Skip to main content

Lohn der Mühen - Zehn Lebensjahre mehr!

Bis zu zehn Lebensjahre mehr für Menschen mit Diabetes, die ihre Therapieziele erreichen.

Typ-2-Diabetiker sollten wissen, was eine erfolgreiche Therapie für sie bedeutet. Bis zu zehn zusätzliche Lebensjahre könnten sie erreichen, wenn sie ihre Risikofaktoren optimal in den Griff kriegen.

Abhängig von Alter, Geschlecht und Risikoprofil können Typ-2-Diabetiker durch Erreichen der Therapieziele ihre Lebenserwartung im günstigsten Fall um mehr als zehn Jahre verlängern. Welche Maßnahmen wie viel bringen, lässt sich mithilfe einer von US-Forschern entwickelten Tabelle einschätzen.

Mit Normalisierung von Gewicht, Blutdruck, Blutfetten und Blutzucker lässt sich das Leben mit Typ-2-Diabetes nachweislich verlängern. Trotzdem werden die Therapieziele häufig nicht erreicht, auch weil Patienten nicht genug „mitziehen“. Sie ließen sich vielleicht stärker motivieren, wenn man ihnen den möglichen Lohn der Mühe besser veranschaulichen könnte.

Ein Instrument dafür stellen jetzt Wissenschaftler aus den USA im Fachblatt „JAMA Network Open“ vor: eine Tabelle, in der nach Altersgruppe und Geschlecht getrennt angezeigt wird, wie in Abhängigkeit von den vier genannten Risikofaktoren die zu erwartende Restlebenszeit ausfällt (JAMA Network Open 2022; 5: e227705).

Simulationsmodell BRAVO

Die Tabelle zur Lebenserwartung beruht auf dem Simulationsmodell BRAVO (Building, Relating, Assessing, and Validating Outcomes). Dieses wurde aus der ACCORD-Studie abgeleitet und entwirft auf der Basis der Risikoprofile eine Langzeitprognose von Patienten. Das BRAVO-Modell wurde dazu auf eine repräsentative Gruppe von 421 erwachsenen US-Amerikanern mit Typ-2-Diabetes (T2D) kalibriert. Durch eine verbesserte Kontrolle der Risikofaktoren, jeweils in vier Quartile unterteilt, wären bei ihnen folgende Zugewinne an Lebenszeit zu erreichen:

  • Body Mass Index (BMI): Durch Wechsel aus dem vierten Quartil (im Mittel 41,4 kg/m2) in das dritte, zweite oder erste Quartil (im Mittel BMI-Rückgang auf 33,0, 28,6 oder 24,3 kg/m2) würde die Lebenserwartung um 2,0, 2,9 oder 3,9 Jahre steigen.
  • Systolischer Blutdruck (SBP): Werden statt 160,4 mmHg (Mittelwert viertes Quartil) die reduzierten Werte 139,1, 128,2 oder 114,1 mmHg erreicht, sind 1,1 oder 1,5 oder 1,9 zusätzliche Lebensjahre zu erwarten.
  • LDL-Cholesterin: Die Reduktion von 146,2 mg/dl auf 107,0, 84,0 oder 59,0 mg/dl geht mit einem Plus von 0,5, 0,7 und 0,9 Jahren einher.
  • HbA1c: Wenn statt 9,9 Prozent durchschnittlich 7,7 Prozent erreicht werden, nimmt die Lebenserwartung um 3,4 Jahre zu, bei einer Senkung auf 6,8 Prozent sind es 3,9 Jahre; eine noch stärkere Reduktion auf 5,9 Prozent bringt keine weitere Steigerung.

Größter Nutzen: BMI und HbA1c senken!

Auf Ebene der US-Bevölkerung hätte demnach die Optimierung von BMI und HbA1c den größten Nutzen. Individuell gibt es aber natürlich große Variationen in der Wirkung, wie die Studienautoren um Dr. Hamed Kianmehr von der University of Florida in Gainesville hervorheben. „Patienten mit sehr hohen Werten von HbA1c, SBP, LDL-Cholesterin und BMI können durch die Kontrolle der Biomarker ihre Lebenserwartung potenziell um mehr als zehn Jahre steigern.“

Mit zunehmendem Alter sinkt der Lebenszeiteffekt einer Therapieoptimierung allerdings. „Diese Beobachtung unterstreicht die Bedeutung der Biomarkerkontrolle in jüngeren Jahren“, so Kianmehr und seine Kollegen. Sie zeige aber auch, dass es möglich und nötig sei, bei älteren Patienten einen Ausgleich zwischen Lebensqualität und Therapiezielen zu finden.

Die Forscher sehen in der Tabelle zur Lebenserwartung ein Referenzinstrument, um die Entscheidungsfindung zu unterstützen und den Nutzen unterschiedlicher Maßnahmen für die Patienten zu visualisieren.

Hierzu geben sie ein Beispiel: Würde eine Frau mit T2D im Alter zwischen 50 und 60 mit einem BMI von 30 kg/m2, einem HbA1c von 8 Prozent, einem systolischen Blutdruck von 160 mmHg und einem LDL-Cholesterin von 130 mg/dl durch eine Senkung des HbA1c auf 7 Prozent 1,0 Lebensjahre, des BMI auf 25 kg/m2 1,3 Jahre und des SBP auf 120 mg/dl 2,3 Lebensjahre gewinnen, mit allen drei Maßnahmen zusammen wären 4,0 zusätzliche Jahre zu erwarten.

Die Wissenschaftler planen, demnächst eine App zur Berechnung der Lebenserwartung anzubieten. Damit soll auch eine genauere Eingabe der Risikoparameter möglich werden.

Quelle: https://www.aerztezeitung.de/ - Dr. Beate Schumacher