„Perfektionismus tut nicht gut“
Klare Information und kompetente Beratung sind essenziell, Zahlen und Werte aber längst nicht alles, was Diabetes-Therapie erfolgreich macht. Davon ist der 58-jährige Diabetesberater Erwin Holub überzeugt. Seit 30 Jahren bemüht er sich im Reha-Zentrum Alland darum, diabetische Menschen auf ihrem Weg in ein gutes, „normales“ Leben zu begleiten.
Dass er selbst keinen Zucker hat, tut dabei nichts zur Sache. Denn Holub, der besonderen Wert auf die psychologischen Aspekte der Erkrankung legt, versteht es prächtig, sich in die Lage Betroffener zu versetzen und sein Fachwissen ebenso lebendig wie empathisch zu präsentieren. „Mein eigenes Berührt-Sein hilft mir sehr dabei, das Interesse der Patienten zu wecken – und es ist zugleich eine wichtige Ressource für mich“, schildert der engagierte Berater: „Die Beziehungsseite der Pflege hat mich immer schon sehr interessiert“.
So kam es auch, dass der Mann aus Bad Vöslau anfangs in einer Abteilung für integrierte Psychosomatik werkte, ehe er sich in Alland ganz dem Diabetes zuwandte: „Die Bücher von Top-Expertin Dr. Kinga Howorka haben mich fasziniert und begleiten mich bis heute. Es ist so wichtig, richtig beurteilen zu können, wem man wann zumuten kann, selbstverwaltet mit dieser Erkrankung umzugehen“.
Oft fehle es Diabetikern auch lange nach der Diagnose noch an hilfreicher Information. Und häufig würden sie viel zu früh mit komplizierten Behandlungsmethoden konfrontiert: „Die Menschen brauchen Zeit, ihre Erkrankung zu akzeptieren, sie als etwas Gegebenes anzunehmen und sich auf das Leben mit Diabetes einzustellen. Und sie müssen sich diese Zeit auch selbst geben. Sich mit zu hohen Anforderungen zu überfordern und alles perfekt machen zu wollen ist kontraproduktiv. Hauptsache ist, bei Misserfolgen nicht gleich die Flinte ins Korn zu werfen, sondern am Ball zu bleiben – ganz nach dem Motto "Aufstehen, Krone richten, weitergehen“.
Dass er im Reha-Zentrum Alland pro Turnus gut 50 Personen zu betreuen hat, bedeutet zwar oft Stress für den zweifachen Familien- und frisch gebackenen Großvater. Aber er schätzt den Umstand, dass jeder Turnus drei Wochen dauert und ihm so Zeit für eingehende Beratung verschafft. „Erst muss man schauen, ob die Anpassung der Insulinmengen passt, ob da Trends bestehen oder einmalige Ereignisse dominieren. Dann gilt es zu experimentieren und zu beobachten, wie jeder Einzelne zum Beispiel auf Bewegung reagiert, und den Menschen die Chance zu geben, in sich selbst hineinzuspüren, ob die Therapieempfehlungen auch später zu Hause durchführbar sein werden“, schildert Holub: „Hier im Reha-Zentrum können wir das in Ruhe tun und so die Basis für erfolgreiche, im Alltag umsetzbare Therapie legen“. Entspannter Umgang mit Herausforderungen ist ihm wichtig – auch mit jenen seiner Arbeit, die ihn mitunter durchaus an die Grenzen der Leistungsfähigkeit führt: „Dann helfe ich mir mit Bewegung in der Natur, meiner Gitarre, klassischem Gesang und, natürlich, indem ich Zeit mit meiner Familie verbringe.“