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Neue Medikamente bei Diabetes und Adipositas

Diabetes und Adipositas haben mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint.

Diabetes und Adipositas haben mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint. Doch dass viele Menschen mit Typ-2-Diabetes übergewichtig sind und umgekehrt Betroffene mit Übergewicht bzw. Adipositas oft mit einem gestörten Zuckerstoffwechsel zu kämpfen haben ist kein Zufall.

Von Mag. Christopher Waxenegger*

Übergewicht vs. Adipositas

Sowohl die in Industrienationen ständige Verfügbarkeit von Lebensmitteln mit hoher Energiedichte als auch die mangelnde körperliche Bewegung infolge überwiegend sitzender Tätigkeiten haben in den vergangenen Jahrzehnten die Zahl der übergewichtigen Menschen stark ansteigen lassen. Die Medizin unterscheidet zwischen Übergewicht (BMI < 30 kg/m2) und Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2). Allein in Österreich beträgt die Prävalenz von Adipositas - also die Rate der zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Krankheit Erkrankten - von Männern 20 % und von Frauen 18 %. Besonders erschreckend ist, dass bereits ein Viertel aller Schulkinder entweder übergewichtig oder adipös ist.

Was Diabetes mit Adipositas zu tun hat

Warum nimmt die Häufigkeit von Typ-2-Diabetes mit dem Alter zu? Und wieso entwickeln viele übergewichtige Menschen einen Typ-2-Diabetes? Ein wesentlicher Faktor zur Beantwortung dieser Fragen sind die Stoffwechselwege, welche zur Entstehung beider Krankheiten beitragen. Diese sind eng miteinander verflochten. Zum Beispiel nimmt im Laufe des Lebens die Skelettmuskelmasse ab und der Körperfettanteil zu. Ein sehr ähnlicher Umwandlungsprozess findet bei Adipositas statt. Die Skelettmuskulatur ist jedoch für den Abbau von Zuckern und Fetten im Körper essenziell wichtig.

Nimmt ihre Funktion ab, kann der Körper über die Nahrung aufgenommene Stoffe nicht mehr ordnungsgemäß abbauen, was zu ihrer Anreicherung und Ablagerung führt. Gleichzeitig werden durch die zunehmende Fettmasse Entzündungsbotenstoffe freigesetzt, die unter anderem für das gehäufte Auftreten von kardiovaskulären oder metabolischen Folgeerkrankungen verantwortlich gemacht werden (z.B. Adipokine, Hormone, TNF-alpha). Die sich in den Muskelzellen ablagernden Fette stören außerdem die Wirkung von Insulin, indem sie die Verschiebung von Glukosetransportern auf die Zelloberfläche verhindern und auf diese Weise eine Insulinresistenz erzeugen.

Was tun bei Übergewicht und Adipositas?

Glücklicherweise steigt das Bewusstsein dafür, dass Adipositas nicht nur die Folge von vermehrten Lebensmittelverzehr und mangelnder Bewegung ist, sondern eine eigenständige Erkrankung darstellt. Bei den Betroffenen kommt es gewissermaßen zu einer Loslösung der physiologischen Gefühle Hunger und Sättigung von der körperlichen Kontrolle.

Da Adipositas bis jetzt nicht als Krankheitsbild anerkannt war, gibt es wenige standardisierte Vorgehensweisen zur optimalen Behandlung. Folgende Punkte finden sich allerdings in den meisten Empfehlungen:

  • Wiederherstellung des natürlichen Hunger- und Sättigungsgefühls (langsames Kauen, auf kleinen Tellern anrichten, Essenspausen, keine Snacks, Verfügbarkeit von Lebensmitteln einschränken etc.)
  • Ernährungsberatung und -umstellung
  • Kaloriendefizit von circa. 500-700kcal pro Tag (zu schnelle Gewichtsabnahme unerwünscht)
  • aktive Freizeitgestaltung
  • Verhaltenstherapie und ggf. psychologische Unterstützung
  • ergänzende medikamentöse Therapie im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzepts

In Österreich gibt es zu diesem Zweck eigene Schwerpunktzentren, in denen eine umfassende Betreuung mit verschiedenen Professionen (Fachärzten, Ernährungsberatern, Psychologen etc.) möglich ist. Eine laufend aktualisierte Liste der Ambulanzen und Ordinationen findet man auf der Homepage der Österreichischen Adipositas Gesellschaft (ÖAG).

Medikamentöse Behandlungsoptionen

Medikamente können ab einem BMI von ≥28 kg/m2 ergänzend zu den oben genannten Lebensstilinterventionen eingesetzt werden. Orlistat etwa hemmt die Fettaufnahme im Darm, die Kombination aus Bupropion/Naltrexon den zentralen Belohnungsreiz, wodurch sich das Verlangen zu Essen verringert. Novo Nordisk beschritt einen anderen Weg. Schon in den Zulassungsstudien stellte sich heraus, dass die von der Firma für die Diabetestherapie entwickelten GLP-1-RA (Glukagon-Like-Peptid-1-Rezeptor-Agonisten) Liraglutid (Viktoza®) und Semaglutid (Ozempic®) das Potenzial besitzen das Körpergewicht zu reduzieren.

Daraufhin initiierte Studien untersuchten den gewichtssenkenden Effekt von höher dosiertem Liraglutid (Saxenda®) und Semaglutid (Wegovy®) bei übergewichtigen Menschen mit oder ohne Diabetes. Das Ergebnis: 3,0mg Liraglutid pro Tag führte zu einem Gewichtsverlust von durchschnittlich 6,4kg. 54,3 bzw. 25,2 % der Patienten reduzierten ihr Gewicht um 5 bzw. 10 % vom Ausgangswert.

Die einmal wöchentliche Applikation von 2,4mg Semaglutid führte bei 86,4 bzw. 69,1 % bis zum Ende des Studienzeitraums zu 5 bzw. 10 % Gewichtsverlust. Knapp die Hälfte der Studienteilnehmer verlor sogar 15 % ihres Körpergewichts. Weitere Vorteile umfassen den Rückgang des metabolisch ungünstigen viszeralen Fettanteils sowie eine generell verminderte Entzündungsaktivität. Auch Blutdruck, Nüchternblutzucker, Lipidwerte und Lebensqualität verbesserten sich unter Semaglutid signifikant.

 

*Christopher Waxenegger ist Pharmazeut, Fach-Autor und Typ-1 Diabetiker.