Neben gesunder Ernährung und Bewegung hilft auch kognitives Training
Wien (pts020/19.11.2019/11:00) - Übergewicht ist unser größtes gesundheitliches Problem. Die effektivste Maßnahme ist die Prävention, das heißt, das Übergewicht gar nicht erst entstehen zu lassen. In der mühsamen Therapie von Übergewicht zeigt eine neue Studie, dass neben einer Änderung des Ernährungs- und Bewegungsverhaltens auch ein Training kognitiver Fähigkeiten hilft. Aktuelle Daten aus der österreichischen EDDY-Studie stützen diese Ergebnisse.
Ein negativ korrelierender Zusammenhang zwischen dem Bodymaßindex (BMI) und den sogenannten "exekutiven Funktionen" (EF) ist bereits länger bekannt. Unter exekutiven Funktionen oder "kognitive Kontrolle" werden jene mentalen Funktionen verstanden, mit denen Menschen in der Lage sind, ihr eigenes Verhalten unter Berücksichtigung von Umweltbedingungen zu steuern.
Neue Studie über Zusammenhänge zwischen BMI und Exekutiven Funktionen
"Eine neue Studie aus den USA, durchgeführt am renommierten Childrens Nutrition Center des Baylor College of Medicine, zeigt dazu höchst interessante Ergebnisse", kommentiert Univ. Prof. Dr. Kurt Widhalm, Präsident des Österreichischen Akademischen Instituts für Ernährungsmedizin (ÖAIE).
Untersucht wurden 869 Zwillinge zwischen 7 bis 15 Jahren mit dem Ergebnis, dass die Korrelation zwischen BMI und EF sowohl genetisch als auch durch phänotypische Einflüsse besteht. Darüber hinaus wies die Studie nach, dass die Behandlung von Übergewicht von einer Verbesserung der physischen und kognitiven Funktionen profitieren kann.
"Die kognitiven Fähigkeiten wurden in dieser Studie besonders hervorgehoben. Das war bislang durchaus nicht so bekannt", betont Widhalm. Zudem bestätigte die Studie neuerlich den schon bekannten Zusammenhang, dass bei ausgeprägter Fettleibigkeit eine verminderte Fähigkeit zur fokussierten Aufmerksamkeit feststellbar ist. "Diese Tatsache findet sich - indirekt - auch in der jüngsten OECD-Studie aus dem Oktober 2019, wenn sie auf schlechtere Schulerfolge von übergewichtigen Kindern verweist. Allerdings geht die OECD-Studie nicht auf die Ursachen ein", kommentiert Widhalm.
"Das sind sehr gravierende Botschaften, die uns einmal mehr wachrütteln sollen!", mahnt der Kinderarzt und Ernährungsexperte. Leider gebe es in Österreich kaum verlässliche Daten zur Übergewichtigkeit von Kindern, was ein Spezifikum des österreichischen Gesundheitswesens sei, beklagt Widhalm. So gäbe es kaum Daten zur Epidemiologie. Auch wären keine aktuellen Daten zum Diabetes bei Kindern verfügbar, insbesondere nicht zum Typ II Diabetes.
Aktuelle Daten aus der EDDY-Studie
EDDY ("Effect of sports and diet trainings to prevent obesity and secondary diseases and to influence young children´s lifestyle") ist eine seitens des ÖAIE an einer Wiener Schule durchgeführte Studie, um Grundlagen für ein nationales Präventionsprogramm zu schaffen. Die aktuellen Zahlen dieses einzigen wissenschaftlich begleiteten Präventionsprojektes in Österreich zeigen eine dramatische Situation: Fast 40 Prozent der 8-10-jährigen Kinder in einer Wiener Volksschule sind übergewichtig, davon sind mehr als 10 Prozent adipös und 5 Prozent extrem adipös. Das Projekt an einer Schule im 12. Bezirk wurde aktuell wieder fortgesetzt, jetzt auch mit Lesestunden, die die geistigen Fähigkeiten der Kinder fördern sollen.
EDDY-Ergebnisse geben Lichtblick
"Wir fordern zwei dringende Maßnahmen an Österreichs Schulen: erstens eine Ausweitung der sportlichen Tätigkeit auf mindestens eine Einheit pro Tag und zweitens eine evaluierte Ernährungs- und Lifestyle-Schulung der Kinder unter Einbeziehung der Eltern", appelliert Widhalm. "Beides haben wir im Rahmen der EDDY-Studie durchgeführt und evaluiert: Durch Lifestyle-Intervention gelang es, die Muskelmasse im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant zu erhöhen und ebenso die körperliche Fitness. Das heißt, eine Kombination von Ernährungsschulung und körperlichem Training wirkt", stellt der Experte klar. "Was wir endlich brauchen, sind derartige, evaluierte und wissenschaftlich begleitete Gesundheitsprogramme an allen österreichischen Schulen!", so Widhalm.
Schließlich würden die Folgekosten der Adipositas laut OECD-Bericht bereits 8,4 Prozent der gesamten Gesundheitskosten in den OECD-Staaten ausmachen.
Das Österreichische Akademische Institut für Ernährungsmedizin (ÖAIE) wurde 1996 auf Initiative des damaligen Präsidenten der Ärztekammer, Prim. Dr. Michael Neumann, mit dem Ziel gegründet, Ärztinnen und Ärzte im Fach der Ernährungsmedizin fortzubilden. Das ÖAIE ist interdisziplinär ausgerichtet und vereint unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Kurt Widhalm Expertinnen und Experten aus den Bereichen der Medizin, Psychologie, Ernährungswissenschaften, Diätologie, Sportwissenschaften und Nahrungsmittelproduktion. Als führende Fortbildungs- und Forschungs-Institution für Ernährungsmedizin in Österreich richtet es regelmäßig wissenschaftliche Veranstaltung aus und publiziert vierteljährlich das "Journal für Ernährungsmedizin".
EDDY-Studie
Auf Initiative des Österreichischen Herzfonds startete das ÖAIE 2013 eine standardisierte und langfristig evaluierte Studie (EDDY - Effect of sports and diet trainings to prevent obesity and secondary diseases and to influence young children's lifestyle) an einer Wiener Schule, um Grundlagen für ein nationales Präventionsprogramm zu schaffen. Die ersten Untersuchungen zeigten alarmierende Ergebnisse hinsichtlich der körperlichen Fitness und des Ernährungsbewusstseins bei 10-12jährigen. Die aktuellen Daten und Ergebnisse der EDDY-Studie werden laufend publiziert. Weitere Informationen unter: http://oeaie.org