Kappadokien – Ein Kunstwerk der Natur
Kappadokien – UNESCO Weltkultur- und Naturerbe
Von Veronika Kub
Als der französische Forscher Paul Lucas 1712 von einer Reise nach "Natolia" zurückkehrte, berichtete er: "Ich bin schon weit gereist, aber etwas Ähnliches habe ich noch nie gesehen. Tausende von Felspyramiden, manche sehen aus wie Hüte, manche wie knieende Frauen, nackt und in anzüglichen Posen." Sonnenkönig Ludwig XIV., der ihn geschickt hatte, strich ihm wegen dieser unglaublichen Schilderungen erstmal alle künftigen Reisespesen. Lucas indes hatte mit seiner Vermutung recht: Eine Felsenlandschaft wie die Kappadokiens ist wirklich einmalig auf der Welt.
Unterirdische Labyrinthe, bizarre Felsnadeln und gigantische Vulkane: Eine Landschaft wie Kappadokien ließ sogar die Bibel vor der zentralanatolischen Region warnen: „Wer sie bereist, wird im wahrsten Sinne von der Erde verschluckt.“
Schon früh siedelten Menschen in dieser mystischen Region, die sich zwar durch besondere Fruchtbarkeit auszeichnete, jedoch als schroff und gefährlich galt. Hier lebten die "rohesten Menschen auf Erden", heißt es in der Bibel, in der Antike galten die Bewohner als wild und unberechenbar: Wenn eine Schlange einen Kappadokier biss, so erzählte man sich, starb die Schlange. Andererseits lobten antike Schriften nicht nur die Schönheit der kappadokischen Frauen, sondern auch die der Pferde. Der Name der Region geht vermutlich auf das persische "Katpadukya" zurück – das "Land der schönen Pferde".
Vor einigen Millionen Jahren brodelte die Erde zwischen den heutigen Städten Kayseri, Aksaray und Nigde in Zentralanatolien. Bis ins zweite Jahrtausend vor Christus hinein überzogen die Vulkane Erciyes und Hasan das Land mit Lava und Tuffasche. Der Auswurf verdichtete sich über Jahrhunderte zu Gestein unterschiedlicher Härtegrade. Nachdem die Vulkane erloschen waren, nahmen Wind und Wasser ihre Arbeit auf. Regenfälle und Flussläufe wuschen die Felsen aus, gruben sich in die unteren, weichen Gesteinsschichten, ließen die härteren stehen und schufen so die Mützenberge und Riesenpilze. Die Türken nennen sie getreu ihres märchenhaften Aussehens peri bacalar, "Feenkamine".
Das organische Gesamtkunstwerk ist noch heute nicht fertig. Der Reisende merkt das vor allem an dem Staub, der ständig seine Schuhe füllt. Vorausgesetzt, er läuft. Die meisten, die nach Kappadokien kommen, fahren. Mit großen und kleinen Bussen reisen sie durch dieses nur 95 Quadratkilometer große Gebiet, von einem Aussichtspunkt zum nächsten, um das seit 1985 von der UNESCO ausgewiesene Natur- und Kulturerbe zu bestaunen. Jeder neue Stopp garantiert einen spektakulären Blick, allerdings umrahmt von Souvenirständen und Teebuden.
Die Menschen, die hier wohnen, haben die Landschaft Kappadokiens geformt, untergraben und ausgehöhlt. Bis in die fünfziger Jahre waren die Felsen ihre Behausungen. Der Stein ist weich, lässt sich mit einfachem Werkzeug bearbeiten und isoliert perfekt. Im Sommer bleiben die Wohnhöhlen angenehm kühl, in den frostigen Wintern des anatolischen Hochlands hält der Berg die Temperatur bei 10 bis 15 Grad.
Die unterirdischen Städte in der Region zählen zu den herausragenden Sehenswürdigkeiten der Türkei. Einige Archäologen datieren ihre Entstehung in die Zeit der Hethiter vor 4000 Jahren, doch erst christliche Bewohner gaben ihnen ihre heutige Form. Zum Schutz vor Überfällen persischer und arabischer Heere sowie vor byzantinischen Bilderstürmern verkrochen sie sich vermutlich zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert im wahrsten Sinne unter die Erde und schlugen über 30 dunkle Städte aus dem Fels.
Allein in der größten und eindrucksvollsten dieser Behausungen, unter dem Dorf Derinkuyu gelegen, konnten sich mehrere tausend Menschen bis zu sechs Monate lang verstecken und ihrem Alttagsleben nachgehen. Dank Zisternen und einem ausgeklügelten System von Belüftungsschächten, das bis auf den heutigen Tag funktioniert, wurden Mensch und Vieh mit Wasser und Luft versorgt. "Die Leute hatten hier alles, was sie zum Leben brauchten – sogar ein 'Telefon'", erklärt Mesut, unser Guide. "Durch kleine Röhren zwischen den Stockwerken riefen sie sich Nachrichten zu." Es entstanden Räume, man verband sie mit Treppen und Gängen. Im Licht von Fackeln und Öllampen entstand so ein einmaliges Wunderwerk der Menschheit. Die Archäologen haben bis heute erst ca. 10 Etagen freilegen können. Vermutungen lassen darauf schließen, dass hier einst 16.000 bis 20.000 Menschen in einer unterirdischen Stadt mit 20 Etagen gelebt haben könnten.
Ballonfahren ist sicherlich einer der Höhepunkt einer Kappadokien-Reise. Nirgends hat man eine eindrucksvollere Kulisse für eine solche Fahrt und es gibt sicher keine bessere Möglichkeit, diese eindrucksvolle Landschaft zu bestaunen.
Unwirklich schön ist die Landschaft in Kappadokien fast überall. Die Grenze zwischen Phantasie und Wirklichkeit scheint aufgehoben. Und da wundert es nicht, dass 250 Jahre nach Paul Lucas sein Namensvetter George Lucas von diesem Wunderwerk der Natur so angetan war, dass er Szenen seines Fantasy-Abenteuers „Krieg der Sterne“ hier im Herzen der Türkei gedreht hat.
Heute bestaunen 600.000 Touristen im Jahr die Stein gewordene Wunderwelt, dennoch ist Kappadokien immer noch ein Geheimtipp.
Diese bizzare Landschaft, einer der faszinierendsten Regionen der Welt, kann man, ohne sie gesehen zu haben, nicht verstehen. Und kann sie nie wieder vergessen, wenn man sie gesehen hat.
Göreme
Das Areal aus der Blütezeit des Byzantinischen Reiches diente den Mönchsgemeinschaften des frühen Mittelalters als Wirkungsstätte. In den Felswänden und freistehenden Kegeln entstanden zahlreiche Kirchen und 4 Klosteranlagen, deren Architektur und Ausmalung einzigartig sind und die von der UNESCO auf die Liste des Weltkulturerbes gesetzt wurden.
Zelve
Wann in der drei Täler umfassenden Ruinenstätte Zelve das Höhlenleben in den Felsen begonnen hat, ist unbekannt. In dem bis 1952 besiedelten Tal befinden sich außer den Felsenkirchen und -kapellen noch Felsenwohnungen, eine Windmühle, eine Moschee und Taubenschläge.
Uçhisar
Von hier aus hat man einen wunderbaren Blick auf das Uçhisar-Tal und die Umgebung. Von der Spitze des Burgbergs von Uçhisar bietet sich ein grandioses Panorama und man kann bis hin zum fast 4.000 m hohen erloschenen Vulkan Erciyes blicken.
Derinkuyu
Im Jahre 1963 wurde diese unterirdische Stadt mit acht Stockwerken entdeckt, in der sich bei Gefahr 20.000 Menschen in den Kirchen und Tunnels vor Feinden schützen konnte. Ein 9 km langer Tunnel verbindet Derinkuyu mit einer weiteren unterirdischen Stadt, Kaymaklýy.
TIPP: Die Krankenversorgung in der Türkei ist gut. Die medizinische Versorgung auf dem Land ist allerdings meist mit Europa nicht zu vergleichen. Zahlreiche türkische Ärzte und Zahnärzte, vor allem in den großen Krankenhäusern, sprechen eine Fremdsprache. Eine individuelle Reiseapotheke sollte mitgenommen und unterwegs den Temperaturen entsprechend gekühlt werden.
Notarzt Türkei: Tel.: 112
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