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Kinder mit Diabetes: Ruf nach Gesundheitskräften in Schule und Kita

Der Kinderdiabetologe Professor Andreas Neu aus Tübingen fordert mehr Unterstützung für zuckerkranke Kinder und Jugendliche. Besonders in Schulen und Kitas fehle es an Hilfen, um die Erkrankung zu bewältigen.

(Wiesbaden, 8.11.2021) - Von den Kindern und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes erreichen nur etwa 30 Prozent die in den Leitlinien empfohlenen Therapieziele. Das hat DDG-Präsident Professor Andreas Neu bei einer Pressekonferenz anlässlich der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaften für Diabetes (DDG) und Adipositas (DAG) berichtet.

Die Defizite seien dabei weder durch die Behandlungsteams noch durch die Kinder und Jugendlichen bedingt. Vielmehr seien viele Minderjährigen mit dem Management der Therapie in ihrem Umfeld überfordert und bräuchten Unterstützung, betont der Diabetologe von der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Tübingen.

Diabetes: Von morgens bis abends sind Entscheidungen zu treffen

„Der Diabetes ist immer da, zu Hause, in der Schule und in der Kita“, sagte Neu, und überall müsse das Kind darauf reagieren. Besucht es zum Beispiel eine Ganztagsschule, wird dreimal täglich gegessen. Dabei muss in der Regel der Blutzucker gemessen und Insulin gespritzt werden. Viele weitere Entscheidungen muss das Kind tagtäglich treffen: Kann ich den Bus nehmen oder muss ich abgeholt werden? Kann ich jetzt Sport machen? Darf ich jetzt essen? Vor allem Sondersituationen wie Ausflüge oder Sportereignisse bereiten große Schwierigkeiten.

Neu betonte: „Kindergarten und Schule sind in aller Regel nicht auf die Bedürfnisse chronisch kranker Kinder ausgerichtet. Das pädagogische Personal ist mit dieser Zusatzaufgabe oft überfordert“. Um die Heranwachsenden zu unterstützen und ihre Inklusion in der Schule zu fördern, fordert der Diabetologe flächendeckend Schulgesundheitsfachkräfte vor allem an Grundschulen. Dies werde in Nachbarländern bereits praktiziert.

Hinderliche Bürokratie

Weitere Barrieren seien bürokratiebedingt. Neu gab ein Beispiel: Jeder dritte Antrag auf eine Insulinpumpe bei einem Heranwachsenden werde zunächst abgelehnt. Wird Widerspruch eingelegt, seien Informationen nachzureichen. So dauere es vier bis sechs Monate, bis ein Patient die Pumpe nützen könne. Empfohlene Therapien müssten auch ohne große Hürden zur Verfügung gestellt werden, fordert der Pädiater.

Darüber hinaus brauchen zuckerkranke Kinder und Jugendliche psychosoziale Unterstützung. Betroffenen muss vermittelt werden, wie sie sich ihren Ängsten stellen und ihre Erkrankung ins tägliche Leben integrieren können.

Auch hier gebe es große Defizite: „Behandlungsteams in Praxen und Kliniken verfügen häufig weder über entsprechendes Personal, noch gibt es ausreichend psychotherapeutische Anlaufstellen“, sagte der Kinderdiabetologe. Und: Bei sechs Monaten Wartezeit mache eine Therapie keinen Sinn mehr. Es seien deshalb mehr auf Diabetes spezialisierte Psychotherapeuten nötig, und diese müssten im ambulanten Bereich auch ihre Leistungen vergütet bekommen.

Quelle: https://www.aerztezeitung.de/