„Ich hatte Riesenglück!“ - Dr. Angelika Heißl – vom Diabetes-Kid zur Aktivistin
Von Elisabeth Schneyder – 01.01.2019
Angelika Heißl war erst ein Jahr alt, als der Diabetes mit gefährlicher Wucht in ihr Leben trat. Dass es ihr heute gut geht, verdankt sie einer streitbaren Ärztin – und der modernen Medizin, die inzwischen viel bessere Hilfsmittel bietet.
„Dass ich damals überlebt habe, verdanke ich einer engagierten Ärztin, die mir die richtige Behandlung verschafft hat“, schildert die heute 29-jährige Typ-1-Diabetikerin aus Gmunden. Und hört man, wie es im Jahr 1990 zu ihrer Diagnose kam, gibt man ihr augenblicklich recht: Das vorher stämmige und aufgeweckte kleine Mädchen wurde mager, nahm über eine Woche lang keine Nahrung mehr auf und verlor die Hälfte seines Körpergewichts.
Als sich auch noch übermäßiger Durst einstellte und Klein-Angelika immer apathischer wurde, suchten die erschrockenen Eltern ärztlichen Rat. Kein einfaches Unterfangen zu einer Zeit, als Diabetes bei Kindern noch selten war und kaum ein Mediziner im ländlichen Raum Erfahrung mit den entsprechenden Symptomen hatte: „Von meinen Eltern weiß ich, dass ich bereits im Koma lag, als ich ins Spital kam“, schildert Heißl – und ist jener Ärztin, die dann doch die korrekte Diagnose stellte und allen Widersprüchen ihrer Kollegenschaft zum Trotz für die passende Therapie sorgte bis heute unendlich dankbar: „Ich hatte ein Riesen-Glück. Die 1.600 Milligramm Zucker pro Deziliter stehen sogar im Mutter-Kind-Pass. Nach den ersten Insulinspritzen ging es mir rasch besser. Später wurde ich dann von der großartigen Schwester Ulli Humpel im Kinderspital in Salzburg gut geschult und bekam im Jahr 2000 als eine der ersten Jugendlichen eine Insulinpumpe“.
Der Diabetes wurde allerdings auch zu einer Art Motor für Angelika Heißls beruflichen Werdegang: „Ich habe mich schon in der ersten Klasse Volksschule für die Biologie der Zelle interessiert. Ein Medizinstudium hab’ ich mir wegen des Zuckers zwar nicht zugetraut, aber Biologie war damit von Anfang an meine erste Wahl“.
Diesen Wunsch hat sich die Landwirtstochter auch erfüllt – obwohl die Schulzeit für sie alles andere als leicht ausfiel: „Da gab’s so viele Vorurteile! Es hieß, ich hätte Diabetes, weil ich eben zu viel Zucker gegessen oder einfach nicht auf mich aufgepasst habe. Motto: Selber schuld“.
Und die Gleichaltrigen ließen’s das Mädchen spüren, schnitten ihm aus Jux das Kabel der Insulinpumpe durch, nannten es „Insulin-Junkie“ und mobbten gnadenlos. „Ich höre auch heute noch, dass so etwas nicht selten ist. Aber ich denke, wie mit diabetischen Kindern umgegangen wird, hängt stark vom jeweiligen Klassenverband ab“, sinniert Heißl.
Ihr selbst geht’s heute bestens. Sie sieht den Diabetes als „Begleiter, aber nicht als Dominator“ und ist hochzufrieden mit den Hilfsmitteln, die die moderne Medizin bietet: „Ich habe eine Medtronic G640 Pumpe, verwende Novorapid, bekomme demnächst einen Eversense Sensor und komme sehr gut zurecht. Meine Chefin und die Kollegen wissen Bescheid und nehmen Rücksicht, wenn ich einmal ausfallen muss, was zum Glück sehr selten vorkommt“. Und will Angelika Heißl, die inzwischen auch im Vorstand der Österreichischen Diabetikervereinigung (ÖDV) aktiv ist, einmal nicht, dass jemand von ihrem Diabetes weiß, dann merkt auch niemand, dass sie ihn hat.
Ihr Rat an andere Betroffene lautet: „Bleibt hartnäckig! Auch wenn’s oft mühsam ist: Es lohnt sich irgendwann!“
Heißls Werdegang ist der beste Beweis dafür: Aus dem schwerkranken Kleinkind und der gepiesackten Schülerin ist inzwischen eine versierte Molekularbiologin geworden, die inzwischen ihren Doktortitel in der Tasche hat, an der Uni Linz arbeitet und zuvor auch schon an der Pennsylvania State University tätig war. Derzeit erforscht sie etwa gemeinsam mit der IVF-Klinik in Linz, wie sich menschliche Gene verändern. Das Ziel: Neue Erkenntnisse über erblich bedingte Erkrankungen – zum Beispiel auch Diabetes.