Mein FreeStyle Libre und ich
Von Ing. Wolfgang Frick
Ich bin seit 2003 Diabetiker Typ 2. Nach vielen Auf und Abs in meinem Diabetikerleben mit medikamentöser Behandlung, zuletzt mit mehreren Wirkstoffen, wird meine Bauchspeicheldrüse seit Oktober 2019 mit Langzeitinsulin unterstützt.
Sie werden sich fragen, wieso ein Mensch mit Diabetes Typ 2 überhaupt von einem FreeStyle Libre redet.
Natürlich sind CGM- und FGM-Messsysteme zuerst für Menschen mit „Intensivierter Insulintherapie“ gedacht. Das ist auch richtig so.
Für uns Patienten mit Typ 2 gibt es in der Regel von den Sozialversicherungen nur die Streifen für die blutige Blutzuckermessung bezahlt. Bei mir sind das im Quartal 200 Stück, das ist für meinen Bedarf zu wenig, da ich bemüht bin, eine möglichst gute Zuckereinstellung zu haben. Ich muss mir daher regelmäßig weitere dazukaufen.
Obwohl ich zwei bis dreimal die Woche Tagesscreenings mit sieben Messungen mache, bin ich mit den Messmöglichkeiten der Blutigmessung nicht zufrieden.
Ich habe mich daher entschlossen, zumindest für eine Probezeit von zwei bis drei Monaten einen FreeStyle Libre auszuprobieren.
Nach der Bestellung habe ich die bestellte Anzahl innerhalb von drei Tagen bekommen. Gratulation an die offensichtlich gute Administration und prompte Auslieferung und der Post für die rasche Lieferung.
Tag 1 – Freitag
Ich verwende für die Bedienung des FreeStyle Libre nur das Handy mit der FreeStyle-Libre-App, da ich nicht mit zwei Geräten arbeiten möchte.
Über die Online-Schulung habe ich mir die Schulungs-Videos angesehen und habe dadurch die erforderlichen Informationen bekommen, was wie zu tun ist. Was mir bei diesen Videos fehlte, ist die Aktivierung des Libre-Sensors mit der Handy-App. Angeboten wird nur die Schulung mit dem Lesegerät. Aber was nicht ist – kann noch werden. Verbesserungspotential gibt es immer und überall.
Zudem habe ich schon vor längerer Zeit an einer Corona-bedingten Video-Schulung von Frau Dr. Susanne Pusarnig, der „Zuckertante“, teilgenommen, die ihren Kursteilnehmern das Aufsetzen des Libre-Sensors sehr gut erklärt hatte.
Ich hatte daher schon gute Vorkenntnisse für das Anbringen des Sensors.
Und trotzdem ist es etwas anderes, wenn Mann/Frau das Ding dann in den eigenen Händen hat.
Ich bin nach den Vorgaben vorgegangen und habe den Sensor am Oberarm angebracht. Ein kleiner Bluttropfen hat sich in der Mitte gezeigt, das führe ich aber auf die starke Blutverdünnung zurück, die ich einnehmen muss. Das beeinträchtigt aber die Funktion des Sensors in keiner Weise.
Mein guter Freund Peter Hopfinger hat mir dann telefonisch geholfen, wie ich den Sensor mit dem Handy aktivieren kann, wobei das eigentlich selbsterklärend funktioniert.
Nach einem ersten Fehlversuch - ich habe das Handy zu wenig lang an den Sensor angehalten - funktionierte es dann beim zweiten Versuch tadellos.
Bevor der erste Scann erfolgen kann, muss jedoch eine Stunde abgewartet werden. Eine hilfreiche Unterstützung ist dabei die Zeitangabe in der App, wie lange noch gewartet werden muss, bis der Sensor betriebsbereit ist.
Nach dieser Wartezeit war ich natürlich gespannt, wie der erste Wert aussehen würde. Mit 137 gut zwei Stunden nach dem Mittagessen ist das für mich ein sehr guter Wert.
Mein erster Eindruck: Das Ganze funktioniert problemlos, die Bedienung ist kinderleicht und narrensicher.
Die weiteren Werte waren in dem Bereich, die ich auch blutig gemessen habe. Gespannt war ich, wie sich die BZ-Werte in der Nacht entwickeln würden.
Tag 2 – Samstag
Am Morgen habe ich das erste Aha-Erlebnis bekommen. Der Libre zeigte mir, dass ich in der Nacht in der Zeit von ca. 1°° bis 3°° Uhr BZ-Werte im Bereich um 60 war – ich also eine leichte Hypo hatte. Im Tiefschlaf habe ich allerdings davon nichts bemerkt. Bei der geringen Insulinmenge, die ich abendlich spritze, hat mich das überrascht.
Die Morgenwerte waren aber wieder mit um die 90 normal.
Nach dem Frühstück habe ich das gute Wetter mit leicht bedecktem Himmel genutzt, um eine Nordic Walking-Runde zu machen. Dabei habe ich natürlich den Blutzucker regelmäßig kontrolliert. Der geringe Anstieg nach dem Frühstück war nach den ersten Steigungen rasch wieder egalisiert. Nach etwa 8 km und 365 Höhenmeter anstrengenden zwei Stunden war der Wert wieder bei 110.
Was ich danach feststellen musste – der Blutzuckerspiegel ist nach einer etwa einstündige Ruhephase angestiegen – genau wie in dem Artikel im Newsletter von Diabetes-Austria vom 16.06.20 beschrieben. Ich habe mich bei dieser Runde sicher etwas übernommen, da die Strecke teilweise sehr steil war, sowohl aufwärts wie abwärts.
Im Laufe des Tages habe ich immer weitere Bereiche der FreeStyle-Libre-App kennen und schätzen gelernt.
Die Grafiken und Auswertungsmöglichkeiten erleichtern die tägliche Arbeit enorm. Wenn ich den Verlauf meiner Blutzucker-Werte ansehe kann ich feststellen, dass ich 97% TIR (Time in Range) bin, das ist die Zeit im Zielbereich (ich habe den Standardwert 70 – 180 eingestellt).
Zudem ist die Übertragung dieser Grafiken und Auswertungen auf andere PC´s oder z.B. an den Arzt einfach gelöst und leicht umsetzbar.
Tag 12 – Mittwoch
Mittlerweile habe ich den ersten Sensor bei einer Unachtsamkeit verloren. Ich bin mit dem Oberarm, an dem der Sensor befestigt war, an der Kante einer Türzarge angestreift und habe mir den Sensor dadurch losgelöst. Bei darauffolgenden Scanversuchen ist die Fehlermeldung gekommen, dass keine Verbindung zum Sensor aufgebaut werden kann. Ich musste einen neuen Sensor setzen.
Diesmal habe ich den Sensor weiter hinten gesetzt, sodass der Sensor besser geschützt ist und so ein Vorfall nicht mehr passieren sollte. Da ich bei körperlicher Betätigung immer sehr stark schwitze habe ich den Libre mit einem Kinesio-Tape zusätzlich gesichert. Hier waren mir Informationen in den Libre-Facebook-Gruppen nützlich.
Ich lerne täglich dazu, wie mein Körper auf verschiedene Nahrungsmittel und Getränke reagiert. Dass auch ein Sirup mit einer Verdünnung von 1:10 bis 1:12 meinem Blutzucker nicht gut tut, musste ich mit Bedauern feststellen. Nur Wasser oder ungesüßten Tee mag ich auch nicht immer trinken.
Alkohol ist und war für mich nie ein Problem – Bier schmeckt mir nicht, Wein trinke ich nur in geringen Mengen. Wie sich der Blutzucker hier verändert kann ich daher aus eigenem Erleben nicht schildern.
Auch wenn ich in den vielen Schulungen, die ich in meiner Diabeteskarriere mitgemacht habe, gelernt habe, wie sich schnell und langsam abbaubare Kohlehydrate auf den Blutzuckerspiegel auswirken, war es doch überraschend, wie sich dies auf der Libre-Kurve abzeichnete. Wenn dann auch noch Aufzeichnungen über die verschiedenen Komponenten der Mahlzeiten gemacht werden, kann auch später genau verfolgt werden, wie sich die verschiedenen Nahrungsmittel auswirken. Mit blutigen Messungen sind derartige Erkenntnisse nicht so einfach möglich.
Ich empfehle daher allen, die mit einem Libre arbeiten, die Aufzeichnungsmöglichkeiten wahrzunehmen und nach Möglichkeit intensiv zu nutzen. 2 bis 3 Monate später weiß niemand, wieso der BZ-Anstieg so rasch und hoch oder so flach und gering verlaufen ist.
Ich gehe regelmäßig Nordic Walken, in der Regel Strecken mit 8 – 9 km und etwa 200 Höhenmeter. Mir ist aufgefallen, dass der Blutzucker, je nach Anstrengung mehr oder länger in einem niedrigeren Niveau geblieben ist. Dabei konnte ich feststellen, dass bei anstrengenden Strecken direkt nach dem Sport der Blutzucker stärker angestiegen ist, bei moderater Anstrengung aber geringer und länger anhaltend. Für mich bedeutet das, dass ich mir Strecken aussuche, die eine geringere Dauerbelastung, dafür evtl. etwas länger sind, nachhaltiger für mich sind.
Interessante Auswertungsmöglichkeiten sind z.B. die Tagesmuster, die zeigen, wie sich der Blutzucker durchschnittlich pro Tag verhält. Das Diagramm zeigt, in welchem Bereich sich der Blutzucker im angegebenen Zeitraum bewegt.
Ebenso wichtig ist die Tabelle „Zeit im Zielbereich“ – TIR (Time in Range). Hier wird angezeigt, wie lange ich im Zielbereich, bei mir zwischen 70 und 180, bin. Das Ziel ist, dass der grüne Bereich möglichst hoch ist, er sollte über 75% sein.
Nach 4 Wochen Libre-Verwendung bin ich überzeugt, dass mir der Libre hilft, mich besser zu motivieren, auf meine Ernährung zu achten, mich zu bewegen und meine Körperreaktionen besser kennenzulernen.
Nach Abschluss meiner Testphase werde ich gerne berichten, wie es mir weiter ergangen ist.
Zu meiner Person:
Ing. Wolfgang Frick, Jg. 1957, Pensionist, wohnhaft in Vorarlberg