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Matthias Steiner: „Mit Diabetes zum Olympiasieg ist kein Zuckerschlecken“

Matthias Steiner ist einer der stärksten Männer der Welt. Seit Ende seiner Profi-Karriere macht sich der Olympiasieger und Weltmeister im Gewichtheben für andere Diabetiker stark.

Glück und Drama liegen dicht aneinander, wenn man das bisherige Leben des 1982 in Wien geborenen Sportlers betrachtet: Im niederösterreichischen Obersulz aufgewachsen und früh als Nachwuchs-Gewichtheber erfolgreich, wurde Matthias Steiner im Alter von 18 Jahren mit Diabetes Typ-1 diagnostiziert und sofort insulinpflichtig. Trotzdem bleib er seinem Sport treu und schaffte, wovon auch Gesunde meist nur träumen können: Olympiasieger, Weltmeister, Europameister, Deutscher Meister und Österreichischer Meister – und dies sind längst nicht alle Highlights der glanzvollen Karriere, die Steiner sich erarbeitete, ehe er sich vom Profi-Sport verabschiedete und 2013 mit „Steinertainment GmbH“ seine eigene Firma gründete.

Der Weg dahin passte zum Namen, muss er doch mit Fug und Recht als „steinig“ gelten. Und zwar in mehrfacher Hinsicht:

Nachdem es dem Gewichtheber-Star zusehends schwerfiel, das geforderte Gewichtslimit zu halten, startete er bei den Europameisterschaften 2005 in Sofia erstmals im Superschwergewicht (über 105 kg Körpergewicht). Als es vorübergehend mit der Leistung nicht wunschgemäß klappte, zerstritt er sich mit dem österreichischen Verband, dessen Vizepräsident gar erklärte, Steiner könne „für Schweden, Deutschland, Kasachstan oder Teppichland starten – das ist uns egal“.

Zwischenzeitlich verliebte sich Susann aus Sachsen via Bildschirm in den jungen Sportler und eroberte sein Herz. Er zog zu ihr nach Deutschland, heiratete sie bald darauf und beantragte die deutsche Staatsbürgerschaft. „Ich habe damals die wichtigste Entscheidung meines Lebens richtig getroffen“, betonte Steiner später. Doch auch der deutsche Bundestrainer Mantek war nicht sofort überzeugt vom Potenzial des Neuzugangs: „Der Steiner saß auf meinem Sessel und hat mich gebeten, es mit ihm zu versuchen. Ich habe damals sein Talent nicht erkannt. Kraft hast du, habe ich ihm gesagt, aber keine Technik. Willst du ein Holzhacker bleiben, oder ein Gewichtheber werden?“

Steiner wollte sogar der beste aller Gewichtheber werden. Er trainierte gut gefördert, voll großer Hoffnung in Heidelberg und startete für den Chemnitzer AC. Dann ereilte ihn im Juli 2007 die Tragödie: Susann starb bei einem Verkehrsunfall.

Steiner stemmte zahllose Gewichte. Erklärte, Hochleistungssport sei sein Antidepressivum. International starten durfte er aber nicht. Nagende Ungewissheit über die eigene Kraft und die Stärke der Konkurrenz wurden zur Qual.

Erst als er Anfang 2008 die deutsche Staatsbürgerschaft gerade rechtzeitig für die Olympia-Qualifikation erhielt, war die Bahn frei für weitere Erfolge: Im August 2008 triumphierte er bei den Olympischen Spielen in Peking, wurde erster deutsche Olympiasieger im Gewichtheben seit 16 Jahren und widmete diesen Sieg mit so viel Emotion seiner verstorbenen Frau, dass ihn die chinesische Nachrichtenagentur „Xinhua“ dafür zu einem der zehn denkwürdigsten Olympioniken erhob. Weitere Höhepunkte folgten auf dem Fuß. Ein kleiner Auszug aus der langen Liste: Deutschlands Sportler des Jahres 2008, Deutscher Meister 2009, Weltmeister im Stoßen sowie Deutscher Meister 2010 und Vize-Europameister im Olympischen Zweikampf 2012. 
All dies trotz zwischenzeitlichen Formtiefs und Verletzungen. Und trotz Diabetes. Obwohl es damals, zur Zeit der Diagnose, hieß, Steiner werde auf Leistungssport verzichten müssen.

Seit Ende seiner Sportlerkarriere hat Matthias Steiner, der seit 2014 eine Insulinpumpe nützt, 45 Kilo seines Wettkampf-Gewichtes innerhalb nur eines Jahres abgebaut und sein nun neues Maß gehalten. Ein schweres Unterfangen, könnte man meinen. Doch Steiner hat Bücher dazu verfasst und schildert gern, wie’s geht: „Du musst nur wissen, wie dein Stoffwechsel funktioniert, welche Lebensmittel für dich gut sind und welche nicht, und welche Bewegung für dich geeignet ist. Dann kann jeder sein Wohlfühlgewicht erreichen und sich im Alltag wieder fit fühlen“.  

Er selbst ist der beste Beweis dafür. Denn Matthias Steiner hat nichts von seiner Energie verloren.

Inzwischen ist der seit 2012 mit TV-Moderatorin Inge Posmyk verheiratete zweifache Vater zugleich Firmenchef, Bestseller-Autor, Coach, gefragter Motivationsredner sowie Entwickler des Online-Fitness- und Ernährungsprogramms „Steiner Prinzip“.  Sein Wissen, seine Erfahrung und seinen Bekanntheitsgrad nützt er, um anderen Diabetikern Mut zu machen. Vor allem Kindern. Ein „starkes“ Vorbild. Denn wenn Steiner sagt „Mit Diabetes zum Olympiasieg ist kein Zuckerschlecken“, bleibt kein Zweifel offen – weil die Welt Zeuge dafür ist, dass er weiß, wie es trotzdem klappt.