Skip to main content

Gehen macht fit und schlau

Wenn’s „herbstelt“ wird Spazierengehen so richtig schön. Das Gute daran: Man kann dabei Gesundheit, Laune und Gehirnleistung verbessern.

Wenn’s „herbstelt“ wird Spazierengehen so richtig schön. Das Gute daran: Man kann dabei Gesundheit, Laune und Gehirnleistung verbessern. Wissenschafterin Katharina Turecek über die überraschend vielen positiven Effekte des Gehens – und wie sie jeder für sich nützen kann.

Von Elisabeth Schneyder

 „Gehen macht gesund, glücklich und schlau“, stellt die renommierte Wiener Medizinerin Katharina Turecek fest. Was die Expertin hier in kurze Worte fasst, ist durch zahlreiche Studien belegt. Und es ist in der Tat erstaunlich, wie viele positive Effekte die eigentlich doch recht gemütliche Form körperlicher Bewegung bietet. Oder hätten Sie gewusst, dass Gehen die Gehirnleistung verbessert, Demenz und Depressionen entgegenwirkt?

Lange Zeit galt es als „Senioren-Sport“. Covid-19 hat dies jedoch rasant verändert. Denn Gehen wurde zum auch in Lockdown-Phasen offenstehenden Ausweg aus dem pandemiebedingten „Hausarrest“. Und zum Ersatzprogramm für jene, die auf gewohnte Fitness-Aktivitäten verzichten mussten. Viele marschierten gar voll Ehrgeiz los, posteten Streckenlängen, Tempo sowie Kalorienverbrauch, und vernetzten sich zwecks Wettbewerbs im Internet mit Gleichgesinnten. Die neue Lust am Gehen erfasste alle Altersgruppen. Wobei: Wie sehr und auf wie viele Arten dies tatsächlich der Gesundheit nützt, war wohl den meisten nicht einmal bewusst. Hier ein paar kurzgefasste Beispiele, die zeigen, dass in schlichtem Gehen eine Menge Power steckt.

Schutz vor Demenz. Sicher verhindern lässt sich Alzheimer-Demenz zwar leider nicht. Aber, wie Spezialistin Turecek betont: „Wir können das Risiko senken, daran zu erkranken“. Und zwar durch regelmäßiges Gehen. Weil moderate körperliche Aktivität den Ausbruch der Krankheit verzögern kann, wie Studien beweisen.

Leichter lernen. Zu Fuß zu gehen beflügelt den Kopf, macht ihn aktiv und aufnahmebereit. Sich auf „Schusters Rappen“ statt im Auto zur Schule und zur Arbeit zu begeben, macht sich also auf jeden Fall bezahlt. Dies belegen etwa Studien, bei denen Volksschulkinder mit Lese-, Schreib- und Rechenaufgaben konfrontiert wurden. Währenddessen durchgeführte Gehirnscans ergaben: Probanden, die zuvor zwanzig Minuten lang gegangen waren, schnitten deutlich besser ab als eine „sitzende“ Vergleichsgruppe. Auch viele andere Forschungsergebnisse über den Zusammenhang zwischen Bewegung und Schulerfolg kamen zum Ergebnis, dass Ausdauersportarten wie Gehen oder Radfahren das Lernen deutlich leichter machen.

Gehen gegen Depression. Ist der Pegel des Stresshormons Cortisol dauerhaft erhöht, lässt dies den Hippocampus schrumpfen und ebnet den Weg für Depressionen. Erfolgreiche Behandlung lässt ihn wieder wachsen. Und Wissenschafter stellten fest: Bewegung wirkt Depressionen entgegen und kann bereits bestehende Symptome lindern. Gehen ist also auch hier hilfreich.

Anti-Aging für den Kopf. Der Mensch verfügt über rund 86 Milliarden Nervenzellen, deren Zahl mit der Zeit durch Faktoren wie Stress und Umwelteinflüsse reduziert wird. Wird der Kopf „langsamer“, liegt dies nicht in erster Linie am Alterungsprozess: Es ist vor allem Inaktivität, die seinen Leistungskräften zusetzt. Dass Neubildung von Nervenzellen auch im erwachsenen Gehirn möglich ist, weiß die Wissenschaft bereits seit den 1990er Jahren. Allerdings, so Medizinerin Turecek: „Man wusste lange nicht, wie man diese adulte Neurogenese triggern kann“. Inzwischen gibt es auch Antwort auf diese Frage: Körperliche Aktivität steigert Lernfähigkeit und Gedächtnisleistung, weil dabei neuronale Wachstumsfaktoren ausgeschüttet werden. Diese schützen die Nervenzellen, regen aber auch das Wachstum neuer an.

Moderat statt „Marathon“. Das Schöne daran ist, dass es dazu keiner Hochleistung bedarf. Schon moderater Ausdauersport genügt, um die Neubildung von Nervenzellen auszulösen. Dies bewiesen Forscher wie Kirk Erickson von der Universität Pittsburgh in aufsehenerregenden Studien: Bei Probanden, die Krafttraining und Stretching absolviert hatten, zeigte sich ein Rückgang der Größe des Hippocampus, der in etwa dem normalen jährlichen entsprach. Bei Testpersonen, die regelmäßig gegangen waren, blieb jedoch nicht nur die übliche „Schrumpfung“ dieser Schaltzentrale aus: Das fürs Gedächtnis essenzielle Gehirnareal war sogar gewachsen.

Dass für „aktiven Lebensstil“ laut gängiger Empfehlung 10.000 Schritte täglich nötig sind, sollte niemandem Druck machen, rät Medizinerin Turecek. Als Richtwert sei diese Zahl zwar nicht schlecht. Doch renommierte Experten sehen die kritische Grenze schon bei 5.000: Wer weniger Schritte pro Tag tut, fällt in die Kategorie „bewegungsarm“. Als „aktiv“ gilt man aber bereits ab 7.500. Keine Frage: Jeder zusätzliche Schritt ist von Vorteil. Bedenkt man allerdings, dass sich in nur zehn Spazierminuten leicht 1.000 gehen lassen, kann man entspannt und stressfrei losmarschieren.    

 

Top-Tipp „Gehirnspaziergang“. Sollen durch Bewegung neu gewonnene Nervenzellen auch erhalten bleiben, ist geistige Action nötig. Diese Tatsache nahm Kognitionswissenschafterin Turecek zum Anlass, spezielle „Gehirnspaziergänge“ zu entwickeln, die körperliche und geistige Aktivität verbinden. Und die Idee der Expertin, die sich seit Jahren mit den positiven Wirkungen des Gehens auf Körper und Psyche befasst, geriet zum Erfolg.

Tureceks leicht anwendbare „Geh-Programme“ mit überraschend geringem Zeitaufwand sind zurecht höchst gefragt. Immerhin lindern sie nachweislich Stress, beflügeln Kreativität und fördern Fitness sowie Hirnleistung. Alle Details dazu schildert Turecek in Vorträgen, Seminaren und ihrem Buch „Gehirnspaziergang“ (Verlag Hubert Krenn).

Gehen Sie sich schlau!  „Gäbe es ein Medikament, das all dies leistet, aber kaum Nebenwirkungen zeigt, wäre die Nachfrage gigantisch“, sagt Expertin Turecek übers Gehen. Was die Wissenschaft dazu inzwischen zu bieten hat, füllt Bände. Erkenntnisse, die jeder für sich nützen kann. Schließlich braucht man fürs Gehen weder Ausrüstung, noch Termine oder Geld – und kann’s in jedem Alter tun, egal ob bislang Fitness-Fan oder Couchpotatoe. Und weil Tureceks „Gehirnspaziergänge“ es leicht machen, von all dem Wissen optimal zu profitieren, finden Sie hier ein paar Beispiele.


ÜBUNGSTIPPS:Mit den folgenden, von Katharina Turecek eigens für Diabetes-Austria.com zusammengestellten „Gehirnspaziergängen“ können Sie gleich starten: Einfach losspazieren, den Anleitungen im Gehen folgen – und genießen!
 

Gehirnspaziergang 1:

Wahrnehmung schärfen. Handy, Büro- und Arbeitslärm haben jetzt Pause. Konzentrieren Sie sich aufs Hören: Wie klingen die Stadt, der Park und die Natur? Lauschen Sie deren Geräuschen und ordnen Sie diese zu.

Kreativität fördern. Wählen Sie ein Hauptwort, das Ihre Umgebung beschreibt und finden Sie zu jedem Buchstaben ein Eigenschaftswort. Zum Beispiel W-A-L-D: warm, angenehm, luftig, dicht.

Entspannen. Überlegen Sie fünf Dinge, die heute besonders gut waren und erstellen Sie eine „Best of Today“-Liste.

 

Gehirnspaziergang 2:

Arbeitsgedächtnis trainieren.„Zu viele Köche verderben den Brei“. Können Sie dieses Sprichwort Wort für Wort rückwärts aufsagen? Also: „Brei den verderben Köche zu viele“. Finden Sie weitere Sprichwörter und sagen Sie sie in Gedanken rückwärts auf.

Wortfindung üben. Bilden Sie Paare aus Eigenschaftswörtern und Hauptwörtern, die mit demselben Anfangsbuchstaben beginnen. Also etwa: Aufregende Abenteuer, Bunte Blumen, Chaotische Computerspezialisten ....

Für besseres Erinnerungsvermögen. Begeben Sie sich in Gedanken auf ein Klassentreffen. Welche Namen von LehrerInnen und SchülerInnen haben Sie noch im Kopf? Erinnern Sie sich an konkrete Erlebnisse, dann fallen Ihnen vielleicht noch weitere Personen ein. 

 

Gehirnspaziergang 3:

Koordination verbessern. Zählen Sie während Sie gehen Schritt für Schritt bis 10 und beginnen Sie anschließend wieder bei eins. Ersetzen Sie beim nächsten Durchgang die Zahl 1 durch eine Bewegung, klatschen Sie zum Beispiel in die Hände und zählen Sie weiter bis 10. Ersetzen Sie nun der Reihe nach einzelne Zahlen durch weitere Bewegungen. Wie viele Ziffern können Sie ersetzen?

Kopfrechnen üben. Plus 2, minus 5: Beginnen Sie bei der Zahl 50 und zählen Sie 2 dazu, ziehen Sie vom Ergebnis 5 ab und zu diesem Wert wieder dazu. Rechnen Sie in dieser Folge weiter. Wenn Sie letztendlich bei 0 ankommen, haben Sie richtig gerechnet.

Kreativität fördern. Wofür können Sie ihren Schlüssel benützen? Finden Sie so viele übliche und unübliche Nutzungsmöglichkeiten. 

 

Website Dr. Katharina Turecek: http://katharinaturecek.com