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Forscher wollen Übergewicht als eigenständige Krankheit einstufen

26. Feb. 2020 - Um Fettleibigkeit zu diagnostizieren, wird bisher der Body Mass Index (BMI) gemessen – dieser kann aber keine genauen Angaben über die Auswirkungen von Übergewicht machen. Hierfür schlagen Forscher jetzt ein neues, umsetzbares Klassifizierungssystem für Adipositas vor.

Bluthochdruck, ein erhöhtes Krebsrisiko, Diabetes – starkes Übergewicht, das auch als Fettleibigkeit oder Adipositas bezeichnet wird, erhöht das Risiko für mehr als 60 Folgeerkrankungen. 

Trotzdem sind sich Experten weltweit weiterhin uneinig darüber, ob starkes Übergewicht als eigenständige Krankheit zählen sollte.

Wissenschaftler der Obesity Society, der weltweit führenden Fachgesellschaft zur Erforschung, Behandlung und Prävention von Adipositas, schlagen daher jetzt ein neues Klassifizierungssystem vor.

Das neue System soll Übergewicht als Krankheit besser einordnen und wurde kürzlich in dem Fachjournal 'Obesity' vorgestellt.

BMI spiegelt die Auswirkungen von Übergewicht nicht wider

Übergewicht wird als eine überdurchschnittliche Vermehrung des Körperfetts, die über das Normalmaß hinausgeht, definiert

Das Normalmaß wird über diesen Body-Mass-Index bestimmt – auch die Diagnose von Fettleibigkeit basiert derzeit ausschließlich auf dem BMI. 

Dieser darf aber nur als grober Richtwert gesehen werden, denn Statur und die individuelle Zusammensetzung des Fett- und Muskelgewebes werden nur minimal berücksichtigt.

Bisher konnte dieser Wert zudem keinen Hinweis auf die Auswirkungen übermäßiger Adipositas auf die Gesundheit einer betroffenen Person geben. Auch der derzeit angewendete ICD-Code (International Classification of Diseases) gibt nur die Möglichkeit, Fettleibigkeit aufgrund von übermäßigen Kalorien zu diagnostizieren.

Dies ist nach Ansicht der Obesity Society medizinisch nicht sinnvoll und spiegelt zudem keine Entstehung oder Entwicklung der Adipositas wider.

Fettleibigkeit soll genauer klassifiziert werden

Laut den Wissenschaftler der Obesity Society soll das neue System auf einer umfassenden Grundlage für die klinische Intervention sowie auf individualisierten Behandlungszielen und einem personalisierten und abgestimmten medizinischen Ansatz basieren. 

Dabei soll die neue Klassifizierung vier Bereiche abdecken – die pathologische Physiologie, den Body-Mass-Index (BMI) sowie das Vorhandensein und die Schwere von Komplikationen. 

So soll erreicht werden, dass Ärzte und Betroffene genauer festlegen können, was überhaupt behandelt wird und warum.

Dr. W. Timothy Garvey, Professor für Ernährungswissenschaften und Direktor des Diabetes Research Center an der Universität von Alabama in Birmingham erklärt gegenüber 'EurekAlert!' die Vorteile des neuen Systems.

„Die Kodierung spiegelt wider, was wir behandeln und warum wir es behandeln und wird hoffentlich Impulse für einen besseren Zugang der Patienten zu evidenzbasierten Behandlungen geben."
 

Individuelle Diagnosen sollen unterstützt werden

Als neuen Überbegriff für Erkrankungen, die auf starkem Übergewicht basieren, schlagen die Wissenschaftler Adipositas-basierte chronische Erkrankung (ABCD) vor.

Dieser diagnostische Begriff beinhaltet sowohl die Pathophysiologie (die Lehre von krankhaften Veränderungen am Körper, sowie die Lehre von Funktionsweisen des Körpers) als auch die klinischen Auswirkungen von Fettleibigkeit als chronische Krankheit und soll die klinischen Bemühungen, individuelle Diagnosen mit einer höheren Genauigkeit vorzunehmen, unterstützen. 

Die American Association of Clinical Endocrinologists (AACE) und die European Association for the Study of Adipositas (EASO) übernahmen das Konzept von ABCD bereits. 

„Es ist von entscheidender Bedeutung, die Intensität der Therapie an den Schweregrad und an die Pathophysiologie der Krankheit anzupassen“, unterstreicht Karl Nadolsky, Vorsitzender des staatlichen Netzwerks für Ernährung und Adipositas bei AACE.