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Mit dem Fahrrad rund ums Meer

Natürlich wird der Neusiedlersee nur von Hauptstadtbewohnern „Meer der Wiener“ genannt, aber nur wer diese liebevolle Bezeichnung verwendet, hat überhaupt die reelle Chance, ein Meer zu umrunden. Der Autor hat´s als Endfünfziger das erste Mal versucht und mehr erfahren als rund 160 Kilometer durch das UNESCO-Welterbe Kulturlandschaft Fertő/Neusiedler See.

In drei Tagen 160 Kilometer entlang der Ufer des Neusiedler Sees

Von Peter P. Hopfinger

Natürlich wird der Neusiedlersee nur von Hauptstadtbewohnern „Meer der Wiener“ genannt, aber nur wer diese liebevolle Bezeichnung verwendet, hat überhaupt die reelle Chance, ein Meer zu umrunden. Der Autor hat´s als Endfünfziger das erste Mal versucht und mehr erfahren als rund 160 Kilometer durch das UNESCO-Welterbe Kulturlandschaft Fertő/Neusiedler See.

Was hat einen bisher davon abgehalten? Die Angst, überfordert zu sein? Die sanften Hügel in Burgenlands bestem Weinbaugebiet? Der Wind? Angst vor Unterzuckerungen? Man  weiß es nicht. Und eigentlich ist es ja auch egal. Jedenfalls hatte ich kurz nach meinem 59. Geburtstag den Eindruck gewonnen: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für eine Radtour rund um den Neusiedler See gekommen.

Der nächste Tag beginnt für mich mit einem der opulentesten Frühstücke der letzten Jahre: Fruchtjoghurt, Ananasstückchen, ein weiches Ei, Butter-, Marmeladen und Honigbrote schmecken mir ausgezeichnet. Das zusätzliche Plus: ich spritze keine einzige Einheit Insulin – das ganze Frühstück als Sport-Broteinheiten (BE), wann hat man das schon? Also hau ich rein und freu mich auf den längsten Streckenabschnitt: Von Illmitz über Pamhagen durch den ungarischen Teil, der exakt entlang des ehemaligen eisernen Vorhangs das südliche Drittel des Sees verläuft. Mit dem hier fast immer mehr oder weniger heftigen Wind von Nordwest wird man bei diesem Streckenverlauf sanft aber stetig Richtung Pamhagen und damit zum ehemaligen Grenzposten geschoben. Erstaunlich: auch auf ungarischer Seite sind die Radwege mittlerweile zu richtigen Highways ausgebaut, frisch bemalt und deutlich ausgeschildert.       

Meine Begleitung will nach Rust, Mörbisch sei so langweilig und Rust hingegen so nett und die Störche und überhaupt. Also heißt es ordentlich reintreten und am Ende der Etappe haben wir rund 60 Kilometer in den Beinen und den faszinierenden Anblick der Storchenstadt Rust. Auf beinahe jedem Dach nistet mindestens ein Storch, aus manchen gepolsterten Wagenrädern schauen auch Storchküken und warten mit offenen Schnäbeln auf Futternachschub der Eltern.

Wir beziehen ein durchaus kuscheliges Nest für eine Nacht im Hotel „Am Greiner“, das zum Touristikimperium Drescher www.drescher.at gehört. Seminarräume, Wellness- und Fitnessbereich sind hier Teil eines Wohlfühl- und Gesundheitskonzeptes mit integriertem TCM-Institut. Ein abendlicher Bummel durch die Stadt verblüfft den Großstädter: an jeder Ecke ein Heuriger, ein Restaurant oder eine andere gastronomische Institution, aber weit und breit kein Bipa, Billa oder anderes Geschäft einer Kette im alten Teil von Rust. Ein Bravo an die Stadtregierung.

Am Sonntag Vormittag beginnen wir nach einem erneut üppigen Frühstück den letzten Teil unserer Reise ums Meer der Wiener. Nur noch 30 Kilometer sind es von Rust nach Neusiedl, aber wir drehen irrtümlich noch eine Ehrenrunde um die Stadt, bevor wir uns nach Norden wenden. Ein letztes Mal vorbei an Weingärten, wogenden Kornfeldern, leuchtend-roten Mohnblumen und riesigen Blumenwiesen. Ein letzter Blick auf das UNESCO-Welterbe Fertö-Neusiedlersee. Ein letzter Check des Blutzuckers vor dem Besteigen des Rex ergibt: ich hab mich trotz etwas Gegenwind und einigen Hügelwertungen gar nicht mehr so angestrengt, der Blutzucker ist rund um die 200 mg/dl und damit zu hoch. Ich hab trotzdem kein Insulin gespritzt. Denn bei der abschließenden Reise von Wiener Hauptbahnhof nach Währing quer durch die Stadt ist auch der Blutzucker wieder runtergegangen.