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„Kombi-Präparate werden jetzt immer spannender“

Internist Christopher Wolf hat sich auf Kardiologie und Diabetes-Behandlung spezialisiert. Der sportliche Mediziner setzt große Hoffnung auf die Kombination moderner Präparate und einen Wirkstoff, der sich als besonders effektiv erweist.

Von Elisabeth Schneyder

Im Grunde ist der Mann, der mehrere Spezialfächer ausübt, auch selbst Ergebnis einer außergewöhnlichen Kombination: Geboren auf der schönen Insel Malta, von der seine Mutter stammt. Aufgewachsen in Wiesbaden, der deutschen Heimat seines Vaters. Und seit 2006 in Wien zu Hause – wo der inzwischen 52jährige Internist Christopher Wolf auch in Zukunft bleiben möchte, wie er sagt: „In Österreich – und vor allem in Wien – hat man diese wunderschöne Mischung aus südländischem Lebensgefühl und deutscher Korrektheit“.

Als Oberarzt der Wiener Privatklinik Döbling und Leiter des interventionellen Herzkatheter-Labors am Donauspital bemüht sich der Sohn eines Chemikers und einer Hausfrau seit Jahren vor allem um Patienten mit Herzleiden und Diabetes, denn: „Beides liegt eng zusammen, weil Diabetiker sehr oft mit stark geschädigten Herzarterien zur Behandlung kommen“.

Arzt zu werden beschloss Christopher Wolf schon mit 17, als der Beruf im Rahmen einer schulischen Beratung beschrieben wurde. Sein erstes, großes Interesse galt dem Lebensmuskel Herz: „Ein faszinierendes Organ, das zum Beispiel auch in einer Nährlösung alleine weiterschlagen und funktionieren kann – ganz ohne Input vom Hirn! Umgekehrt ginge das nie“, konstatiert der begeisterte Freizeitsportler heiter. Das Interesse an Diabetes folgte auf dem Fuß, weil „sich die beiden Gebiete so stark überschneiden“. Die Zahl der Diabetiker, die sich mit Herzproblemen an den Mediziner wandten, war – und ist – enorm: „Da muss man sich einfach auch mit diesem Fachgebiet beschäftigen, um zu wissen, wie man am besten helfen kann“.

Nach seiner Promotion an der Frankfurter Goethe Universität zog es Christopher Wolf zuerst zur Fortbildung an die New York Universtity, dann an die kalifornische UCLA und nach Harvard, ehe es den engagierten Kardiologen nach Wien verschlug und er sich hier einen Namen als „Diabetes-Spezialist mit Herz“ machte.

Seine Philosophie basiert auf einer weiteren, höchst erfolgreichen „Kombination“: Ernährung mit Fokus auf durchdacht geringe Kohlenhydratzufuhr, Sport und Bewegung gehören ebenso dazu, wie der Kampf gegen gesundheitsgefährdendes Übergewicht. Alles, um das Herz zu stärken und Bluthochdruck, überhöhte Cholesterinwerte und Diabetes im Zaum zu halten.

Vor allem in der Diabetes-Therapie ist das Thema „Kombination“ bei Wolf bestimmend. Denn, so der Spezialist: „Ich glaube, die Kombinationspräparate werden jetzt sehr spannend. Da, wo man jetzt überlegt, ob man die SGLT2- mit den Neprilysin-Inhibitoren kombinieren kann“.

"Kombi-Präparate werden uns einen riesigen Schritt nach vorne bringen"

Die diabetische Herzinsuffizienz sei ein extrem wichtiges Thema. Denn Diabetiker mit Herzinsuffizienz haben es, wie Wolf betont, besonders schwer und „stehen viel schlechter da, als Herzinsuffizienz-Patienten ohne Diabetes“. Inzwischen verfügbare Kombinationspräparate versprechen hier entscheidende Verbesserung, erklärt der Experte: „Sie werden uns einen riesigen Schritt nach vorne bringen, obwohl wir das von den SGLT2-Inhibitoren ja gar nicht erwartet hatten – zumindest nicht, dass das Empagliflozin so extrem gut abschneiden würde“.

Eine weitere signifikante Verbesserung erwartet sich Wolf von GLP1-Rezeptoragonisten, die in Tablettenform verordnet werden können, statt wie bisher injiziert werden zu müssen.

Und dann ist da auch noch ein Wirkstoff, dessen Therapieerfolg den Internisten besonders begeistert: Liraglutid. Das entsprechende Medikament sei nämlich ganz besonders effizient und löse das Problem der eingeschränkten Nierenfunktion, die bei Behandlung mit SGLT2-Inhibitoren ein Problem darstellt: „Victoza ist geradezu mein Lieblingspräparat. Diabetiker sind leider sehr oft nierenkrank. Da wird es schwierig mit der Einstellung. Mit Victoza habe ich hier deutlich bessere Karten. Bei gewichtsadaptierter Therapie muss man sehr genau auf die Dosierung achten. Das ist bei den SGLT2-Inhibitoren nicht möglich. Mit Victoza hingegen haben wir nicht so starke Abweichungen“.

Auch bei Kindern, bei denen krankhaftes Übergewicht (Adipositas) zusehends Thema ist, biete Liraglutid große Vorteile, berichtet Wolf: „Schließlich sehen wir all die Benefits ja schon allein durch die Gewichtsreduktion. Wir hatten eine Studie an jungen Erwachsenen in Los Angeles. Wenn diese durch Victoza 20 Kilo abgenommen hatten, rutschen sie danach auch ohne das Präparat in einen normalen HbA1c-Wert“.

Als mögliche Kontraindikationen nennt der Mediziner Überempfindlichkeiten gegenüber der Substanz, Laktatazidose oder Probleme mit der Magenentleerung. Natürlich müsse man bei der Kombination mit Insulin vorsichtig sein und genau auf die Dosierung achten.

Allerdings: „Bisher gilt, dass der Patient oral ausgereizt sein und einen HbA1c-Wert von über 7,0 haben soll, damit Victoza in Frage kommt. Es ist aber auch ein Umbruch im Gange, weil man sieht, dass dieses Präparat die kardiovaskuläre Mortalität gesenkt hat – genauso wie das Empagliflozin. Deshalb finde ich, dass man es bei Patienten mit kardiovaskulärem Risiko ganz nach oben reihen sollte. Metformin ist immer noch Nummer eins. Aber wenn ein Patient bereits Metformin hat, dann kommt Victoza bei mir an ganz hoher Stelle“.

Die Patienten können dieses Präparat unterschiedlich dosieren. Ob die Therapie eingehalten wird, lasse sich etwa durch Fragen zu etwaigen Nebenwirkungen klären: „Hat der Patient keine Nebenwirkungen und tut sich auch beim Gewicht ewig nichts, muss man davon ausgehen, dass er es vermutlich doch nicht nimmt. Dann besprechen wir, ob er vielleicht Probleme mit Übelkeit hat, weil das ja immer ein limitierender Faktor ist“. Meist wüssten die Patienten nicht, ob sie Magen- oder Pankreas-Schäden haben. Ob sie mit Übelkeit ringen, sei jedoch leicht herauszufinden. Eine Nebenwirkung, die mit Liraglutid laut Wolf allerdings seltener auftritt als bei anderen GLP1-Analoga. Und damit nicht genug: „Besonders spannend finde ich, dass Liraglutid in den USA jetzt auch für Nicht-Diabetiker zugelassen worden ist – rein zur Behandlung der Adipositas, weil es so ungeheuer effektiv ist“.

"Spreche ich dann einmal das ,böse’ Thema Insulin an, ist der HbA1c drei Monate später doch bei 6,5"


Woran Therapietreue allgemein am ehesten scheitert, analysiert Christopher Wolf so: „In der Regel will man, dass der diabetische Patient seinen HbA1c erreicht. Ich habe aber Patienten, die schaffen es rein der Ernährung wegen nicht – und nicht wegen der Medikamente, die sie bekommen. Spreche ich dann einmal das ,böse’ Thema Insulin an, ist der HbA1c drei Monate später doch bei 6,5. Verschlechtert es sich dann doch wieder, liegt das meistens an der Ernährung. Die Patienten wissen, dass sie an etwas Gefährlichem laborieren und hätten gerne allein durch die Blutzuckermessungen bessere Werte, auch wenn sie mal nicht alles einhalten“. Das Hauptproblem liege in der Regel bei Ernährungsumstellung und Lebensstil-Modifikation. Denn beides falle (nicht nur) Diabetikern besonders schwer.

Was diesfalls helfen könne, seien strukturierte Bewegungs- und Lebensstilmodifikations-Programme. Doch würden diese leider von manchen Betroffenen abgelehnt. Wolf: „Vielleicht wissen nicht alle, dass diese Programme existieren. Aber wir merken auch immer wieder, dass das Thema einer Anschlussheilbehandlung nicht von allen gewünscht wird – obwohl es eine der besten Interventionen ist“.

Auch in Sachen Information und Aufklärung ließen sich bei genauerer Nachfrage in der Ordination häufig Lücken feststellen: „Fragt man Patienten, wie das denn appliziert wird oder wie sie ihren Blutzucker kontrollieren, merkt man, dass viele da gar nicht sicher sind. Vom System Broteinheiten ist man ja wieder ein bisschen weggekommen. Aber auch die Applikation von Medikamenten ist oft nicht so ganz klar“, bedauert Wolf – und betont die Wichtigkeit sorgsamer Arzt-Patienten-Kommunikation.

Word-Rap mit Dr. Christopher Wolf:

Was hilft Ihnen, sich vom Alltag zu entspannen?

Ich gehe gern Laufen oder Radfahren, wenn möglich im Freien. Wenn es das Wetter nicht zulässt – so ab fünf Grad ist’s mir zu kalt –  gehe ich ins Fitness-Studio. Ich versuche jeden Tag Sport zu machen. Habe ich 24 Stunden Dienst, muss ich’s halt vor der Arbeit tun. Um sechs Uhr aufstehen, um sieben beim Sport und um acht bei der Arbeit sein – das geht sich schon aus. Man muss ja nicht jeden Abend ausgehen. Tut man’s nur dreimal die Woche, ist es dann vielleicht sogar lustiger.

Was macht Sie glücklich?

Zeit mit lieben Menschen.

Ihr Lebensmotto?
Oh... habe ich eines? Jeder möchte zufrieden sein. Dazu gehört manchmal auch, dass man sich ein bisschen beschränkt und nicht immer aus dem Vollen schöpft, um eine Wohlfühl-Balance zwischen Arbeit und Freizeit zu erreichen. Auf die Gesundheit achten. Das dient auch der Lebensqualität.

Ihr größtes Talent?

Hm, Moment: Vielleicht Diplomatie?

Ihr größter „Fehler“?

Ungeduld – auch mit mir selbst! Ich möchte immer alles sofort wissen und können. Jetzt habe ich gerade Französisch gelernt und das ging mir nicht schnell genug!

Welche Eigenschaften schätzen Sie bei anderen Menschen besonders?

Ehrlichkeit und Pünktlichkeit.

Was ärgert Sie am meisten?

Ignoranz.

Über welche natürliche Gabe würden Sie gern verfügen?

Ich wäre gern ein Sprachtalent. Beim Singen ist bei mir leider Hopfen und Malz verloren.

Was ist Ihr größter Traum?

Viel Zeit am Meer zu verbringen.

Welches ist Ihre größte Hoffnung für die Zukunft?

Dass wir bald ganz entscheidende Sprünge in der Onkologie und der Alzheimerforschung machen. Es sieht so aus, als würde es möglich sein, bald bahnbrechende Medikamente zu bekommen. Das wäre so schön!