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Gute Träume beim Blick in den Ausgang

Erlebnisse eines Journalisten mit Diabetes, der sich erstmals einer Koloskopie unterzog

Von Peter Illetschko

Wer lässt sich schon gern dort reinschauen, wo in Wahrheit alles rauskommt? Wo Gesundes oder Ungesundes mehr oder weniger gut verarbeitet den Weg der Befreiung nimmt? Irgendwann einmal muss es aber sein, die Überwindung ist eine große, die Sorge, dass etwas sein kann, was nicht sein darf, mindestens ebenso.

Die Vorbesprechung zur Koloskopie wird genützt, um jede Menge Fragen zu stellen: Wie lange dauert es? Tut es weh? Muss ich dabei narkotisiert werden? Kann ich dabei munter bleiben? Darf ich dabei sehen, was Sie sehen? Wie halte ich das als Typ 1 Diabetiker durch? Wach ich dann wirklich wieder so auf, wie ich davor war?

 

Wir sehen schon: Nicht alle Fragen sind so erwachsen, wie man es von einem erwachsenen Mann mit Lebenserfahrung erwarten könnte. Was ist, wenn Sie etwas Unangenehmes finden? Die Antwort ist eindeutig: Dann wird der Polyp praktischerweise gleich abgezwickt und im Labor analysiert. Natürlich hat sich der Patient gedacht: Was tun, wenn so ein DIng entfernt wird, und sich danach als bösartig herausstellt? Die Antwort hat er sich aber selbst gegeben: Nicht zu wissen, ob etwas ist, kann keine Lösung sein. Denn wenn etwas ist, kann man frühzeitig operiert werden. Im Bekannten- und Kollegenkreis berichten viele davon: “Laß das machen, es tut nicht weh!”

Die Koloskopie wird ab dem 50. Lebensjahr zur Krebsvorsorge empfohlen. End- und Dickdarm werden dabei mit einem schlauchförmigen Gerät untersucht, an dem eine Kamera befestigt ist. Da will man in der Tat nicht munter sein, das Gefühl einen Schlauch im Körperausgang zu haben, lässt sich mit der Gabe des Narkotikums Propofol ausblenden, heißt es. Man schläft kurz und gut, träumt vielleicht von einer wilden abenteuerlichen Reise durch den Amazonas-Regenwald, und wacht dann wie ein neugeborener Held auf. So die Theorie, die das Team um die Chirurgin Dr. Katayoun Tonninger-Behadori in Wien Floridsdorf auch perfekt beschrieben hat. 

In der Praxis, auch darüber wurde man genau informiert, muss man davor auf sein Essen achten, darf keine Körndl oder anderweitig schwer Verdauliches zu sich nehmen. Eine entsprechende, in der gesamten Ordination hörbare Belehrung von wohlmeinenden Arzthelferinnen folgt nach der Vorbesprechung.

Das klingt für Zartbesaitete vielleicht so, als würde eine Kommandantin zum Patienten reden, aber in der Vorbereitung der Koloskopie braucht es keine persönliche Ansprache, da braucht es Fakten, die klar und deutlich rübergebracht werden müssen.

Und das bedeutet auch: In der Vorbereitung muss man ein Abführmittel zu sich nehmen. Das schmeckt nicht gut, arbeitet sich leidenschaftslos wie eine Maschine durch die Gedärme bis es zum Ziel kommt und alles, was nicht angewachsen ist, mit sich reißt - so lange, bis die menschliche Kanalisation leer ist. Dass man dabei wenig bis nichts isst, fällt dem Typ 1 Diabetiker überraschend leicht, was aber nicht heißt, dass das bei keinem Zuckerkranken Probleme macht.

Und der Appetit auf Essbares ist gering. Ehrlich: So gut hat eine Packerlsuppe schon lange nicht gemundet. Am nächsten Tag früh morgens soll der Spuk ja vorbei sein, davor noch Blutzucker messen. Aber stimmt es, dass ich keinesfalls etwas trinken oder essen sollte an diesem Morgen, wie die strenge Stimme im Vorzimmer verkündet hat? Da ist ärztlicher Rat gefragt: “Idealerweise nein, aber wenn Sie Gefahr laufen, in eine Unterzuckerung zu geraten, essen sie bitte zwei Traubenzuckerplättchen.” Das beruhigt doch einigermaßen.

Es soll schon Patienten gegeben haben, die die Zeit auf der Toilette mit der Zeit gegengerechnet habe, in der sie sich gerade nicht erleichtern mussten. Die Ergebnisse dieser persönlichen Datenanalyse sind nicht überliefern. Tatsache ist: Details zu diversen Aufenthalten am Klo will man gar nicht wissen, es ist gut, wenn es vorbei ist.

In der Ordination angekommen ist die Wartezeit kurz, dann darf man sich umkleiden und   eine Hose anziehen, die vor allem praktisch ist. Die geschlossene Seite dieser Kluft ist logischerweise vorne. Es soll schon Männer gegeben haben, die das schicke Teil verkehrt angezogen haben. Macht der Gewohnheit. Noch ein paar beruhigende Worte von Arzthelferinnen, dann muss man sich hinlegen. Ein Zugang für Propofol wird gelegt, und so schnell kann man gar nicht schauen, ist man auch schon im Reich der Träume. Der Schlaf ist kurz, aber tatsächlich tief und gut. Und danach ist zu hören, worauf man natürlich gehofft hat. Und es eigentlich eh gewusst hat, ganz im Innersten. “Alles in Ordnung, wir haben nicht einmal eine Kleinigkeit gefunden, gar nichts. Egal was Sie machen, Sie machen es richtig”, sagte Tonninger-Behadori.

Kurz noch ausruhen, denn das Propofol macht die Birne kurzzeit hohl. Und dann nach Hause. Überlieferungen zufolge soll der Patient einer nicht immer freundlich gestimmten Nachbarin - in den Nachwehen der Betäubung - ein sanft gedehntes “Hiiiiiiii!” zugerufen und dabei infantil gelächelt haben. Das ist wahrscheinlich eine gemeine Unterstellung. In sieben Jahren muss er jedenfalls wieder antreten. Und er weiß auch schon, wo er die Untersuchung machen lassen wird.

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