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„Prävention braucht Bildung”

Dr. Yvonne Winhofer-Stöckl, war Erste Sekretärin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) arbeitet und forscht an der Med-Uni Wien. Und sie betont, dass Diabetes sich durch Vorbeugung sehr oft verhindern ließe.

Von Elisabeth Schneyder 

Engagiert, erfolgreich und höchst kompetent: Die 35jährige Medizinerin Yvonne Winhofer hat sich der Erforschung und Behandlung der Volkskrankheit Diabetes verschrieben, weil ihr die Menschen in ihrer Umgebung am Herzen liegen: „Ich war eigentlich für Wirtschaft inskribiert, habe mich zusätzlich für Medizin angemeldet und am 1.Oktober 2001 spontan entschieden, ob ich beim AKH oder der WU aussteige. Ich bin im AKH geblieben.“. 
Seitdem ist viel geschehen: Die gebürtige Mattersburgerin ist inzwischen Mutter zweier Söhne im Alter von einem und vier Jahren. Sie avancierte zur Assistenz-Professorin und Privat-Dozentin, arbeitet in der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel der Wiener Universitätsklinik für Innere Medizin III und ist seit November 2018 „First Secretary“ der ÖDG. 
Viel Neues und Erfreuliches gibt es allerdings auch in Winhofer-Stöckls Spezialgebiet: „Als ich vor sieben Jahren in der Diabetesambulanz saß, hatten wir nur wenige Medikamente zur Verfügung. Das war sehr unbefriedigend. Mittlerweile können wir auf eine Vielzahl gut untersuchter Substanzen zurückgreifen. Es ist schön zu sehen, dass PatientInnen, die ein bisschen mitarbeiten, damit jahrelang gut eingestellt sind. Diabetische Spätkomplikationen wie Dialysepflichtigkeit, Beinamputationen und Sehverschlechterungen sehen wir immer seltener“. 
Durch die vielen neuen Substanzen sei es nun möglich, individuelle Therapien zu empfehlen, freut sich die Ärztin: „Ich überlege bei jedem Patienten, welcher pathophysiologische Mechanismus vorrangig hinter der Erkrankung stecken könnte und richte meine Therapieentscheidung danach. Dies setzt natürlich Kenntnis der Pathophysiologie sowie der Medikamentenwirkung voraus. Wir Wissenschaftler haben hier den Vorteil, dass wir ständig damit konfrontiert sind“. 
Selbstverständlich seien aber auch Erwartungen und Lebensumstände der Patienten wichtig für die Wahl der Therapie. Denn Lebensqualität müsse im Vordergrund stehen. Zum Beispiel auch bei der Wahl zwischen Insulin-Pumpe und Spritze: „Beide Therapien sind hinsichtlich der Stoffwechselkontrolle gleichwertig. Die Entscheidung muss letztliche bei den Patienten liegen. Haben sie das Gefühl, die für sie beste Therapie zu haben, klappt die Umsetzung in den meisten Fällen – egal mit Pumpe oder Pen“. 

Hilfsmittel, die Diabetikern das Leben leichter machen, gebe es ja zum Glück nun bereits. Beim Typ 1 Diabetes seien dies eindeutig die technologischen Entwicklungen: „Kontinuierliche Glukosesensoren, die das mehrmals tägliche Stechen zum Blutzuckermessen vermeiden und einen schönen Überblick über den Blutzuckerverlauf während des Tages zeigen, sind eine wahre Bereicherung. Zukünftig hofft man auf ein closed-loop-System, also darauf, dass Glukosensor und Pumpe autonom die Diabetestherapie übernehmen“. Dies werde aber noch einige Jahre dauern. 
Bei Typ-2 Diabetes setzt Winhofer-Stöckl große Hoffnung in Medikamente, die gewichtsneutral sind und ein sehr geringes Hypoglykämierisiko ausweisen. Außerdem: „Wir wissen von einigen Substanzen, dass sie einen Benefit hinsichtlich Herzkreislauferkrankungen haben.  Ich glaube, dass das so genannte Sekundärversagen und somit die Insulinpflichtigkeit beim Typ 2 Diabetes, die derzeit nach zirka zehn Jahren Krankheitsdauer auftreten, deutlich hinausgezögert werden können“. 

Verzögert – und mitunter sogar gänzlich verhindert – werden könnte das Auftreten der Erkrankung durch Prävention, betont die Expertin: „Viele Studien ergaben, dass das Risiko um 50 Prozent gesenkt werden kann. An vorderster Stelle steht dabei meines Erachtens nach Bildung. Viele Menschen haben keine Ahnung von gesunder Ernährung und der Notwendigkeit von Bewegung. Hier wird auch oft falsch kommuniziert: Es geht nicht darum, nur Salat um Gemüse zu essen und täglich eine Stunde laufen zu gehen. Viel praktikabler und dauerhaft umsetzbar sind gesunde Mischkost und regelmäßige Bewegung im Alltag. Stichwort: Nicht sitzen!“ 
Eine wichtige Information, die sich nur mit klarer Kommunikation vermitteln lässt, aber natürlich auch Diabetikern hilft: „Man muss den Patienten auf Augenhöhe begegnen, sie ernst nehmen und respektieren. Das sollte im Umgang mit Menschen selbstverständlich sein, scheint nicht immer zuzutreffen. Viele fühlen sich beim Arztgespräch nicht wohl und damit ist das Scheitern der Therapie vorprogrammiert. Ich versuche auch immer alles laienverständlich zu erklären, dann verstehen die Patienten viel mehr über ihre Erkrankung und die Sinnhaftigkeit der Therapie. Mir geht es schließlich nicht anders, wenn ich mit anderen Berufsgruppen zu tun habe, in deren Gebiet ich mich nicht auskenne. Da bin ich auch froh, wenn sich jemand Zeit nimmt und mir alles verständlich erklärt“. 

Nicht minder essenziell sei Motivation, erklärt Winhofer-Stöckl: „Ich weise auf jeden noch so kleinen Erfolg hin. Mittlerweile ist die Therapie so gut, dass wir sehen, ob sie eingehalten wird oder nicht. Wenn ich die Patienten darauf anspreche, geben sie das dann auch zu. Aber im selben Moment erkläre ich ihnen auch, dass es letztlich ihre Entscheidung und auch ihre Verantwortung ist. Ich sehe mich hier wirklich als Beraterin, die ihr Wissen weitergibt um den Menschen zu helfen. Die Tabletteneinnahme kann ich leider nicht abnehmen. Aber ich versuche immer, die Anzahl der Medikamente aufs Mindeste zu reduzieren“. 

Zu guter Letzt ein kleiner Word-Rap mit Ass. Prof. Priv. Doz. Dr. Yvonne Winhofer-Stöckl PhD: 

Was hilft Ihnen, sich vom Alltag zu entspannen? 
Familie und Freunde. Mit anderen zu reden ist für mich der schönste Ausgleich. Meine Kinder geben mir so viel Freude, dass ich beruflichen Stress vergesse, sobald ich bei ihnen bin. Habe ich Zeit, gehe ich zum Yoga. Wenn nicht, laufe neben meinem Sohn am Laufrad her. Ich arbeite auch viel zu Hause, kann bei der Wissenschaft entspannen und vergesse Alltagssorgen, wenn ich mich darauf konzentriere. 

Was macht Sie glücklich? 
Meine Familie und mein Beruf 

Ihr Lebensmotto? 
Der Wille versetzt Berge! 

Ihr größtes Talent? 
„Sitzfleisch“, also Ausdauer 

Ihr größter „Fehler“? 
Ungeduld 

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei anderen Menschen besonders? 
Ehrlichkeit und Verlässlichkeit 

Was ärgert Sie am meisten? 
Neid! 

Über welche natürliche Gabe würden Sie gern verfügen? 
Geduld 

Was ist Ihr größter Traum? 
Mit meinem Mann, meinen Kindern, Eltern und Geschwistern meinen 60er zu feiern und auf viele glückliche und gesunde Jahre zurückzublicken. 

Welches ist Ihre größte Hoffnung für die Zukunft? 
Friede, soziale Gerechtigkeit und eine gesunde Umwelt. Klingt das zu naiv...?   ;-)

Gemeinsam mit ihrem Mann Dr. Mathias Stöckl betreibt die engagierte Medizinerin im burgenländischen Mattersburg eine Wahlarzt-Ordination für Stoffwechsel- und Herz/Kreislauf-Erkrankungen. Mehr dazu www.ihre-internisten.at