insulin zuführen, sind im Vormarsch und werden früher oder später das Leben aller Typ-1-Diabetiker erleichtern.
Der Typ 2 tritt deutlich häufiger auf als der Typ 1 (90 Prozent aller Erkrankten). Patienten produzieren körpereigenes Insulin, können aber Kohlenhydrate und Zucker damit alleine nicht mehr in Energie umwandeln. Lange hielt sich der Aberglaube, dass diese Patienten keinen Hypo bekommen können, als auch in körperlich anstrengenden Jobs keine Vorsorge treffen müssen: Das ist falsch. Auch Typ 2 Patienten können Unterzuckerungen erleiden, wenn sie sich lange ohne Nahrungszufuhr körperlich betätigen. Das lässt sich aber mit Pausen leicht verhindern.
Nun stellt sich aber die Frage: Kann man als Diabetiker egal welchen Typs wegen dieser Erkrankung gekündigt werden? Laut Auskunft der Arbeiterkammer Wien kann man nur einen Kündigungsschutz beanspruchen, wenn man einen Bescheid des Sozialministeriumsservice vorweisen kann: Als “begünstigter behinderter” Arbeitnehmer, wie es hier heißt, muss man aber mindestens eine Behinderung von 50 Prozent aufweisen. Es gibt Fälle, da haben Diabetiker - mit Folgeerkrankungen - diese Bestätigung erhalten. Selbstverständlich ist das aber, nach Auskunft des Sozialministeriumsservice nicht. Dazu muss es aktuelle Befunde geben und auch amtsärztliche Untersuchungen sind durchzuführen. Die Arbeiterkammer sagt aber: Eine Kündigung aufgrund des Diabetes kann wegen Diskriminierung angefochten werden.
In jedem Fall erscheint es als deutlich zielführender, die Zuckerkrankheit so gut wie möglich in den Griff zu bekommen - um nicht nur den Job, sondern auch den Rest des Lebens bestmöglich meistern zu können. Kollegen im Umfeld sollte man in jedem Fall informieren, was bei Unterzuckerungen zu tun ist, schließlich verbringt man ein Drittel seines Tages mit ihnen. Ein Vorrat von Süßgetränken, Schokolade oder, am besten, Traubenzuckerblättchen (weil die am besten in Broteinheiten umzurechnen sind, 2 Stück=1 BE) kann nicht schaden.