„In Kreta sinkt mein Insulin-Bedarf rapide“
Von Elisabeth Schneyder - 1.3.2019
Einen Zuckertest hat der heute 63-Jährige erst im Jahr 2000 gemacht – eigentlich eher noch aus Jux. Obwohl: Die Mutter merkte schon ein Weilchen früher an, dass ihr Sohn „zu viel säuft“. Und es war keineswegs sein Alkoholkonsum, der die aufmerksame Frau ein gesundheitliches Problem vermuten ließ.
Sie sollte recht behalten:
Der Streifen-Check zeigte erhöhte Werte und Willy Zwerger sah sich – wenn auch überrascht – gezwungen, eine Ärztin aufzusuchen: „Ich hatte ja überhaupt keine Beschwerden!“ Doch dann ging alles ziemlich fix: „Die Internistin schickte mich zum Spezialisten, zu Prof. Ludvik. Der meinte, ,bleiben Sie zwei, drei Tage. Wir stellen Sie ein’. Ich hab’ mich bestens aufgehoben gefühlt und hatte eine angenehme Zeit dabei“.
So geschehen im Februar 2000 – mit äußerst erfreulicher Folge, wie Willy Zwerger zufrieden feststellt: „Inzwischen habe ich einen HbA1c Wert von 6,0. Das ist gut“.
Das ist es in der Tat. Und der stellvertretende Chefredakteur des Handelsmagazins „Cash“ fühlt sich seither auch so: „Wenn man die Diagnose akzeptiert und damit leben lernt, kann man sehr gut damit zurechtkommen. Ich habe ein Messgerät, werde jetzt einen neuen Sensor testen, spritze morgens Langzeitinsulin und dann ,schnelles’ zum Essen je nach Broteinheiten. Das klappt alles eigentlich ganz locker“.
Auch im Arbeitsalltag, weil Zwerger seinen Diabetes nicht verschweigt und seine Kollegen Bescheid wissen: „Es ist wichtig, dass das Umfeld informiert ist. Wenn wir zum Beispiel wieder einmal Lebensmittel zum Testen in die Redaktion bekommen und ich unbedacht zugreife, fragen die anderen oft besorgt, ob ich das denn überhaupt darf. Gut so, weil ich’s im Stress mitunter doch vergesse“.
Unachtsamkeit sei’s auch gewesen, die Willy Zwerger eine große Zehe kostete. Dem Diabetes will er da nur „Teilschuld“ geben, weil: „Ich hatte schon drei Jahre lang eine Wunde am Zeh. Mal war sie offen, dann wieder zu. Deshalb hab’ ich das nicht so ernst genommen“. Erst als der Hausarzt von „Lebensgefahr“ sprach, wandte sich Zwerger – damals noch mit einem HbA1c-Wert von 8 – an einen Gefäßspezialisten: „Der sah es anfangs auch noch lockerer. Aber nach einer Beobachtungszeit hieß es dann doch ,weg damit, bevor der Knochen angegriffen wird’“.
Zwerger nahm’s gelassen: „Ich vermisse die Zehe nicht. Durch meine Polyneuropathie hatte ich dort ohnehin schon kein Gefühl mehr. Und mit meinem Spezialschuh merke ich auch gar nicht, dass da etwas fehlt“.
Dass wohl nie ein Läufer aus ihm werden wird, war dem Vater zweier erwachsener Söhne schließlich auch zuvor schon klar. Sport war sowieso nie das bevorzugte Hobby des studierten Handels- und Wirtschaftspädagogen: „Ich war immer leicht übergewichtig und bin es noch. Lang gehen oder laufen kann ich schon wegen zwei verpfuschter Hüftoperationen und wegen meines Charcot-Fußes nicht“. Radfahren allerdings „wäre eine gute Idee“, sinniert Zwerger, und überlegt, sich ein Ergometerrad anzuschaffen. Denn dass Bewegung wichtig für ihn wäre, weiß er wohl.
In Sachen Ernährung gilt der lebensfrohe Wiener in seinem Bekanntenkreis längst als Experte. Nicht nur, weil die Beurteilung von Lebensmitteln Teil seiner journalistischen Arbeit ist, sondern auch, weil er seine Essgewohnheiten seit der Diagnose bereits mehrfach angepasst hat: „Ernährungsphysiologische Zusammenhänge kenne ich sehr gut, weil ich viel mit Warenkunde zu tun habe. Außerdem bin ich in Reichenau an der Rax in einer Greisslerei aufgewachsen und habe das Kochen schon als Kind von meiner Oma gelernt. Ich weiß, was mir guttut: Wenig Kohlenhydrate! Und beispielsweise eine Kombination aus Fisch und Gemüse“.
Im Arbeitsalltag ohne Probleme auszukommen sei trotzdem nicht so leicht, schildert Zwerger: „Da wird es öfters schwierig mit der Sättigung, weil man dann oft mehr isst, falsch isst, oder zur falschen Zeit. Tagsüber komm ich nicht dazu, mich optimal zu ernähren, aber abends gehört der Kühlschrank mir! Im Stress fehlen Zeit und Möglichkeit. Und der Stress wirkt auch verfälschend auf die Werte“.
Macht der Alltag jedoch Pause und sind qualitätsvolle Produkte zur Hand, „entspannt“ sich auch der Diabetes, ist Willy Zwerger überzeugt: „Es gibt ein interessantes Phänomen: Ich bin regelmäßig auf Süd-Kreta und reduziere dort den Insulinbedarf jedes Mal auf ein Drittel, obwohl ich für meine Begriffe ganz normal esse – weil das dort ganz andere Lebensmittel sind. Außerdem: Die Luft, die Atmosphäre! Kaufe und esse ich das Gleiche hier in Wien, funktioniert das leider trotzdem nicht. Das Umfeld spielt also sicher auch eine Rolle“.
Dass das, was für ihn selbst passt, nicht allen Diabetikern gleichermaßen weiterhilft, weiß der Mann, der seit jeher gerne Bücher, Kabarett- und Liedtexte sowie Theaterstücke schreibt, aus Erfahrung: „Mir hilft es, Kohlenhydrate wegzulassen. Viele andere sehen sich dann aber rasch mit Unterzuckerung konfrontiert“. Es sei also essenziell, sich mit dem Diabetes zu befassen und selbst herauszufinden, was guttut, rät Zwerger – und freut sich, dass er in der Altersteilzeit weniger Stress und mehr Zeit für jene Dinge haben wird, die er schon seit den 1980er Jahren mit Begeisterung betreibt: Stücke schreiben, Regie führen, Theaterspielen... und weitere Bücher verfassen, die – wie die bisherigen – nichts mit Diabetes zu tun haben.