„Ich dachte, der Arzt irrt sich bestimmt“
Von Elisabeth Schneyder - 1.2.2019
„Bis zum vergangenen Sommer war Weißbrot mein Hauptnahrungsmittel. Sie wissen schon: Baguette!“, lacht Mongi Aouay über die Theke seines gemütlichen Wiener Restaurants. Die Diagnose, die er 2018 nach einer Vorsorgeuntersuchung bekam, hielt er anfangs für einen glatten Irrtum, weil ihn keinerlei Beschwerden plagten: „Mein ganzes bisheriges Leben war ich der einzige in meiner großen Familie, der keinen Diabetes hatte. Ich war überzeugt, dass ich die Ausnahme – quasi das Wunder – bin und bleiben werde“.
Aouay, der seine Diabetes Typ-2 Diagnose schlicht nicht glauben konnte, holte sich eine zweite Meinung bei einem anderen Mediziner. Dass er kurz darauf wegen des erschreckend hohen HbA1c-Wertes von 11 (!!) umgehend in dessen Ordination zitiert wurde, kam allerdings wie ein Weckruf: „Der Arzt sagte, ich könnte daran sterben. Da war mir klar: Ich muss jetzt handeln“.
Gesagt, getan. Was folgte, war das wahre Wunder: Der schlanke, quirlige Wirt stellte seine Ernährung um. Ohne großen Verzicht und Quälerei. Ohne dass ein einziger Gast etwas bemerkt hätte. Und doch so, dass er zwei Monate später einen HbA1c von acht aufwies und vier Monate darauf nur noch ein HbA1c von sechs gemessen wurde. „Mein Arzt konnte es fast nicht glauben. Aber meine Ernährungsberaterin hat mir geholfen und ich habe es geschafft, dass ich außer zweimal täglich Metformin nichts nehmen oder machen muss. Es geht mir gut“, strahlt Mongi Aouay.
Mit regelmäßigen Kontrollen seiner Werte durch den Arzt ist es für ihn getan. Und er fügt fröhlich hinzu: „Die 10.000 Schritte pro Tag sind auch kein Problem für mich“. Natürlich nicht: Ist man – wie er – sieben Tage pro Woche von früh bis spät Koch, Servierkraft, Bar-Mann, Einkäufer und Chef in Personalunion, kann kaum Bewegungsmangel aufkommen.
Teil 1 der Erfolgsgeschichte: Vom Abwäscher zum Meisterkoch.
In Wien ansässigen Freunden erstklassiger französischer Küche ist Monsieur Mongi’s kleines Lokal „La Cuisine“ in der Döblinger Silbergasse 7 ein Begriff. Denn was der unermüdliche Chef hier Tag für Tag auf nur zwei Kochplatten vollbringt, kann getrost als kulinarische Sensation bezeichnet werden: Feinste Gaumenfreuden, stets frisch zubereitet aus Zutaten von höchster Qualität, gesund und edler angerichtet als in jedem Luxus-Restaurant.
Kein Wunder. Der im tunesischen Sfax geborene, in Frankreich aufgewachsene und seit 1992 in Wien lebende Mongi Aouay hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Entdeckt hat er sie vor vielen Jahren eher zufällig – beim Nebenjob in einem Restaurant, mit dem sich der zielstrebige Medizinstudent als Abwäscher ein Zubrot verdiente.
So kam es auch, dass Mongi Aouay kein großes Drama daraus machte, dass es ihm selbst und seiner Familie nicht möglich war, ihm die Vollendung seines Studiums zu finanzieren. Er wechselte in die Hotelfachschule, absolvierte diese mit Bravour, startete seine Karriere als Koch in Hotels und Restaurants in Besançon und Montpellier – und wurde 1992 von einer renommierten Gastro-Gruppe nach Wien geholt. Nach 15 Jahren Erfahrung als gefragter Küchenmeister in Top-Lokalen der Bundeshauptstadt wagte Auoay den Schritt in die Selbständigkeit und eröffnete 2007 sein eigenes, kleines Restaurant in der Silbergasse.
Der Erfolg gab ihm recht: Die Schar der Stammgäste wuchs rasch. 2012 konnte er das „La Cuisine“ vergrößern. Nur: Die Küche leider nicht. Aus bautechnischen Gründen, weshalb Monsieur Mongi für die Zubereitung seiner köstlichen Gerichte bis heute nur zwei Kochplatten zur Verfügung hat. Kein Problem: Er hat’s allzeit im Griff – auch wenn das Lokal voll Gäste ist.
Teil 2 der Erfolgsgeschichte: Top-Koch und fitter Diabetiker.
Die rasante Verbesserung seiner Zuckerwerte ließ Ärzte und Berater staunen. Am weitgehenden Verzicht aufs für Franzosen sonst so unverzichtbare Baguette alleine kann’s kaum gelegen sein. Und dass ein Wirt ab und zu auch mit Gästen anstößt, liegt auf der Hand.
Wie er den Diabetes dennoch „auf kleiner Flamme“ hält, beschreibt Mongi Aouay so: „Wenn ich zu jedem Glas Alkohol ebenso viel Wasser trinke, ist alles gut. Statt Weißbrot esse ich jetzt Vollkorn. Und ich genieße viel Gemüse, Suppe und Salat“. Zum Frühstück gönnt sich der Gastronom fettfreies Joghurt mit Beeren, Leinsamen oder Walnüssen. Mittags gibt’s Suppe mit viel Gemüse und gern mit magerem Hühnerfleisch. Abends dann große, bunte Salate, gegrilltes Gemüse und etwas Hartkäse. Allerdings: „Ein bisschen Sättigungsbeilage muss sein, sonst ist man den ganzen Tag über hungrig“. Eine Scheibe Vollkornbrot oder eine kleine Portion gekochte Kartoffeln sind also mit dabei. Fett und Zucker hingegen lässt der Meisterkoch weitgehend aus, „von kleinen Sünden abgesehen“.
Und fragt ein Gast des „La Cuisine“ um ein Gericht, das Diabetiker sorgenfrei bestellen können, zaubert Monsieur Mongi – wie sonst auch gern auf Vorbestellung – Gewünschtes passend auf den Tisch: „Man braucht ja nur zu wissen, worum es geht. Dann gibt es vieles, was schmeckt und keine Probleme macht“.
Rezept-Tipp aus Mongi Aouay’s „La Cuisine“: Krautsuppe für Diabetiker (4 Portionen)
Ein Kilo Kraut (frisch und dünn geschnitten), zwei mittelgroße Zwiebeln (geschnitten), Hühnerfleisch (mager, in Streifen geschnitten, maximal 250 Gramm), kaltgepresstes Olivenöl, Salz, Pfeffer, Safran, Muskat, Kräuter.
Die Zwiebeln in Öl anrösten, Fleisch hinzufügen und ebenfalls anrösten.
Kraut hinzufügen, alles kurz rösten lassen.
Mit zwei Litern Wasser aufgießen, mit Salz, Pfeffer, Safran, Muskat und Kräutern (nach Geschmack) würzen.
Ca. 45 Minuten kochen lassen.
Mit etwas Olivenöl verfeinert bzw. garniert servieren.
Beilage: Eine Scheibe Vollkornbrot.