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Hund, Katze, Kaninchen & Co.: Wenn die Süßen „Zucker“ haben...

Auch Tiere sind vor Diabetes nicht gefeit. Veterinärin Katharina Reitl von der tierärztlichen Ordination „Tiergarten Schönbrunn“ im Gespräch über sinnvolle Prävention und erfolgreiche Behandlung.

Von Elisabeth Schneyder - 1.3.2019

 

Durchaus passend, hier das Wiener Sprichwort „Wie der Herr, so sein G’scher“ zu bemühen. Denn wie beim Menschen steigt auch die Zahl der tierischen Diabetiker merkbar an. Vor allem bei Hund und Katze im urbanen Raum, wie Tierärztin Katharina Reitl schildert: „Das hat viel mit Bewegungsmangel, Übergewicht und Futter zu tun. Auch die Symptome sind die gleichen wie bei Menschen – von großem Durst und häufigem Wasserlassen bis zu Mattigkeit und unerklärlichem, raschem Gewichtsverlust“. Katzen neigen, so die Expertin, eher zu Diabetes Typ-2, während bei Hunden Typ-1 dominiert.

Allerdings: Jedes Tier kann Diabetes bekommen. Bei vielen Wildtierarten ist natürlich recht wenig bis nichts über diese Erkrankung bekannt, weil die Diagnose schwierig bis unmöglich ist. Bei Tieren in Menschenobhut erkranken neben Kaninchen, Meerschweinchen, Chinchilla oder Degu* (bei denen die Krankheit bereits gut beschrieben ist) somit auch exotischere Tier wie Affen oder auch Reptilien.

Häufigkeit und mögliche Behandlung variieren bei allen Lebewesen mit Nahrungspräferenz, Lebensraum und Lebensstil: Großkatzen etwa haben als Fleischfresser ein höchst geringes Risiko, an Diabetes zu erkranken. Beim Reh im Wald wird es höchst selten zur entsprechenden Diagnose kommen. Und hätte ein Flusspferd im Zoo doch auch einmal zu hohe Zuckerwerte, würden seine dicke Haut und sein Unverständnis für die notwendigen Manipulationen kaum eine effektive Therapie gestatten.

m Wiener Tiergarten Schönbrunn gibt es derzeit keine diabetischen Bewohner. Zum Glück, wie Veterinärin Reitl aufatmend betont: „Bei Wildtieren ist schon das Messen ein Problem – von der Behandlung ganz zu schweigen. Ich weiß zum Beispiel vom Fall eines Krallenaffen. Die Werte mussten in Narkose gemessen werden. Weil Stress bzw. Narkosen den Blutzucker hochschnellen lässt und somit weniger aussagekräftig macht und die Narkosen an sich belastend sind, können die Werte nicht in den nötigen Abständen kontrolliert werden. Glücklicherweise konnte hier aber eine gute Lebensqualität mit oralen Medikamenten und Fütterungsmanagement erreicht werden. Oft lassen sich die Werte auch mit speziellem Futter gut in den Griff bekommen. Bei Wildtieren ist die Insulinspritze ein schwieriges Unterfangen, weil die Medikamentengabe im Notfall nicht erst trainiert werden kann und Tiere es in der Regel nicht freiwillig akzeptieren, gestochen zu werden“.

Bei vielen der Zoo-Tiere werde ein so genanntes „Medical Training“ durchgeführt, um sie auf solche Situationen vorzubereiten und so dann stressfrei behandeln zu können. Reitl: „Für die vorangestellte Diagnostik ist dieses Training auch sehr wertvoll und erspart den Tieren Stress und eine Narkose. Auch für uns Tierärzte ist es viel angenehmer von den Tieren freiwillig diverse Proben zu bekommen!“

Wer ein Haustier mit Diabetes hat, hat deutlich leichteres Spiel. Machen sich verdächtige Symptome breit, rät die Expertin, möglichst rasch einen Tierarzt aufzusuchen: „Je eher die Behandlung begonnen wird, desto besser“. Reitls Beispiel: „Bei bis zu 50 Prozent der Katzen kann Diabetes wieder verschwinden! Ist das Tier aber chronisch erkrankt oder bereits im Koma, wenn es eingeliefert wird, wird’s schwierig. Wird hingegen rechtzeitig mit einer Insulintherapie angefangen, steigt die Chance auf Genesung deutlich, weil sich die Bauchspeicheldrüse dann meist wieder erholen kann“. Mit dem richtigen Futter und guter Einstellung können Haustiere ein schönes Leben genießen.

Was Menschen bei der Kontrolle ihrer eigenen Werte und Insulingaben unterstützt, lässt sich (unter Anleitung eines Tierarztes!) oft auch bei Hund oder Katze verwenden – bis hin zu speziellen Insulinen und Sensoren wie Freestyle Libre. Kein Spaß natürlich, dem Tierchen Insulin unter die Haut zu injizieren. Aber die meisten Tiere gewöhnen sich schnell an die Tagesroutine und freuen sich sogar darauf, wenn das Stechen mit etwas Positivem verbunden wird. Mit etwas Geduld und kleinen Belohnungen werden die erforderlichen Handlungen fürs zahme Haustier zum gewohnten Ritual. Auch eine Tagesmesskurve kann mit einem unter einem „Schal“ fixierten Messgerät ohne großen Stress für das Tier aufgezeichnet werden.

„Meist werden Tiere zwei Mal täglich gespritzt. Bei Hunden funktioniert manchmal auch die einmal tägliche Insulin-Gabe“, schildert die Expertin. Und: „Tiere bekommen ein Langzeit-Insulin, weil die routinemäßige Messung vor und nach dem Essen und die Verabreichung von kurzwirksamen Insulinen – sozusagen ,nach Bedarf’ – nicht praktikabel ist“.

Geht es um Heimtiere wie Kaninchen, Meerschweinchen, Ratte, Hamster oder Degu*, rät Katharina Reitl im Fall von Diabetes einen Spezialisten aufzusuchen: „Die Behandlung ist schwierig, weil eine sehr geringe Dosierung nötig ist und die Gefahr eines Hypos somit groß“. In solchen Fällen ist also Erfahrung gefragt.

Ebenso, wie ein Quäntchen Hausverstand: Die süße Bio-Babykarotte mag besser schmecken, schaufelt aber unnötig viel Zucker in den kleinen Organismus – obwohl der Liebling mit der groben Feldrübe genauso glücklich wäre.  „Über den jeweiligen Typ bei solchen kleinen Heimtieren ist noch nicht so viel bekannt. Zum Glück kann man den Diabetes meist mit der passenden Ernährung abfangen. Es gibt hier zwar – ebenso, wie für Hund oder Katze – Spezialfutter. Aber das ist meistens gar nicht nötig“, erklärt Reitl. Am Beispiel des Meerschweinchens zusammengefasst, bedeutet dies: Kein Obst, kein Getreide, dafür aber mehr Heu und Gemüse wie Gurke und Salat.

Auch über die Ursachen, die diese Tierchen zu Diabetikern machen, fehlt es noch an umfassendem Wissen. „Beim Degu geht man davon aus, dass zuckerhaltige Nahrung die Entstehung von Diabetes begünstigt. Aber auch der Einsatz von zuckerhaltigen Medikamenten, die zum Beispiel bei der Behandlung von häufig auftretenden Zahnproblemen verwendet werden, wird als Auslöser diskutiert“, berichtet die Medizinerin. Beim Meerschweinchen indes könnte die Stoffwechselerkrankung durchaus eine Folge der oft auftretenden Eierstockzysten sein.

„Bei Heimtieren gibt es wahrscheinlich viele nicht diagnostizierte Fälle“, bedauert Reitl. Häufigste Folgeerkrankung sei der Graue Star. Für andere Langzeitschäden sei die Lebensspanne der kleinen Lieblinge in der Regel allerdings ohnehin zu kurz.

Der wichtigste allgemeine Rat der versierten Tierärztin lautet: „Es geht darum, dem Tier ein schönes Leben zu ermöglichen. Egal, wie groß es ist oder wie seine Lebenserwartung aussieht. Sorgt der Halter gut für seinen Schützling, ist das machbar – auch mit Diabetes“.

* Diese in Chile heimische Nagetierart gilt seit einigen Jahren europaweit als begehrtes Haustier

 

Fotos: © Veronika Kub

 

Tierärztliche Ordination Tiergarten Schönbrunn

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