Insuline: schnell, schneller, ultraschnell
Von Mag. Christopher Waxenegger*
Die moderne Diabetestherapie kann seit mittlerweile mehr als 20 Jahren auf die schnellwirksamen Analoginsuline Insulin aspart (NovoRapid®), Insulin lispro (Humalog®) und Insulin glulisin (Apidra®) zurückgreifen. Damit ist es möglich, die körpereigene Insulinwirkung ziemlich gut zu imitieren und einen annähernd natürlichen Blutzuckerverlauf zu gewährleisten. Dennoch kämpfen viele Menschen mit Diabetes nach wie vor mit Blutzuckerspitzen kurz nach dem Essen.
Die Lösung für dieses Problem sind die sogenannten ultraschnellwirksamen Insuline der zweiten Generation faster-acting Insulin aspart (Fiasp®) und ultra-rapid Insulin lispro (Lyumjev®).
Für wen sind ultraschnellwirksame Insuline interessant?
Im gesunden menschlichen Körper wird Insulin innerhalb kürzester Zeit nach der Nahrungsaufnahme in die Blutbahn abgegeben und damit Glukose in die Zellen aufgenommen. Diese Freisetzung geschieht in Schüben und einzelne Insulinmoleküle werden schon nach fünf Minuten wieder abgebaut. Somit ist der Körper in der Lage, rasch und effektiv auf Änderungen des Blutzuckerspiegels zu reagieren und diesen innerhalb enger Grenzen zu halten. Mit dem fast nicht mehr gebräuchlichen Humaninsulin hingegen tritt die Wirkung erst nach ein bis zwei Stunden ein, bei den Analoginsulinen immerhin nach ungefähr einer halben Stunde, womit man der physiologischen Insulinwirkung bereits viel näher kommt.
Insbesondere nach Einführung der kontinuierlichen Blutzuckermessung fiel auf, dass einige Diabetiker, trotz Analoginsuline, deutliche Blutzuckerspitzen direkt nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit entwickeln. Diese Spitzenwerte haben einen großen Einfluss auf den Hba1c-Wert, welcher sehr sensibel auf kurzfristig stark erhöhte Werte reagiert. So kann es durchaus vorkommen, dass ungeachtet guter mittlerer Blutzuckerwerte, der Hba1c nicht wie gewünscht gesenkt werden kann. Und genau hier setzen die modernen ultraschnellwirksamen Insuline an.
Fiasp® - Das erste Insulin einer neuen Generation
Das erste ultraschnellwirksame Insulin wurde von der Firma Novo Nordisk entwickelt und im Jahr 2017 auf den österreichischen Markt gebracht. 2019 erfolgte die generelle Zulassung für Kinder ab dem ersten Lebensjahr, womit Fiasp® ab diesem Zeitpunkt verschrieben und auch in der Schwangerschaft und Stillzeit durchgehend verwendet werden kann. Das neue Insulin eignet sich neben der klassischen PEN-Therapie ebenfalls für die Insulinpumpentherapie. Es wird jedoch empfohlen, bei der Umstellung von Analoginsulinen auf das schneller wirksame Fiasp®, vor allem zu Beginn die Blutzuckerwerte genau im Auge zu behalten, um bei Bedarf etwaige Änderungen an der Basalrate sowie dem Bolus-Korrekturfaktor vornehmen zu können und Unterzuckerungen zu vermeiden.
Doch wie funktioniert der beschleunigte Wirkungseintritt genau? Fiasp® enthält im Gegensatz zu Insulin aspart zwei Zusatzstoffe, Niacinamid und die Aminosäure L-Arginin. Dabei fördert Niacinamid die lokale Durchblutung, wodurch das Insulin besser aufgenommen werden kann, während L-Arginin als Stabilisator fungiert. Untersuchungen haben gezeigt, dass Fiasp® zu einer vergleichbaren Blutzuckersenkung wie Insulin aspart führt, selbst wenn es erst 20 Minuten nach dem Essen verabreicht wird. Dadurch können Blutzuckeranstiege reduziert und der Hba1c gesenkt werden.
Lyumjev® - Optimiertes Insulin lispro
Im Juni dieses Jahres wurde das zweite ultraschnellwirksame Insulin in Europa und den USA zugelassen. Dieses Mal handelt es sich um einen Abkömmling von Insulin lispro. Lyumjev® wurde in den klinischen Studien PRONTO-T1D und PRONTO-T2D mit normalen Insulin lispro verglichen. Die Zulassung beschränkt sich derzeit auf Diabetiker, die älter als 18 Jahre alt sind, unabhängig von Schwangerschaft und Stillzeit. Bis Lyumjev® auch bei uns in Österreich erhältlich ist, lohnt sich in der Zwischenzeit womöglich ein kurzer Blick auf seine Zusammensetzung. Es ist Citrat, das Salz der Zitronensäure, beigesetzt, welches die Permeabilität von Insulin lispro erhöht und Treprostenil, ein Prostazyklinderivat, das die lokalen Gefäße, für einen besseren Abtransport des Insulins aus dem Unterhautfettgewebe, erweitert.
Ausblick in die Zukunft
Mit den neuen kurzwirksamen Insulinen der zweiten Generation, ist man dem Ziel einer möglichst physiologischen Insulinwirkung wieder ein großes Stück näher gerückt. Speziell Diabetiker mit ausgeprägten Blutzuckeranstiegen nach dem Essen profitieren von den neuen Insulinen und können damit niedrigere Hba1c-Werte erreichen. Die im Zuge der kontinuierlichen Glukosemessung zunehmende praktische Bedeutung der glykämischen Variabilität, ist sicherlich ein weiterer Grund die Verwendung von derartigen ultraschnellwirksamen Insulinen in Betracht zu ziehen.
*Christopher Waxenegger ist Pharmazeut, Fach-Autor und Typ-1 Diabetiker.
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