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Risiko Unterzucker – Wahrnehmungsstörung bei Hypoglykämie

Ärzte fürchten sie, Patienten ebenso: die Unterzuckerung. Die Angst ist nicht unbegründet, denn akut stellt sie eine potenziell lebensbedrohliche Situation dar, dazu kommen mögliche Langzeitschäden. Besonders kritisch ist es, wenn Diabetiker selbst nicht mehr merken, dass ihr Blutzuckerspiegel sinkt.

Sowohl Typ-1- als auch Typ-2-Diabetiker sind betroffen

Die Angst vor Folgeschäden und Unterzuckerungen nennen Diabetiker in Verbindung mit ihrer Erkrankung als Hauptbelastungsbereiche. Die Folge ist ein Behandlungs-Dilemma. Einerseits versucht man die Folgekomplikationen durch gute Blutzuckerwerte zu vermeiden, andererseits treten Hypoglykämien umso häufiger auf, je »schärfer« der Blutzucker eingestellt, das heißt je tiefer der HbA1c-Wert liegt.

Hypoglykämien keine Seltenheit. Typ-1-Diabetiker verbringen etwa ein Zehntel des Tages im Unterzuckerungszustand, so die alarmierende Zahlen aus Untersuchungen mit kontinuierlicher Glucoseaufzeichnung (CGMS). Demnach machen die Betroffenen im Durchschnitt pro Tag etwa zwei hypoglykämische Episoden (Blutzucker kleiner als 70 mg/dl) durch, die im durchschnittlich rund eine Stunde dauert. Etwa alle fünf Jahre erlebt ein Typ-1-Diabetiker das, wovor sich viele fürchten: eine schwere Hypoglykämie mit absoluter Hilflosigkeit und gegebenenfalls Bewusstlosigkeit. Das Risiko dafür sei bei Typ-1-Diabetikern (und auch bei Typ-2-Diabetikern) individuell sehr unterschiedlich. Prädiktor für eine schwere Unterzuckerung ist, ob es im Vorjahr bei dem Patienten schon zu einer schweren Hypoglykämie gekommen ist.

Ein weiterer wichtiger Risikofaktor für das Auftreten schwerer Unterzuckerungen sind Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen – wenn der Betroffene nicht merkt, wie stark der Blutzuckerspiegel schon gesunken ist. Dies tritt vor allem dann auf, wenn der Diabetes schon längere Zeit besteht oder wenn Unterzuckerungen häufig vorkommen. Unabhängig von der Diabetesdauer scheinen sich die Wahrnehmungsstörungen auch mit zunehmendem Alter und bei nächtlicher Ruhe häufiger einzustellen.

 

Den Teufelskreis durchbrechen

Auslöser einer akuten Unterzuckerung können zu wenig Nahrung, Alkohol oder falsch eingeschätzte körperliche Aktivität sein. In den meisten Fällen ist jedoch die Überdosierung bestimmter oraler Antidiabetika oder von Insulin die Ursache. Fällt der Zuckerspiegel im Blut, treten durch die Freisetzung von Catecholaminen zunächst Symptome wie Schwitzen, Zittern und schneller Herzschlag auf, erst später kommen neuroglykopenische Symptome wie Konzentrationsstörungen, Verwirrung, Muskelschwäche, Schwindel oder Seh- und Sprechstörungen hinzu.

Bei Betroffenen mit Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen fällt die erste Stufe der Unterzuckerungs-Hinweise aus. Das heißt, die autonomen Symptome fehlen, es geht gleich zum Beispiel mit Verwirrtheit los. Die Betroffenen müssen sich dies bewusst machen und vor allem wissen, dass ihr Handlungszeitraum bei einer Unterzuckerung plötzlich deutlich kürzer ist. Das Prinzip »Handeln statt Denken« wird noch wichtiger. Wo steht das zuckerhaltige Getränk neben dem Bett? In welcher Jackentasche befindet sich der Traubenzucker? Diabetiker sollten automatisierte Handlungsvorgänge für den Ernstfall einüben. Im Nachgang komme es zudem auf eine systematische Fehleranalyse an, um wiederholte Unterzuckerungen aus dem gleichen Grund zu vermeiden.

Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen sind kein unabwendbares Schicksal. Es gilt, den Teufelskreis zu durchbrechen. Man kann erreichen, dass sich der Schwellenwert, ab dem der Diabetiker die Unterzuckerung wahrnimmt, wieder erhöhen lässt. Dazu ist es notwendig, für mindestens vier Wochen hypoglykämische Episoden komplett zu vermeiden. Nach etwa zwölf Wochen hat man die alte Schwelle fast wieder erreicht. Oft ist es möglich, dies durch Änderungen in der Insulintherapie hinzubekommen. Ein Fokus liegt darauf, nächtliche Unterzuckerungen zu vermeiden, da ein Großteil der Unterzuckerungen im Schlaf stattfinden.

Effektiv und effizient sind Schulungen gegen Hypoglykämie-Wahrnehmungsstörungen.

Prof. Kinga Howorka bietet ein Schulungsmodul für Hypoglykämie-Wahrnehmung

Um immer für den Hypo-Notfall gerüstet zu sein, sollte man sich den Diabetes-Notfallanhänger besorgen.