RNA-basierte Impfung gegen Covid-19
Von Mag. Christopher Waxenegger*
Nun scheint sie endlich bald Realität zu sein, die langersehnte Impfung gegen Covid-19 bzw. seinen Erreger Sars-CoV-2. Vor wenigen Tagen wurden die Studiendaten aus der großen Phase 3 Studie der Pharmafirma Pfizer mit über 30.000 Probanden der Öffentlichkeit präsentiert. Gemeinsam mit den erleichterten Kommentaren aus Politik und Gesundheitswesen mischten sich auch die Stimmen der Kritiker in die aktuellen Nachrichten. Wie kann es sein, dass die Impfstoffentwicklung derart rasch funktioniert, wo doch normalerweise im Schnitt zehn Jahre bis zur Zulassung vergehen? Welche Gefahren und Risiken birgt dieser Ansatz, insbesondere für Menschen mit Diabetes? Der folgende Artikel soll etwas Licht ins Dunkel bringen.
RNA-Impfstoff nicht neu
Die Idee einen Impfstoff auf RNA-(Ribonukleinsäure)-Basis herzustellen, ist alles andere als neu. Erstmals wurde dieser Ansatz bereits im Jahr 1990 beschrieben. Vor allem in der Onkologie erlangte er größere Bekanntheit, weil man sich davon einen potentiellen Impfstoff gegen bestimmte Krebsarten erhoffte. Bis zum jetzigen Zeitpunkt hat jedoch kein einziger RNA-basierter Impfstoff die Zulassung erhalten, weder für Krebs, noch für eine andere Krankheit. Doch wie funktioniert das Prinzip der RNA-Impfung überhaupt?
Zu aller erst ist es wichtig zu wissen, dass sämtliche biologischen Informationen des menschlichen Körpers in der DNA (Desoxyribonukleinsäure) der Zellen gespeichert sind (Erbgut). Alle Proteine, alle Gefäße und Organe, ja sogar bestimmte Erkrankungen sind in der DNA einer jeden einzelnen Zelle festgeschrieben. Die Übersetzung dieser Informationen, zum Beispiel jene für die Produktion von Insulin, erfolgt in einem mehrstufigen Prozess. Hierfür wird die Erbinformation der DNA kopiert. Diese Kopie verlässt den Zellkern und wird RNA genannt. Nach dem Ablesen der RNA-Botschaft mithilfe spezieller Proteine, wird ein Insulinmolekül produziert, welches auf ein Signal des Körpers hin (erhöhter Blutzucker) in die Blutbahn abgegeben wird.
Der RNA-Impfstoff greift auf eben dieses Prinzip zurück, indem künstlich hergestellte RNA injiziert wird. Die injizierte RNA enthält die Information für ein Oberflächenprotein von Sars-CoV-2, welches anschließend, nach oben skizzierten Mechanismus, in den Zellen erzeugt wird. Das Oberflächenprotein wird in der Folge von Proteinkomplexen des Immunsystems als körperfremd erkannt (Antigen). Der Körper bildet daraufhin Antikörper gegen dieses Antigen und bekämpft somit alle Bakterien, Viren oder Pilze, die eben dieses Antigen auf ihrer Oberfläche besitzen.
Warum funktioniert die Zulassung schneller als üblich?
„Aus Gründen der öffentlichen Gesundheit“ hat die europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) ein beschleunigtes Zulassungsverfahren bewilligt, das sogenannte „Rolling-Review“. Zu Deutsch bedeutet das so viel wie „rollende Begutachtung“. Vereinfacht gesagt werden, anstelle einer Prüfung der Unterlagen nach abgeschlossenen Studien, die Ergebnisse und Unterlagen der noch laufenden Studien parallel geprüft und kontrolliert. Die kontinuierliche Einreichung und Bewertung der Daten spart natürlich Zeit, womit das Bewilligungsverfahren nicht mehr 210 Tage, sondern nur noch 150 Tage in Anspruch nimmt. Effektivitäts- und Sicherheitsaspekte sind von dieser Kürzung nicht betroffen.
Ein anderer Grund ist selbstverständlich das öffentliche Interesse an einer Impfung gegen Covid-19. Immense Summen wurden und werden von den Regierungen und Unternehmen weltweit zur Verfügung gestellt, Summen die normalerweise das forschende Pharmaunternehmen aus eigener Tasche bezahlen müsste. Die Forschung an einem Impfstoff erhielt dadurch den nötigen Schwung und stellte in Rekordzeit potentielle Impfstoffkandidaten zur Verfügung.
Ebenfalls nicht unerheblich ist die Zahl der freiwilligen Teilnehmer an den Studien. In der Regel nimmt das rekrutieren von Probanden mehrere Monate in Anspruch, außerdem können die gewonnenen Ergebnisse einiger hundert Menschen nicht von Haus aus auf die gesamte Bevölkerung übertragen werden. Im Fall des RNA-Impfstoffes sind mittlerweile über 30.000 Personen geimpft worden, ein Zahl, von der jeder Impfstoffhersteller vor nicht allzu langer Zeit geträumt hätte. Die enorme Teilnehmerzahl erlaubt eine genauere Begutachtung von erwünschter Wirkung und unerwünschten Nebenwirkungen.
Vorteile der RNA-Impfung
- Schnelle und kostengünstige Produktion verglichen mit herkömmlichen Impfstoffen
- Keine Rückmutation möglich, da nur kleine Teile des Virus verwendet werden
- Im Gegensatz zu DNA-Impfstoffen gelangen RNA-Impfstoffe nicht in den Zellkern
- Kein Einbau der RNA ins Erbgut aufgrund fehlender Enzyme im menschlichen Körper
- Kurze Verweildauer in der Zelle, da die injizierte RNA nach kurzer Zeit abgebaut wird
Nachteile der RNA-Impfung
- Theoretisch ist eine übermäßige Immunantwort möglich
- Auch eine zu schwache Immunantwort ist denkbar (Bedarf mehrerer Auffrischungsimpfungen)
- Extrazelluläre RNA kann Ödeme verursachen und die Blutgerinnungsneigung erhöhen
- Bis jetzt gibt es keinen zugelassenen RNA-Impfstoff
- Keine Langzeitdaten zu Sicherheit und Effektivität verfügbar
Ausblick
Alles in allem unterschied sich die Effektivität und Sicherheit des Impfstoffes bei Menschen mit Diabetes nicht von blutzuckergesunden Probanden. Aus jetziger Sicht ist der neue RNA-Impfstoff damit sowohl für Menschen mit, als auch für jene ohne Diabetes gleichermaßen geeignet. Voraussichtlich werden zu Beginn des kommenden Jahres die ersten Chargen ausgeliefert und damit hoffentlich das Ende der Virus-Pandemie eingeläutet.
*Christopher Waxenegger ist Pharmazeut, Fach-Autor und Typ-1 Diabetiker.
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