Guter Sex mit neuem Hüftgelenk
Menschen, die an Hüftarthrose leiden, leiden doppelt: Der Sex wird weniger, weil: Autsch! Schade. Deshalb sollte diese Problematik mehr in den Fokus rücken. Die gute Nachricht: Mit künstlichem Hüftgelenk ist in Sachen Intimleben fast alles wieder möglich.
Von Gabriele Kuhn*
Sagen wir so: Sex ist super, aber mitunter tückisch. So habe ich mich für eine KURIER-Freizeit-Kolumne mit dem Thema „Pandemie-Sex“ beschäftigt, weil die thailändischen Gesundheitsbehörden zu „Koitus mit Abstand“ rieten. Sehr kurios, weil sich jeder denkt: Wie soll das bitte gehen? Aber gut, wer sich ein wenig mit dem indischen Kamasutra auskennt, weiß, dass es tatsächlich einige Stellungen gibt, die den 1,5-Meter-Abstand gewährleisten. Das Problem: Bei den meisten sollte man superfit und superbiegsam sein, damit man nicht womöglich beim Orthopäden landet.
Apropos Orthopädie: Wie wir ja hier, bei Diabetes Austria, erfahren haben, hat der Betreiber dieser Seite, Peter P. Hopfinger, eine schmerzhafte Erfahrung mit seiner Hüfte gemacht. Erst der Bike-Unfall, dann ein neues Gelenk aus Titan. So schnell kann’s gehen. Und so schnell lernen wir, was das „danach“ bedeutet: achtsames Sitzen, achtsames Liegen, achtsames Tun. Nix schnell, schnell, sondern ganz, ganz langsam. Eine neue Erfahrung.
Aber was ist nun mit dem Sex und dieser neuen Hüfte? Nun, dazu las ich in den Orthopädisch-Unfallchirurgischen Nachrichten online ein paar mutmachende Nachrichten, vor allem, was Frauen mit künstlichem Hüftgelenk nach Arthrose betrifft. Dem geht nämlich oft ein längerer, schmerzhafter und einschränkender Weg voraus – in dessen Rahmen an ekstatischen Geschlechtsverkehr nicht zu denken ist. Nach der OP die gute Nachricht: „Ein künstliches Hüftgelenk kann die sexuelle Zufriedenheit von Frauen deutlich verbessern, wenn zuvor Beweglichkeit und Bewegungsumfang der Hüfte durch schwere Arthrose behindert und schmerzhaft waren“, heißt es in diesem Artikel. Ein Schluss, aus einer aktuell publizierten kolumbianischen Studie an 56 Frauen im Durchschnittsalter von 58 Jahren. Was gut ist, weil man zwar vieles in Betracht zieht, wenn der Hüftschmerz ein Leben verändert, aber das Sexualleben dabei kaum in den Fokus rückt. Was sich unbedingt, in Bezug auf die Indikation für eine Hüftprothese, ändern sollte, wie die AE – Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik e.V., betont: „Wer vor einer Hüftoperation steht, leidet meist an starken Schmerzen und deutlichen Bewegungseinschränkungen. Laut der American Association of Hip and Knee Surgeons (AAHKS) haben 75 Prozent der Patienten mit schmerzhafter Hüftarthrose ihre sexuelle Aktivität eingeschränkt oder sogar ganz eingestellt“, heißt es ebenso in der Geschichte. Dabei ist sexuelle Gesundheit eine wichtige Zutat für persönliches Wohlbefinden und eine gute Lebensqualität, laut Weltgesundheitsorganisation. Auch für ältere Menschen, die ja in den Augen vieler kaum mehr „sexuelle Wesen“ sind. Motto: Sex ab 60 – auch schon wurscht. Was sehr schade ist, denn es gibt kaum etwas Schöneres, wenn das mit dem Liebemachen auch noch im höheren Lebensalter gut funktioniert. Nähe, Intimität, Spaß, Beweglichkeit und Spontanität – so wunderbar. Guter Sex hält jung!
Aus Sicht der orthopädischen Chirurgie braucht es dafür das richtige Implantat, dessen optimale Positionierung und zahlreiche andere Faktoren, damit die Hüfte in allen Richtungen wieder „schwingt“, also frei beweglich ist. Dass einige Zeit nach dieser OP das Durchturnen diverser Kamasutra-Stellungen auf keinen Fall zu empfehlen ist – logisch. Alles muss erst einwachsen, alles ist noch instabil. Daher: Geduld statt triebhaften Krafteinsatz. Und ein guter Umgang mit sich selbst, indem man sehr auf etwaige Schmerzen und Grenzen achtet. In dem Artikel werden auch möglichst schonende Koitus-Positionen empfohlen: Beide Partner liegen übereinander auf dem Bauch, mit ausgestreckten Beinen. Oder sie tun’s im Stehen von hinten. „Die Missionarsstellung sollte nur mit mäßig gebeugten und geöffneten Beinen eingenommen werden. Der beliebte „Doggy-Style“ wiederum sei auch später für operierte Frauen weniger geeignet“, heißt es. Wichtig ist, dass man mit seinem Arzt ganz offen darüber spricht. Überhaupt sollten wir über Sex viel öfter sprechen – über das, was wir brauchen, was uns guttut und wonach wir uns sehnen.
*Gabriele Kuhn ist seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressortleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin der Lebensart. Seit 2017 Autorin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Und damit's nicht fad wird, schreibt sie seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox - Szenen einer Redaktionsehe" gemeinsam mit ihrem Mann Michael Hufnagl, ebenfalls Journalist. Außerdem: Autorin dreier Bücher.
Für Diabetes Austria schreibt sie Kolumnen rund ums Thema Liebe, Sex und Diabetes.
Tipp: Der Podcast „Schatzi, geht’s noch?“ vom Journalistenpaar Gabriele Kuhn und Michael Hufnagl erscheint jede zweite Woche und ist auf allen gängigen Podcast-Plattformen zu hören.