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Offener Brief an die neu gewählten Parlamentarier Österreichs

Liebe neu gewählte und altgediente Abgeordnete des Österreichischen Parlaments!

Die Wahl ist erledigt. Ich gratulieren allen erfolgreichen Parlamentsvertretern aller Parteien aus vollem, demokratischem Herzen! In den nächsten Wochen wird verhandelt, wer mit wem eine Regierung bildet und wer welche Ressorts maßgeblich beeinflussen und steuern wird. So weit, so gut und ich will mich gar nicht an irgendwelchen Farbenspielen beteiligen, obwohl ich ehrlicherweise sehr froh bin, dass die Frau, die angeblich um 150 Euro im Monat leben kann, nicht mehr das Gesundheitsressort leitet. Die Wahrscheinlichkeiten sind ausführlich besprochen, aber für uns Menschen mit chronischen Erkrankungen (das sind natürlich Diabetiker, aber auch Bluthochdruck-Patienten, Asthmatiker und alle anderen chronisch kranken Österreicher) geht’s nicht um politische Ambitionen, sondern um den Alltag.

Glaubt man Statistiken, so haben von 183 Abgeordneten etwa neun Personen eine Diabeteserkrankung (höher ist die Quote bei Blutdruckpatienten). Diese fünf Prozent entsprechen dem Bevölkerungsdurchschnitt.

Mindestens fünf Prozent der österreichischen Bevölkerung sind zuckerkrank. Tendenz stark steigend.

Ihr liebe Politiker verschweigt einerseits meist Eure Erkrankungen und könnt es Euch andererseits richten. Sei´s durch stattliche Einkommen oder Zusatzversicherungen, die es Euch erlauben, die besten Ärzte privat zu finanzieren.

Was diese neun Parlamentarier aber nicht erleben, sind die Alltagsprobleme von Menschen mit Diabetes. Das beginnt bei den unterschiedlichen Erstattungen von Leistungen durch die Krankenkassen (sollte eigentlich durch die Zusammenlegung wegfallen) und führt schnurgerade zu den höchst unterschiedlichen Ausstellungen von Führerscheinen in den neun Bundesländern. Denn wie kann es sein, dass ein Mensch mit Diabetes um die 50 Jahre mit Typ 2-Diabetes in dem einen Bundesland einen Führerschein für zwei Jahre bekommt und derselbe Mensch in einem anderen Bundesland für fünf Jahre ohne Kontrolle fahren darf.

Ein anderes großes Thema sind für mich die Kinder und Jugendlichen mit Diabetes, die zum Teil noch in der Ausbildung sind und noch ihr ganzes (Berufs-)Leben inklusive der Zuckerkrankheit vor sich haben. Diese jungen Menschen brauchen neben ihrer ärztlichen Betreuung zur besseren Bewältigung ihrer chronischen Erkrankung auch Kontakt mit Altersgenossen, die ein ähnliches Schicksal haben.

Wo geht das besser als auf einem Schulungscamp, wie sie derzeit nur privat von den Selbsthilfegruppen ÖDV und DIABÄR organisiert werden? Doch diese Aufenthalte müssen auch finanziert werden. Und nicht alle Eltern können das finanzieren. Deshalb muss die Finanzierung von der Regierung, die ja jetzt ohnedies die Jugendlichen für sich entdeckt, gesichert werden.

Nach jahrelangen Bemühungen ist es uns gelungen, die Haftung der Bundeslehrer auf freiwillig übernommene Tätigkeiten auszuweiten. Teilerfolg ja, aber die KindergärtnerInnen haben noch immer nicht die gleichen gesetzlichen Grundlagen wie die LehrerInnen. Das muss sich rasch ändern und kostet nicht einmal Geld.

In dem Zusammenhang ist auch die bundesweit einheitliche Finanzierung der Diabetes-Nannies, die vor allem in Tirol ausgezeichnet arbeiten, unbedingt erforderlich. Auch die Einführung von Schulassistentinnen - ausgebildete Pflegefachkräfte in der Schule - , die als Unterstützung im Schulalltag Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes übernehmen können, ist unbedingt erforderlich.

Zusammengefasst fordern wir gemeinsam mit der Dachorganisation „Wir sind Diabetes“:

  • Verbesserung und Ausweitung von Therapie Aktiv, sowie ein niederschwelliger Zugang zu Schulungen für alle Patienten, egal welcher Kasse
  • Österreichweit einheitliche Führerscheinrichtlinien für Menschen mit Diabetes 
  • Finanzierung der Schulungscamps für Kinder mit Typ-1-Diabetes
  • gleiche gesetzliche Grundlagen für Kindergartenpädagogen und LehrerInnen
  • Bundesweit einheitliche Finanzierung der Diabetes-Nannies 
  • Einführung von Schulassistentinnen-ausgebildete Pflegefachkräfte in der Schule, die als Unterstützung im Schulalltag Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit Diabetes übernehmen können

Ihr, liebe Politiker, habt uns vor der Wahl viel versprochen. Wir wollen nicht alles, wir wollen die sechs oben genannten Forderungen erfüllt sehen. Und zwar bitte rasch! Danke!

Herzlichst Ihr

Peter P. Hopfinger

Herausgeber und Chefredakteur