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Kindergetränke im SIPCAN Check: 40 Prozent sind deutlich zu süß

Experten appellieren an die Hersteller und insbesondere auch an die Eltern, Werbeaussagen und Verpackungen kritisch zu prüfen.

(Wien/Salzburg) Spezielle Kinderlebensmittel mit vielversprechenden Botschaften findet man nicht nur im Milch- oder Müsliregal, sondern sind auch bei Getränken weit verbreitet. Um eine Übersicht zu schaffen, hat das vorsorgemedizinische Institut SIPCAN über 500 Produkte gecheckt. Das Ergebnis: Etwa jedes zehnte Getränk richtet sich speziell an Kinder. 40 Prozent sind deutlich zu süß. Kindergetränke sind im Durchschnitt sogar süßer als das gesamte Getränkeangebot. Die Experten appellieren an die Hersteller und insbesondere auch an die Eltern, Werbeaussagen und Verpackungen kritisch zu prüfen sowie auf die Verpackungsgröße zu achten.

Ob Fruchtmus-Quetschies, Kinderjoghurts oder Milchriegel – mittlerweile gibt es unter den Lebensmitteln eine breite Produktpalette speziell für die Kleinen. Auffällige bunte Verpackungen, dazu oft kleine Spielsachen und lustige Botschaften lassen Kinderherzen höherschlagen. Auch Eltern greifen gerne zu, in der Hoffnung ihren Kindern damit etwas besonders Gutes zu tun. Denn laut Werbeaussagen ist die Zusammensetzung ja „genau an die Bedürfnisse der Kinder angepasst“.

Dass dies häufig nicht so ist und viele Produkte sogar besonders fett- und zuckerreich oder beliebig mit Vitaminen oder Mineralstoffen angereichert sind, zeigten bereits immer wieder Untersuchungen von Ernährungsgesellschaften oder Konsumentenschutzorganisationen. Dazu kommen oft künstliche Zusatzstoffe und Aromen, die für eine gute Entwicklung des kindlichen Geschmackssinns wenig förderlich sind. Überteuerte Preise im Vergleich zu herkömmlichen Produkten tun ihr Übriges. Viele Produkte eignen sich nicht als gesunde Zwischenmahlzeiten, sondern sind eher den Süßigkeiten zuzuordnen.

Auch im Produktsegment der Getränke gibt es spezielle Produkte für Kinder. „Gerade bei Kindergetränken ist ein prüfender, kritischer Blick auf die Verpackung unbedingt nötig, denn neben ausreichendem Trinken ist die Wahl von geeigneten Durstlöschern für die Entwicklung eines gesunden Trinkverhaltens bei Kindern und Jugendlichen von enormer Bedeutung. Viele Studien zeigen, dass ein häufiger Konsum zuckerreicher Getränke das Risiko für Übergewicht und Adipositas schon bei Kindern erhöht.“ warnt Univ.-Prof. Dir. Dr. Friedrich Hoppichler, Vorstand des präventivmedizinischen Instituts SIPCAN und Ärztlicher Direktor des öffentlichen Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in Salzburg. SIPCAN untersuchte im Rahmen seiner jährlichen Erhebung des Getränkeangebots am österreichischen Markt besonders das aktuelle Angebot an Kindergetränken.

Kindergetränke süßer als herkömmliche Getränke

Die Erhebung von insgesamt 514 Getränken zeigte, dass sich mehr als jedes zehnte Getränk (11%) gezielt an die Konsumentengruppe der „Kinder“ richtet. „Wir haben diese 57 Produkte genau unter die Lupe genommen: Der durchschnittliche Zuckergehalt aller Kindergetränke liegt bei 6,25 Gramm pro 100 Milliliter. Sie sind damit im Durchschnitt etwas süßer als das Gesamtangebot der Getränke mit einem Zuckergehalt von 6,06 Gramm.“ so Studienleiter Dr. Manuel Schätzer von SIPCAN.

Zieht man das für eine gute Getränkewahl empfehlenswerte Orientierungskriterium von maximal 6,7 Gramm Zucker pro 100 Milliliter (inkl. natürlich enthaltenem Zucker) sowie das Fehlen von Süßstoffen heran, so zeigte sich erfreulicherweise: Immerhin 34 Produkte, das sind rund 60 Prozent der erhobenen Kindergetränke, entsprechen diesen Kriterien. Das heißt aber dennoch: Die anderen 23 Produkte (40 Prozent) sind definitiv viel zu süß. Sie enthalten im Durchschnitt zwei Stück Würfelzucker pro 100 Milliliter (7,6 Gramm), mit Maximalwerten bis zu 9,5 Gramm Zucker. Das sind vier bis sechs Stück Würfelzucker in einer Flasche Kindergetränk mit 200 bis 300 Milliliter.

Drei Kindergetränke enthalten sogar Süßstoffe, obwohl diese besonders für Kinder abzulehnen sind. „Der Ersatz von Zucker durch Süßstoffe ist keine zufriedenstellende Lösung, da sich auch Kinder gerade beim Trinken langfristig an möglichst wenig Süße gewöhnen sollen.“ so die studiendurchführende Diätologin Nadine Moser von SIPCAN.

Das Gesamtangebot im Vergleich

Betrachtet man das Gesamtangebot der Getränke, so entsprechen 55,1 Prozent (283 von 514 Produkte) den Orientierungskriterien (max. 6,7 g Zucker pro 100 ml sowie keine Süßstoffe). Dies ist etwas weniger als bei den Kindergetränken (59,7 Prozent). Hier kommt zum Tragen, dass der Anteil an Produkten mit Süßstoffen bei 11,5 Prozent liegt. Positiv ist jedoch, dass dieser Anteil im Vergleich zum letzten Jahr (12,1 Prozent) gesunken ist.

„Bemerkenswert ist, dass sieben Prozent aller Getränke einen Zuckergehalt von weniger als 1 Gramm pro 100 Milliliter „schaffen“, und das, obwohl keine Süßstoffe enthalten sind“, freut sich die Diätologin. „Während es bei den „Erwachsenenprodukten“ einige Produkte mit 0 Gramm Zucker ohne Zusatz von Süßstoffen gibt, wie aromatisiertes Wasser, gibt es bei den Kinderprodukten leider nur ein solches Produkt. Bei den Kinderprodukten gibt es dafür viele gespritzte Fruchtsäfte, was sehr erfreulich ist. Das empfohlene „Spritzverhältnis“ von 1:3, sprich ein Teil Saft plus drei Teile Wasser, wird dabei allerdings von den meisten überschritten.“ so Moser.

Im Gegensatz dazu liegen am anderen Ende der „Zuckerskala“ sechs Prozent aller Getränke bei mindestens 10 Gramm Zucker pro 100 Milliliter. Bedenkt man, dass 50 Gramm Zucker pro Tag von der WHO als maximale Tagesgrenze für Erwachsene empfohlen wird, so erreicht bzw. überschreitet man diesen Wert bereits bei einem Konsum von nur einer einzigen 500 Milliliter Flasche.

Optimierung der Getränke und Verpackungen

Die aus präventivmedizinischer Sicht empfehlenswerte Reduktion des Zuckergehalts in Getränken stagniert seit 2021 und liegt seither bei knapp über sechs Gramm pro 100 Milliliter. Viele positive Beispiele zeigen, dass eine weitere Optimierung des Getränkeangebots aber noch möglich ist. Dies gilt gerade auch für Getränke, die speziell an Kinder gerichtet sind. „Eine wichtige Maßnahme wäre auch, Kindergetränke in wieder verschließbaren Gebinden anzubieten. In unserer Erhebung waren mehr als die Hälfte der Getränke (30 Produkte bzw. 52,60 Prozent) nicht wieder zu verschließen. Gerade bei süßeren Getränken könnte dadurch die Portionsgröße und damit auch die aufgenommene Zuckermenge verkleinert werden.“ so Studienleiter Schätzer.

Der Appell der Expert*Innen von SIPCAN richtet sich aber besonders auch an die Eltern, die die Getränkeauswahl bei jüngeren Kindern maßgeblich beeinflussen: „Machen Sie Wasser von Anfang an zum Durstlöscher Nummer 1 im Alltag sowie am Familientisch und genießen Sie zuckerhaltige Getränke in angemessenen Portionsgrößen und nur ab oder zu oder bei speziellen Anlässen. Besonders bei Kinderlebensmitteln lohnt es sich, Werbeaussagen und Verpackungen kritisch zu prüfen.“ empfiehlt Diätologin Nadine Moser. Ganz einfach geht dies mit dem online Getränke-Check von SIPCAN auf: www.sipcan.at/getraenke-check

Hintergrundinformationen:

Zuckerreduktion wird bei SIPCAN großgeschrieben

Das vorsorgemedizinische Institut SIPCAN (Special Institute for Preventive Cardiology And Nutrition) ist seit langem für sein Engagement zur Zuckerreduktion bekannt. Seit 2010 recherchieren die Expert*innen den Zucker-, Süßstoff- und Fettgehalt in Getränken, Milchprodukten, Müslis & Cerealien sowie in Milchalternativen am österreichischen Markt, um diesen für Konsument*innen transparent und vergleichbar zu machen. Gleichzeitig wird das langfristige Ziel verfolgt, durch konkrete Orientierungskriterien die Süße in den Produkten schrittweise zu senken. Ein Erfolgsfaktor dafür ist der gute Austausch mit Handel und Industrie, besonders auch mit den engagierten Mitgliedern der von SIPCAN wissenschaftlich begleiteten zucker-raus-initiative.at.

Orientierungskriterien für eine gute Getränkewahl

Die so genannten „Orientierungskriterien“ wurden als praxistaugliche Hilfestellung für Konsument*innen von den SIPCAN-Expert*innen in Anlehnung an die entsprechenden Kriterien der WHO und der DACH-Referenzwerte festgelegt und mit den Bundesministerien für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz abgestimmt. Diese lauten, dass Getränke maximal 6,7 Gramm Zucker pro 100 Milliliter (inkl. natürlich enthaltenem Zucker) und keine Süßstoffe enthalten sollen.

Der Getränke-Check ist auch Bestandteil der Leitlinie Schulbuffet und des Maßnahmenkataloges im Nationalen Aktionsplan Ernährung (NAP.e).

Online Getränke-Check und praktische APP

SIPCAN möchte die gesündere Wahl zur leichteren machen. Als Service-Angebot können daher alle Produkte online oder mit Hilfe einer App gesucht und die Ergebnisse verglichen werden. Umfassende Download-Dokumente listen alle Produkte nach dem Namen oder Zuckergehalt auf und beinhalten umfassende Hintergrundinformationen und Empfehlungen. Alle Infos finden sich auf:  www.sipcan.at/zuckerreduktion

Über SIPCAN

SIPCAN wurde als Initiative für ein gesundes Leben im Jahr 2005 gegründet. Als unabhängiges, präventivmedizinisches Institut wird SIPCAN von einem nationalen, wissenschaftlichen ExpertInnen-Gremium aus medizinischen und angrenzenden Fachbereichen (Innere Medizin, Kardiologie, Diabetologie, Ernährungswissenschaften, Sozialmedizin usw.) unterstützt. Die Schwerpunkte von SIPCAN liegen in den Bereichen Gesundheitsförderung in Schulen und Betrieben sowie Forschung und Wissenschaft.