Pneumokokken und Grippe: Impfen als Überlebensstrategie
Von Peter P. Hopfinger
Die 59jährige Prokuristin Ernestine K.* aus Salzburg ist nicht nur seit rund 15 Jahren an Diabetes Typ 2 erkrankt, sondern hat sich auch recht pragmatisch mit den Corona-Regeln angefreundet. Doch die kommende Grippesaison, wirft jetzt neue Fragen auf. Soll sie sich überhaupt gegen Grippe impfen lassen? In einer Arztpraxis? Im Impf-Bus?
Roland C., 58, ist nicht nur ebenfalls an Typ-2-Diabetes erkrankt und hat sogar die Infektion mit dem COVID19-Virus überstanden. Gegen Grippe oder Pneumokokken lässt er sich trotzdem nicht impfen. Die bekämpft er vorbeugend und bis jetzt erfolgreich mit einer täglichen 1000mg-Dosis Vitamin C.
Sind Patienten mit Diabetes oder solche, die einen Herzinfarkt hatten, mehr in (Lebens-) Gefahr, wenn sie an der „ganz normalen“ Grippe erkranken? Die Antwort ist eindeutig ja, wenn man auf heimische Diabetes-Experten und die Ergebnisse internationaler Studien hört. Beide Impfungen – sowohl die gegen Grippe als auch jene gegen Pneumokokken - sind für chronisch kranke Patienten und über 65jährige ein Muss.
So meint etwa Österreichs international anerkanntester Experte, Prof. Dr. Guntram Schernthaner: „Ältere Patienten mit Diabetes sollten unbedingt Impfungen gegen Grippe und gegen Pneumokokken erhalten, da eine gleichzeitige Erkrankung mit COVID besonders gefährlich ist". Er ergänzt: „Auch für ältere Menschen ohne Diabetes ist dies sehr zu empfehlen".
Die gute Nachricht laut Schernthaner: "Das Risiko für Diabetespatienten, die jetzt sich jetzt mit COVID infizieren, zu versterben dürfte jetzt wesentlich geringer sein, als noch im Frühjahr, da man gelernt hat, die Erkrankung viel besser zu behandeln. Eine hochdosierte Cortison-Therapie sowie eine Antikoagulation kann die Sterblichkeit beträchtlich reduzieren. Eine maschinelle Beatmung wird möglichst verhindert, weil dadurch die Prognose deutlich verbessert wird".
Auch die Präsidentin der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) Prof. Susanne Kaser pflichtet ihm bei: „Speziell Menschen mit vorbestehenden Risikofaktoren - und dazu zählen Menschen mit Diabetes aber auch anderen chronischen Erkrankungen – sollten unbedingt von der Möglichkeit einer Grippe-Impfung Gebrauch machen. Das gilt auch für die Pneumokokken Impfung.“
Die heimischen Wissenschaftler ziehen ihre Erkenntnisse dabei durchaus aus internationalen Studien. In Dänemark wurden 241.551 Patienten mit Diabetes mehr als vier Jahre lang beobachtet. Durchschnittlich ein Drittel von diesen Menschen war gegen Grippe geimpft. Die erstaunlichen Erkenntnisse: die Geimpften waren um rund 15 Prozent weniger gefährdet an einem Schlaganfall oder einem Herzinfarkt zu versterben.
In Österreich sind nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung gegen Grippe geimpft, bei Pneumokokken sind es 15 Prozent. Auch unter den Zuckerkranken ist der Anteil der Geimpften nur unwesentlich höher.
Der Zusammenhang ist relativ leicht erklärt. Es gibt Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Grippe ist eine Viruserkrankung, Pneumonie eine bakterielle Erkrankung. Oft ist es so, dass der von einer Influenza geschädigte Rachenraum zur Andockstelle für die Pneumokokken wird. Aber auch die Zuckereinstellung der Diabetes-Patienten spielt beim Krankheitsverlauf eine Rolle.
Denn hoher Blutzucker schwächt nicht nur das Immunsystem, sondern trägt – besonders bei Übergewichtigen – gemeinsam mit Entzündungsherden im Körper zu oft zu einem dramatischen Krankheitsverlauf bei.
Kaser sieht sogar Vorteile in der jetzt schon gewohnten Maskenpflicht: „Mit der saisonalen Grippeschutzimpfung steht uns ein sehr effizientes Tool zur Verfügung, das bisher aber leider viel zu wenig genützt wurde. Masken können auch das Risiko für Tröpfcheninfektionen und damit einer Influenzainfektion reduzieren, daher sind alle uns inzwischen bestens bekannten Covid-19 Präventionsmaßnahmen auch gleichzeitig Schutz vor der saisonalen Influenzainfektion. Bewegung vor allem im Freien ist nicht nur für unseren Körper, sondern auch für unsere Psyche sehr wichtig und ist daher unter Einhaltung der genannten Schutzmaßnahmen absolut ratsam.“
Aber warum ist die Abneigung gegen Impfungen in Österreich so groß? Anders als bei vorbeugenden Impfungen bei Auslandsreisen (Malaria und Co.) lehnen Österreicher aus irrationalen Gründen vorbeugende Maßnahmen oft ab. Der Mediziner und Psychotherapeut in Ausbildung unter Supervision Dr. Christian Tatschl: „Die Beweggründe, diese präventiven Maßnahmen nicht zu nützen, liegen oft in fehlendem Vertrauen in Wirksamkeit und Sicherheit der Impfungen oder dem Gefühl, dass es einen selbst gar nicht treffen kann.“ Nachsatz: „Es gibt sehr viel Fehlinformation“.
Fazit: Wer als Risikopatient (etwa mit der chronischen Vorerkrankung Diabetes) nicht vorbeugend impfen geht, ist an schwerwiegenden Grippe- oder Pneumokokken-Erkrankungen selbst schuld.
Nicht nur für chronisch Kranke: Abwehrkräfte gezielt stärken
- Leitungswasser und ungesüßte Tees helfen, Schleimhäute vor dem Austrocknen zu bewahren. Erreger gelangen so schwerer in den Organismus. Hilfreich ist auch das Lutschen von Salbei- oder Isländisch Moos-Bonbons.
- Bewegung an der frischen Luft bringt einige Vorteile. Sie regt den Kreislauf an und fördert die Vitamin-D-Produktion. Sie hilft beim Stressabbau. Aber: ab ersten Symptomen ist Sport verboten.
- Ausreichend Schlaf wirkt wahre Wunder. Experten empfehlen täglich 7,5 Stunden Schlaf.
- Kalt-Warm: Studien belegen die positiven Effekte von Saunabesuchen und Kneipp-Anwendungen. In Zeiten von COVID leider nur zu Hause möglich. Und: ab beginnender Erkrankung sind Heißluftbäder nicht mehr empfohlen.
- Gesunder Bauch: 80 Prozent aller Immunzellen sitzen im Darm. Eine intakte Darmflora ist daher in Grippe und Infektionszeiten besonders wichtig. Ballaststoffe sind gute Nahrung für die Darmbakterien.
- Stress lass nach. Stress ist der größte Feind unserer Immunabwehr. Besonders Dauerbelastung ist gesundheitsschädlich. Bewusste Pausen können abhelfen.