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Metformin und Insulin – Was liegt dazwischen?

Viele verschiedene Medikamente verwirren Patienten – was wirkt bei wem?

Von Mag. Christopher Waxenegger

Vor knapp 100 Jahren beginnt mit der erstmaligen Verabreichung von Insulin die Geschichte der modernen Diabetestherapie. Im Laufe der Zeit kristallisierte sich heraus, dass es verschiedene Diabetesformen gibt und nicht jeder Mensch mit Diabetes eine Insulintherapie benötigt. Das Ergebnis dieser Erkenntnis sind die sogenannten Antidiabetika, Arzneistoffe, welche in der Lage sind den erhöhten Blutzucker zu senken und Spätschäden zu vermeiden. Diese neuen Medikamente helfen im Kampf um ein gesundes Leben mit Diabetes.

Diagnose Diabetes

Diabetes ist nicht gleich Diabetes.  Es ist wichtig zu wissen, dass grundsätzlich vier Diabetestypen unterschieden werden: Diabetes Typ-1, Diabetes Typ-2, Schwangerschaftsdiabetes und spezielle Diabetesformen (Maturity-Onset-Diabetes-of-the-Young; MODY oder Late onset (oder auch: latent) autoimmune diabetes in the adult - LADA). Diabetes Typ-2 (T2D), früher gerne als Altersdiabetes bezeichnet, wird mit den erwähnten Antidiabetika therapiert. Mittlerweile hat dieser „Altersdiabetes“ nicht nur jüngere Menschen erfasst, sondern ist zu einer wahren Volkskrankheit geworden. Mehr als 600.000 Menschen in Österreich sind erkrankt, die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.

Neue Medikamente – aber für wen?

Österreich befindet sich in der glücklichen Situation sehr schnell Zugang zu den neuesten Antidiabetika zu bekommen. Tatsächlich sind es so viele, dass man leicht den Überblick verlieren kann. Folgende Antidiabetika gibt es momentan in Österreich:

  • Biguanide (Metformin)
  • Sulfonylharnstoffe (Glipizid, Gliquidon, Gliclazid und Glimepirid)
  • Glinide (Repaglinid)
  • Glitazone (Pioglitazon)
  • GLP-1-Analoga (Exenatid, Liraglutid, Dulaglutid)
  • Gliptine (Sitagliptin, Vildagliptin, Saxaglitpin, Alogliptin, Linagliptin)
  • SGLT-2-Hemmer (Dapagliflozin, Canagliflozin, Empagliflozin, Ertugliflozin)

Aufgrund der Verhinderung diabetesassoziierter Spätschäden und der fehlenden Gefahr von Unterzuckerungen, ist Metformin die erste Wahl zur medikamentösen Behandlung bei T2D. Doch was kommt danach, wenn Metformin nicht ausreicht? Gemäß den internationalen und österreichischen Empfehlungen werden jene Antidiabetika bevorzugt, für die es ausreichend Daten zur Verhinderung von Begleiterkrankungen gibt.

SGLT-2-Hemmer (2. Stufe)

Sodium-dependent-Glukose-Transporter-2-Hemmer blockieren ein Transportprotein in den Nieren, welches normalerweise Zucker aus dem Harn wieder zurück ins Blut befördert. Durch diesen Mechanismus sinken Blutzucker und Gewicht bei praktisch nicht vorhandenem Unterzuckerrisiko. Außerdem schützen SGLT-2-Hemmer nachgewiesenermaßen Herz und Nieren, zwei Organe, die bei Diabetes besonders häufig in Mitleidenschaft gezogen werden. Diese schützende Wirkung ist unabhängig vom Vorliegen einer Zuckerkrankheit, weshalb zurzeit über den Einsatz bei anderen Krankheiten debattiert wird.

GLP-1-Analoga (2. Stufe)

Glukagon-like-Peptid-1-Analoga sind künstlich hergestellte Proteine, die dem menschlichen GLP-1 nachempfunden sind. Im Gegensatz zu den anderen Antidiabetika müssen GLP-1-Analoga unter die Haut injiziert werden. Sie schützen das Herz und helfen übergewichtigen Menschen mit Diabetes lästige Kilos loszuwerden. Weil ihre blutzuckersenkende Wirkung nur bei hohen Glukosespiegeln zum Tragen kommt, besitzen sie kaum eine Gefahr für Hypoglykämien.

Antidiabetika der 3. Stufe kommen dann zur Anwendung, wenn solche der 2. Stufe nicht ausreichend wirken, nicht vertragen werden bzw. nicht verabreicht werden können.

Sulfonylharnstoffe (3. Stufe)

Sulfonylharnstoffe stimulieren die Ausschüttung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse. Auf diese Weise verfügen sie über starke blutzuckersenkende Eigenschaften. Allerdings sind diese mit einem erhöhten Risiko für Unterzucker verbunden. Menschen unter Sulfonylharnstoff-Therapie sollten daher immer ausreichend schnell verfügbare Kohlenhydrate (Traubenzucker, zuckerhaltige Getränke) zur Hand haben. Weil das Gewicht steigen kann, werden sie vorzugsweise bei normalgewichtigen Menschen mit T2D verwendet.

Glinide (3. Stufe)

Glinide sind eine Sonderform von Sulfonylharnstoffen mit einem raschen Wirkungseintritt und einer kurzen Wirkdauer. Sie werden bei Bedarf vor kohlenhydrathaltigen Mahlzeiten eingenommen. Je nachdem wie oft gegessen wird, müssen dementsprechend mehr oder weniger Tabletten eingenommen werden. Ansonsten gelten für Glinide die gleichen Grundsätze wie für Sulfonylharnstoffe.

Gliptine (3. Stufe)

Gliptine werden auch als Dipeptidyl-Peptidase-4-Hemmer (DPP-4-Hemmer) bezeichnet und blockieren das Enzym DPP-4, welches für den Abbau von GLP-1 verantwortlich ist. Ähnlich den GLP-1-Analoga wirken Gliptine nur dann, wenn Kohlenhydrate zugeführt worden sind. Ihr Unterzuckerrisiko ist demnach sehr gering. Gliptine sind vor allem für Menschen mit Problemen bei der Injektion oder jenen mit Spritzenangst eine gute Alternative zu den GLP-1-Analoga.

Glitazone (3. Stufe)

Einziger Vertreter dieser Klasse ist Pioglitazon. Glitazone verstärken die Wirkung von Insulin an Fett-, Muskel- und Lebergewebe und werden deshalb auch „Insulinsensitizer“ genannt. Bis die maximale Wirkung erreicht ist, dauert es in der Regel 8 Wochen. Für Pioglitazon gibt es Hinweise auf ein vermindertes Auftreten von kardiovaskulären Ereignissen. Da durch die verstärkte Insulinwirkung eine Gewichtszunahme mit Ödemneigung möglich ist, sollte Pioglitazon nicht bei Menschen mit Herzschwäche verwendet werden.

Die Auswahl der einzelnen Medikamente richtet sich unter anderem nach Begleiterkrankungen, Nieren- und Herzfunktion sowie, über die Blutzuckersenkung hinausgehende, positive Nebeneffekte auf den Körper. Insulin wird bei T2D erst nach dem Versagen mehrerer Antidiabetika hinzugegeben.

 

*Christopher Waxenegger ist Pharmazeut, Fach-Autor und Typ-1 Diabetiker.

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