Keine Hypos bei den Hippos – mit Diabetes im afrikanischen Busch
Sambia, Botswana und Namibia: 2500 Kilometer rund ums Okavango-Delta
Von Peter P. Hopfinger
Marion, eine deutsche Diabetesschwester, war entsetzt: „Das würde ich meinen Patienten nie zumuten.“ Brigitte, eine Apothekerin aus Enns, wusste immerhin: „Ja, ich hab schon davon gehört, dass gut eingestellte Diabetiker auch auf den Mount Everest klettern. Warum also nicht Afrika?“ Am Ende einer zweiwöchigen Rundreise durch Zambia, Botswana und Namibia waren auch die Skeptiker überzeugt: Keine Hypos bei den Hippos - auch insulinpflichtige Diabetiker können 2.500 Kilometer Busch bereisen. Und dabei Natur pur erleben
Wir trafen einander zum ersten Mal in der nach dem legendären englischen Forscher benannten Stadt Livingstone in Sambia in der Waterfront-Lodge direkt am Sambesi-Fluss. Manfred und Marion – er Arzt, sie Krankenschwester mit Schwerpunkt Diabetes, Ingrid und Michaela, zwei Damen aus der Versicherungsbranche, Werner und Brigitte - er Ingenieur, sie die erwähnte Apothekerin, Doris und Erik – ein weit gereistes, sehr jugendliches Pensionistenpaar und Reinhard, genannt „Rhino“, unser aus Bayern stammender Guide.
Reinhard ist auch der Fahrer unseres buschtauglichen Vehikels, eines Toyota Landcruiser 4x4 mit fast Rundumverglasung und samt Anhänger, mit dem wir uns in 14 Tagen rund 2.500 Kilometer durch den afrikanischen Busch auf Sandpisten, durch Flussfurten, über endlose gerade Landstraßen und natürlich auch in vereinzelten Städten bewegen.
Der Toyota hat zwei 80-Liter-Tanks, dafür aber keinen Kofferraum. Unser Gepäck ist deshalb auf rund zwölf Kilo pro Person beschränkt und das ist gut so. Denn unsere Botswana Breakaway Tour ist eine Semi-Partizipations-Safari, was im Klartext soviel bedeutet, dass alle Teilnehmer zum guten Gelingen auch höchst persönlich beitragen sollen. Das bedeutet nicht nur, dass täglich das Gepäck auf dem Dach des Toyota festgezurrt wird (ein 20-Kilo-Schalenkoffer wäre nicht nur unhandlich, sondern sogar gefährlich), sondern dass man auch selbst sein Zelt aufstellt, beim Essenmachen und natürlich auch beim Abwasch hilft.
Für faule Allerweltsurlauber, die nur am Strand oder am Pool liegen möchten, ist so eine Art von Abenteuer natürlich nichts. Aber die sehen und erleben dafür auch nicht einmal im Ansatz das, was ich in den 14 Tagen im afrikanischen Busch erleben durfte.
Von Livingstone in den Chobe Nationalpark von Botswana zu den Baobabs
Bereits am ersten Tag bin ich froh, dass ich mich an die Tipps für Diabetiker auf Reisen gehalten habe. Ich habe nicht nur alle meine notwendigen Utensilien (Insulin, Nadeln, Messgerät, Stechhilfen und Traubenzucker) bei mir, sondern auch mein restliches Gepäck. Zwei in Europa eingecheckte Gepäckstücke haben den langen Weg nach Livingstone nicht geschafft. Noch hoffen die zwei Pechvögel, dass sich das Missgeschick in ein, zwei Tagen in Wohlgefallen auflösen wird, doch es sollte eine Woche dauern, bis die vermissten Gepäckstücke wieder auftauchen sollten.
Wir besteigen jedenfalls unser Vehikel und beginnen unsere Reise. Schon nach relativ kurzer Fahrt sind wir bei einer Stelle des allgegenwärtigen Sambezi-Flusses, an der zwei Fähren ihren gemächlichen Dienst versehen. Sehr Vertrauen erweckend sehen sie zwar nicht aus, aber mangels anderer Möglichkeiten und auch weil so viele andere Fahrzeuge auf eine Überfahrt warten sind wir froh, dass „Rhino“ die Überfuhr in für afrikanische Verhältnisse „rasendem Tempo“ von 20 Minuten erledigt. Was wir hier zum ersten Mal als Lehre fürs Leben mitnehmen: Gott hat die Zeit geschaffen, von Pünktlichkeit oder gar Eile hat er nichts erwähnt. Trotzdem sind wir nach knapp zwei Stunden bereits am ersten Etappenziel angekommen: im Toro Camp am Chobe River.
Verständlich, dass wir´s damit nicht bewenden lassen, sondern gleich zu einer ausgiebigen Bootsfahrt auf dem Chobe aufbrechen. Der Chobe Nationalpark ist etwa eineinhalb mal so groß wie Korsika und ein wahres Eldorado für Elefanten, Löwen; Flusspferde, Antilopen, Kudus und viele andere Tierarten.
Alleine über 440 verschiedene Vogelarten leben in diesem Refugium der Natur. Und tatsächlich hat man mit dem Boot eine der bequemsten Möglichkeiten, die unterschiedlichsten Tiere am Wasser zu erleben. Große 60 Tiere zählende Elefantenherden – im Park leben mehr als 90.000 Tiere – die gemeinsam zum Trinken kommen. Einzelne Bullen, die den Fluss überqueren und sich dabei ebenso wenig von uns Touristen beim Fressen stören lassen, wie ein paar halbwüchsige Löwen beim Trinken.
Letzteren rücken die Touristenautos so dicht auf den Pelz, dass man die Großkatzen wegen ihres Gleichmuts bewundert. Aber augenscheinlich sind sie gerade satt gefressen und so haben wir die Gelegenheit hunderte Fotos von den stattlichen Tieren zu schießen. Krokodile, Nilpferde, Kudus und jede Menge hübscher Vögel werden bei diesem Ausflug weit unter ihrem Wert geschlagen.
Erstmals erleben wir dann auch bei der Rückfahrt die unbeschreiblichen Sonnenuntergänge, die in Afrika zu bestaunen sind. Unmittelbar nach dem die Sonne verschwunden ist, wird es empfindlich kalt und man ist froh, wenigstens einen warmen Pullover mitgebracht zu haben. Zur Zeit meines Besuches im Juni ist auf der südlichen Hälfte natürlich Winterzeit. Das hat einerseits den Vorteil, dass für Europäer das Klima erträglich und die Zahl der Moskitos verschwindend gering ist. Andererseits gibt es bemerkenswerte Temperaturunterschiede zu dieser Jahreszeit. Allabendlich am Lagerfeuer sieht man den Atem und mittags in der prallen Sonne freut man sich über den Fahrtwind, sofern die Autopisten nicht zu staubig sind.
Erstaunlich: mitten im Busch gibt es dann auf einmal ein Camp wie die Toro Lodge mit Pool und Bar und direkt an den Ufern des Chobe gelegen. Wer dort kein Chalet sondern ein Zelt bewohnt, sollte freilich jedes Mal vor die „Haustür“ sehen, bevor er es verlässt. Es wäre sonst gut möglich, dass er einem Flusspferd gegenüber steht.
Am nächsten Morgen steht eine 410 Kilometer lange Etappe Richtung Süden an. Unser Ziel ist die Planet Baobab Lodge und obwohl auch die Makgadikgadi-Pfanne – ein vor ein paar 1000 Jahren ausgetrockneter See – dank ihrer unendlichen Weite -ihren Reiz hat, sind es doch letztendlich die Baobab-Bäume, in unseren Breiten als Affenbrotbaum bekannt, die mich komplett in ihren Bann ziehen.
Baobabs entsprechen dem, was afrikanische Legenden erzählen. Ihnen zufolge wurde bei der Erschaffung der Welt jedem Tier eine Pflanze in die Obhut gegeben. Die Hyäne bekam den Baobab und ärgerte sich darüber derart, dass sie ihn verkehrt in den Boden steckte. Tatsächlich sieht jeder dieser seltsamen Bäume, die mehr als 4.000 Jahre alt werden und über 40 Meter Umfang messen können, wie eine kopfüber in den Boden gerammte Karotte aus. Allerdings ist sein Nutzen um vieles größer. Er besteht zu 75 Prozent aus Wasser und Buschmänner verstanden auch, wie man Honig oder auch Wasser aus ihm gewinnt. Zur Ernte wilden Honigs führte ihn ein Vogel, zum Wasser, das in natürlichen Vertiefungen des Baobabs schön kühl bleibt, eine Klettertour und viel Erfahrung.
Die Rinde lässt sich zu Seilen oder Netzen verarbeiten und ist ein Gegenmittel zu dem aus seinem Harz gewonnenen Gift, das der Buschmann zur Jagd verwendet. Seine Blätter werden zu einer Art Spinat verarbeitet und aus seinen Früchten entsteht – Nomen est Omen – eine Art Brot. Weil er nicht wie andere Bäume einen Kern hat, sondern oft im Inneren hohl ist, ist er nicht nur ein idealer Nistplatz für Vögel, Fledermäuse oder auch Schlangen, sondern mitunter auch ein willkommener Unterschlupf falls man von einem wütenden Nashorn attackiert wird.
Die englischen Kolonialisten entwickelten seine Geräumigkeit während des 1. Weltkrieges sogar noch weiter. In einem Baobab installierten sie eine Toilette, einen anderen versahen sie mit Gitterstäben und funktionierten ihn zum Gefängnis um und in Transvaal wurde in einem Baobab sogar eine Bar namens Murchinson Club etabliert.
Auch heute können die seltsamen Bäume sogar königliche Gemüter in Stimmung bringen. Die berühmteste Gruppe von Baobab-Bäumen heißt nach dem englischen Maler Thomas Baines, der sie 1862 malte. Sein Werk begeisterte Englands Thronfolger Prinz Charles so sehr, dass er vor einigen Jahren nach Afrika flog, um die Baines Baobabs mit königlicher Hand und Wasserfarben noch einmal zu malen.
Zurück zum einfachen Volk. Immer wieder muss unser kleiner Trupp samt seinem fahrbaren Untersatz Seuchenteppiche überqueren. Das kann an Grenzen sein oder auch irgendwo nach 200 Kilometern schnurgerader Straße. An der Effizienz darf freilich gezweifelt werden, aber da man in Afrika große Hungersnöte kennt, hat man wahrscheinlich zu Recht Angst ums liebe Vieh. Immerhin, die Segnungen der chemischen Industrie hat man auf diesem Weg schon kennengelernt. Apropos Segnungen der Zivilisation: wer sich auf diesen Trip begibt, muss über weite Strecken ohne Handy-Empfang, ohne Fernseher und ohne Internet auskommen. Mitunter ist sogar der elektrische Strom nur zeitweise aus dem Generator zu haben. Trotzdem kann man hier erkennen, dass Afrika im 21. Jahrhundert angekommen ist. Denn neben traditionellen Dörfern aus den Hölzern des Landes findet sich mitunter ein Autofriedhof und die Segnungen der Erdölindustrie sind in Form von Plastiksesseln oder auch aus Kunststoff gefertigten „Einbäumen“ auch in entlegenen Wickeln des schwarzen Kontinents zu finden.
Tipps für Menschen mit Diabetes
Lesen Sie zunächst unsere Reisetipps für Menschen mit Diabetes. Für die vier von mir bereisten Länder Südafrika, Sambia, Botswana und Namibia gilt:
In den Städten finden Sie Apotheken und Krankenhäuser oder private Kliniken, in denen – selbstverständlich meist gegen Bargeld – alle gängigen Medikamente (Insulin aber auch orale Antidiabetika) zu haben sind.
Man sollte aber in jedem Fall Reserven der persönlichen Medikamente dabei haben, da – wie in der Geschichte erwähnt – in Afrika ein anderes Zeitgefühl vorherrscht. D.h. Flüge, Züge, Schiffe o.ä. haben zwar einen Zeitplan, der ist aber alles andere als fix. Ein Kühlsystem (wie etwa Frio) ist ratsam, weil es zwar meist kühles Trinkwasser, aber nicht überall Strom und Kühlschränke gibt.
Ein Tipp – nicht nur für Menschen mit Diabetes: Batterien für Foto- oder Filmapparate sollte man mehr als ausreichend mithaben, da auch Spar-Supermärkte mangels Nachfrage nicht immer Nachschub haben. Besonders clever war in meiner Truppe der deutsche Mediziner Manfred. Er reiste nicht nur mit einem weltweit funktionierenden GPS-Gerät, das alle unsere Routen dokumentierte, sondern auch mit einem Batterie-Ladegerät, das die Energie aus der Sonne bezog.
Der Reiseveranstalter Travel to Nature empfiehlt außerdem die Mitnahme von:
• Taschenlampen
• Dollars in Cash
• Moskitoschutz
• Impfungen gegen Tetanus und Hepatitis
• Malariaprophilaxe
• Wasserflasche
• Windjacke
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