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Novo Nordisk - Der etwas andere Pharmakonzern

In der dänischen Hauptstadt Kopenhagen leben die Menschen wesentlich gesünder als hierzulande. Fahrräder dominieren das Verkehrsgeschehen, Mahlzeiten bestehen aus Gemüse, Fisch und Vollkornbrot (Smörrebröd). Die Folgen: schlankere Menschen im Stadtbild und weniger Menschen, die an Typ 2-Diabetes erkrankt sind. Fast logisch, dass im Königreich der weltgrößte Hersteller von Insulin zu Hause ist. Ein Besuch in der Konzernzentrale von Novo Nordisk.

Zu Besuch beim größten Insulinhersteller der Welt. 

Von Peter P. Hopfinger 

In der dänischen Hauptstadt Kopenhagen leben die Menschen wesentlich gesünder als hierzulande. Fahrräder dominieren das Verkehrsgeschehen, Mahlzeiten bestehen aus Gemüse, Fisch und Vollkornbrot (Smörrebröd). Die Folgen: schlankere Menschen im Stadtbild und weniger Menschen, die an Typ 2-Diabetes erkrankt sind. Fast logisch, dass im Königreich der weltgrößte Hersteller von Insulin zu Hause ist. Ein Besuch in der Konzernzentrale von Novo Nordisk.

Es ist noch finster, als die Maschine in Wien-Schwechat abhebt. Mit an Bord: Petra Schmidt, seit knapp eineinhalb Jahren insulinpflichtige Werbefachfrau, die in ihrem neuen Leben mit Diabetes gerade eine Ausbildung zur Ernährungsberaterin beendet und ihr Berichterstatter, der schon einmal das Privileg hatte, eine Fabrik von Novo zu besuchen. Siehe die Reportage "Die Insulin-Brauer von Kalundborg".

Diesmal sind wir eingeladen, das weltweit erste Ausbildungszentrum für Diabetiker, das legendäre Steno-Hospital und die Konzernzentrale in Kopenhagen zu besuchen. 

Das Steno-Hospital ist ein kleiner solider Ziegelbau, der so gar nicht an heimische Krankenanstalten erinnert. Tatsächlich befinden sich keinerlei Krankenstationen und auch keine Betten in dem Spital. Es dient nämlich ausschließlich als ambulantes Diabetes-Zentrum, in dem erkrankte Dänen in sehr praxisnahmen Unterrichtsstunden den Umgang mit dem Diabetes vom richtigen Kochen bis hin zur Insulintherapie lernen. Im Süden von Dänemark wurden bisher fast alle Patienten durch ein Steno-Programm geschleust. Das war so erfolgreich, dass jetzt die dänische Sozialversicherung die Richtlinien von Steno übernimmt, um sie auf das ganze Königreich auszurollen. 

Bei Novo freut man sich über diesen staatlichen Schritt und schon gibt es einen Beschluss, ein neues Zentrum mit doppelten Kapazitäten zu errichten. 

Tags darauf werden treffen wir weitere Kollegen aus mehreren europäischen Staaten und werden mit einem Bus in einen liebevoll renovierten Pferdestall gebracht, der heute als Treffpunkt, Forschungs- und Kommunikationszentrum von Novo eingerichtet ist. Der Generaldirektor Lars Rebien Sorensen hat es sich nicht nehmen lassen, uns persönlich zu begrüßen und uns ein wenig aus der Geschichte des heute weltgrößten Insulinherstellers zu erzählen.


„Der Platz, an dem wir uns befinden, ist direkt mit der Geschichte mit Novo-Nordisk verbunden. Man sieht sofort, dass dies alte aber liebevoll renovierte Häuser aus dem vorigen Jahrhundert sind. Tatsächlich befanden sich hier Stallungen für Pferde, die zu einem großen Zuchtbetrieb gehörten. Kaum aber ist man eingetreten, sieht man, dass dies ein Platz des Lernens, des Teilens und auch des sozíalen Miteinander ist. Auf der anderen Seite sehen Sie die Gebäude einer alten Milchfarm. Aus meiner Sicht gäbe es keine Firma Novo Nordisk ohne Landwirtschaft. Sie müssen auch wissen, in Dänemark leben fünf Millionen Menschen, aber 25 Millionen Schweine. Am Anfang wurde ja Insulin ausschließlich aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen und Rindern gewonnen, daher war die Nähe zu diesen Betrieben sehr wichtig.“ 


Mittlerweile ist die Insulinproduktion mehr in die Nähe der Bierbrauer gerückt, denn hier wird mittlerweile mit gentechnisch bearbeiteter Hefe gearbeitet (siehe auch "Die Insulin-Brauer von Kalundborg")

 

Sorensen appelliert an uns Medienvertreter: „Helfen Sie mit: wir wollen das `Gesetz der Halbierungen` durchbrechen.  „Rund 380 Millionen Menschen sind weltweit an Diabetes erkrankt, davon sind nur rund die Hälfte diagnostiziert. Von diesen 190 Millionen wird nur etwa die Hälfte betreut und von diesen Betreuten erreicht die Hälfte ihre Behandlungsziele. Wiederum nur 50 Prozent dieser Patienten erzielen die gewünschten Ergebnisse.“ 

Ein weiterer Teil unseres Besuchs besteht in einem Werksbesuch. Hier in Kopenhagen werden die in Kalundborg hergestellten Insuline einerseits in Fertigpens eingefüllt, andererseits verschiedene Produkte zum weltweiten Versand fertig gemacht. Das alles passiert zum Großteil durch Roboter und automatische Staplerfahrzeuge. Dennoch müssen wir ab einem bestimmten Abschnitt der Besichtigung Schutzanzüge und Schuhe anziehen. 

Im Anschluß treffen wir dänische Diabetes-Patienten, die uns von ihrem Leben mit der Erkrankung erzählen. Unterschiedlicher geht´s kaum. Während die Dame seit mehr als 40 Jahren erkrankt ist und mit Insulin ein durchaus erfreuliches Leben verbrachte, nahm der zweite Patient – er erkrankte mit etwa 40 Jahren an Typ 2-Diabetes – die Diagnose nicht so ernst. „Mittlerweile war ich schon drei Mal klinisch tot“, erzählt er und liest von einer vollgeschriebenen Din A4-Seite alle Folgeerkrankungen vor: Herzinfarkt, Neuropathien, Durchblutungsstörungen, Augenprobleme und mehr. Seinen Humor hat er trotzdem nicht verloren: „Jetzt hab ich schon drei Mal geprobt zu sterben, wenigstens kann ich es dann, wenn es wirklich so weit ist."  

Zurück zu CEO Sorensen: „Wir sind ein sehr ungewöhnliches Unternehmen. Auf der einen Seite sind wir die weltweit größten Hersteller von Insulin, zugleich aber auch die größten Hersteller von Generika. Bei der Firma Novo ist ein großer Anteil der Besitzrechte innerhalb einer Stiftung gelagert. Diese Stiftung kontrolliert nicht nur den Geschäftserfolg, sondern auch den Forschungsbereich, der bei uns enorm groß ist. Der Wert des Unternehmens kann heute mit einer Trillion Dänen-Kronen angegeben werden. Selbstverständlich bekommt auch die Stiftung einen Teil vom Gewinn, den das Unternehmen erwirtschaftet und reinvestiert. Einerseits in Forschung und Wissenschaft sowie andererseits in humanitäre Aktionen. Ein Beispiel dafür ist das Novo Rad-Team, mit dem wir 2021, zum 100sten Geburtstag der Insulinentdeckung, mit einem Profi-Team in dem alle Sportler an Typ 1 erkrankt sind, an der Tour de France teilnehmen. Wir würden sogar – wenn wir eine Heilung für Diabetes finden – diese forcieren, auch wenn es zu Lasten des Insulinverkaufs geht.” 

Bis dahin wird es aber wohl noch eine Weile brauchen.