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Extremsituationen: Wo liegen die Belastungsgrenzen unseres Körpers?

Wir atmen, trinken, essen – für uns selbstverständlich. Erst in Extremsituationen wird deutlich, wie abhängig wir von Blut, Luft, Wasser & Co. sind. Aber wo liegen unsere Belastungsgrenzen?

Nach wie vielen Tagen verdursten wir?

Zehn Tage ohne Wasser gelten als absolute Obergrenze. Länger hat noch kein Mensch überlebt. Unser Körper braucht Wasser vor allem als Lösungsmittel. Der Sauerstoff und die anderen Inhaltsstoffe des Blutes und der Zellen können sich nur durch den Körper bewegen, wenn sie in Wasser gelöst sind. Auch Giftstoffe wird der Körper nur dann los, wenn er sie in Wasser lösen kann. Außerdem nutzt der Körper Wasser für den Schweiß, mit dem wir uns kühlen. Das Wasser verdunstet auf der Hautoberfläche und entzieht dem Körper Wärme. Zu guter Letztverlieren wir noch Wasser beim Ausatmen, denn die Lunge wird ständig feucht gehalten. Wenn wir zwei Prozent unseres Körpergewichts in Form von Wasser ausgeschieden haben, fühlen wir uns stark durstig. Wenn der Verlust bis auf zehn Prozent steigt, rast unser Herz, die Muskeln krampfen, wir verlieren die Orientierung und bald darauf das Bewusstsein. Wie rasch ein Mensch verdurstet, hängt auch von der Umgebung ab. Im trockenen Wüstenklima geht es schneller als in den feuchten Tropen. Gefährlich sind hohe Berge: In der dünnen, trockenen Luft verlieren wir besonders viel Wasser durch Atmung.

Wann macht Einsamkeit verrückt?

Wann wir uns einsam fühlen, ist individuell unterschiedlich. Manche müssen ständig in Gesellschaft sein, andere genügen ein paar Treffen mit guten Freunden. Aber wenn sich das Gefühl der Einsamkeit einstellt du womöglich über Monate anhält, wird es gefährlich: Die meisten Effekte extremer Einsamkeit wurden an Häftlingen beobachtet, die eine lange Isolationshaft hinter sich hatten. Bei ihnen verändert sich der Hormonhaushalt, sie können sich nicht mehr konzentrieren, leiden sogar an Halluzinationen. Ihr Empfinden starker Emotionen ist dauerhaft gestört. Ratten, die man von Geburt an ohne soziale Kontakte gehalten hatte, bekamen häufiger Krebs oder starben an einer Lungenentzündung. Doch selbst wenn jemand nicht völlig isoliert ist, richtet Einsamkeit Schäden an. Die Betroffenen erleben den Mangel an Sozialkontakten als Stress. Dadurch steigt der Blutdruck, Knochen- und Muskelgewebe werden geschwächt, das Immunsystem wird blockiert. Das Risiko für Infektionen und Herzinfarkte steigt. Wer einsam lebt, wird nach einem Infarkt zudem oft zu spät entdeckt, das erhöht die Todesrate. Viele Einsame leiden auch an Depressionen und haben ein erhöhtes Suizid-Risiko.

Bei wie viel Grad erfrieren wir?

Als die Norwegerin Anna Bagenholm nach einem Skiunfall ins Klinikum eingeliefert wird, messen die Ärzte statt 37 Grad nur noch 13,7 Grad – Minusrekord! Fällt die Körpertemperatur beim Menschen unter 28 Grad, herrscht akute Lebensgefahr: Zwei von drei Opfern sterben an der Unterkühlung. Unter 24 Grad kommt es zum Herzstillstand – auch bei Anna Bagenholm, die fast eineinhalb Stunden im eisigen Schnee liegt. Im Krankenhaus wird über die Oberschenkelvene Blut aus ihrem Körper gesaugt, aufgewärmt und mit Sauerstoff angereichert zurück in den Kreislauf gepumpt. Noch nie zuvor hat ein Mensch eine solche extreme Unterkühlung überlebt. Ihr Gehirn war „eingefroren“, und auch der Körper wurde gewissermaßen unbeschädigt konserviert, lautet die Analyse des behandelnden Chefarztes. Doch immer wieder trotzen Kälteakrobaten dem Erfrieren. Durch eine gesteigerte Konzentration hindern sie ihren Körper daran, Wärme abzugeben. Das funktioniert nach dem Prinzip des Biofeedbacks: Im Kältetraining werden ständig aktuelle Körpertemperaturwerte auf einem Monitor angezeigt. Mit dieser Kontrolle ist es möglich, zu erlernen, wie man die eigenen Körperfunktionen mit der Kraft des Willens manipuliert.

Kann man allein am Schmerz sterben?

In einzelnen Fällen kann extremer Schmerz einen tödlichen Schock verursachen. Die Verletzung selbst muss dabei nicht lebensbedrohlich sein. Es kommt zu Herz-Kreislauf-Versagen und Herzstillstand. Nicht auszuschließen ist, ob bereits eine Herzerkrankung vorlag. Insgesamt sind chronische Schmerzen aber wesentlich gefährlicher. Der Grund: Patienten mit chronischen Schmerzen sind in einem diabolischen Kreislauf gefangen. Durch die dauernde Weiterleitung von Schmerzsignalen kommt es zu einer krankhaften Veränderung des Rückenmarks. Die Schmerzschwelle sinkt, schon leichte Reize werden dann über die Synapsen weitergeleitet und lösen eine neue Schmerzempfindung aus. Die chronischen Schmerzen können das ganze Lebe der Betroffenen zerstören. Sie ziehen sich von sozialen Kontakten zurück, ihre Konzentration und ihr Gedächtnis leiden. Die Folge sind häufig psychische Krankheiten wie Depressionen. Dadurch steigt das Suizid-Risiko. Auch Schmerzmedikamente, die starke Opiate enthalten, können Patienten süchtig machen und im Laufe der Zeit Organe zerstören.

Kann man ohne Körper leben?

Karl sitzt an seinem Schreibtisch, als ihm plötzlich schlecht wird. Er legt sich aufs Bett. Erst Stunden später findet ihn seine Frau und ruft den Notarzt. Karl sieht die Gesichter der Sanitäter über sich, aber er bringt leinen Ton hervor. „Exitus“, sagt einer der Helfer. Karl bekommt Angst. Offenbar halten ihn die Ärzte für tot. Aber er kann sich nicht rühren, kein Zeichen geben, denn er ist vollkommen gefangen in seinem Körper – der einsamste Moment in seinem Leben. Im Krankenhaus hat er Glück: Der behandelnde Arzt diagnostiziert LIS. Locked-In-Syndrom. Karl hatte einen Schlaganfall, wodurch ein Blutklumpen eine Arterie so stark verstopfte, dass sie das Gehirn nicht mehr richtig versorgte. Die Steuerungszentrale für sämtliche Muskeln war ausgefallen. Dank der frühen Diagnose konnte sein Bewegungsapparat durch intensive Therapie wieder in Gang gebracht werden. Heute kann er an Krücken laufen. Doch für viele Patienten ist LIS ein Todesurteil. Die durchschnittliche Lebenserwartung sinkt auf wenige Jahre. Im schlimmsten Fall wird das Locked-In-Syndrom von Ärzten nicht erkannt. Mit jemandem, der im Koma zu liegen scheint, kommuniziert kaum jemand. Die Patienten sterben in vollkommener Einsamkeit.

Kann streicheln tödlich sein?

Es kling absurd, aber Forscher haben herausgefunden, dass man einen Menschen buchstäblich zu Tode streicheln kann. Die Schmerzrezeptoren der Haut liegen tiefer, damit nur sehr starke Reize sie erreichen können. Beim Streicheln werden sie zunächst nicht angeregt. Doch durch andauernde Reibung werden die oberen Hornzellen erwärmt. Die Flüssigkeit aus Zellzwischenräumen beginnt zu verdunsten. Dadurch wird die gesamte Oberhaut allmählich mit Flüssigkeit durchtränkt. Die gestreichelte Stelle quillt auf, die Reibung steigt drastisch an. Streichelt man am wenig behaarten Oberarm mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von einer Streichelbewegung pro Sekunde, so dauert es ungefähr 50 Minuten, bis man das Streicheln nicht mehr ertragen kann. An den Stellen mit sehr dünner Oberhaut wie den Ohrläppchen, den Lippen und den Augenlidern hält man es bereits nach fünf bis acht Minuten nicht mehr aus. Das Dauerstreicheln verursacht irgendwann Schädigungen des Hautgewebes, die mit Verbrennungen vergleichbar sind. Diese können im Extremfall zum Tod führen.